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den Beschluß, dem Senator Verenger einen tüchtigen Possen zu spielen. Am letzten Samstag war Sammlung bei der Sorbonne, ein paar tausend Studenten und Kunstschüler formierten sichzum Schutze ihrer Vergnüg­ungen und ihrer Künstlerischen Freiheit" zu einem großartigen Gänsemarsch und zogen über das Boulevard Saint Michel, das alt­berühmte Boul'Mich', die Hauptstraße des Pariser Srudententums. Vor den Häusern BerengerS und Jules Simons (Protektor des Berengerschen Vereins) wurde en e fürch­terliche Katzenmusik veranstaltet. Ueber den weiteren Teil der Demonstration, die zu einem heftigen Zusammenstoß ausartete, wird berichtet: Gestern abend und nachts dauerte» die schweren Konflikte zwischen Studenten, Polizei und Bürgern an. 150 Verwundete liegen in den Ho pitälern. Im Qu rtier Latin ist die Aufregung unbeschreiblich. Fortwäh­rend zogen Lrtudcntenzüge verstärkt durch Einwohner, bis zu 5000 Mann stark, gegen die Poüzeipräfektur, das Elysse und das Stadthaus. Am Palais Bourbon wurde die Schildwache entwaffnet und mißhandelt, das Schilderhaus umgerissen und demoliert unter den Rufen:Nieder mir den Mörder»! Man will uns massakrieren!" Wie in Four- mis wurden die Wachposten der Präfektur -angegriffen und zurückgeworfen. Die Prä­fektur bombardierten 4000 Mann mit einem Hagel von Steinen und mit Eisenstangen. Zwei Studenten warfen die die Brücke ab­sperrende» Polizeiketten zurück, griffen die berittene Gendarmerie an, welche mit blanker Waffe einhieb und darauf zurückging. Die Manifestanten warfen überall die bewaffnete Macht zurück. Sämtliche Fenster N-r Poli- zeipräfektur wil den zertrümmert. Der Po­lizeipräfekt und seine Familie flüchteten aus dem Präfekturgebäude in die Hinterhöfe. Eine Frau wurde durch große Steine im Salon fast getötet. Weitere blutige Zu­sammenstöße kamen vor auf den Boulevards St. Michael, Montmartre und Poissonniöre. Sämtliche Läden wurden geschlossen, die Polizei wurde vielfach entwaffnet und mit ihren eigenen Säbeln verwundet. Vor dem Elisee fand ein gleicher Kampf statt. Zahl­reiche Personen wurden verwundet. Andere Studenten manifestierten vor den Wohnungen der Senatoren Berenger und Jules Simon. Fast einstimmig wird der Polizeipräfekt als Ursache der Unglücksfälle verurteilt, sowie die schwankende Haltung des Ministers des Innern, dessen Demission vielfach gefordert wird. Mehrfache Interpellationen werden in den Kammern angekü> digt und es wird eine stürmische Sitzung erwartet. Umfang­reiche Schutzmaßregeln sind für heute ge­troffen.

Paris, 5. Juli. Der Aufruhr dauerte bis 4 Uhr morgens unter fortgesetzten At- taken der Kavallerie fort. Um Mitternacht zündeten die Meuterer das Wachthaus der Stadtsergeantenwache an, nachdem sie das­selbe erstürmt hatten. Darnach wurde ein Zeitungskiosk in der Hauptstraße des Quar­tier Latin angezündet. Die Feuerwehr suchte vergebens zu löschen unter Attaken der Poli­zei, die alles medersäbelte. Die Meuterer rissen mit Eisenstangen und Balken die Stra­ßen auf und begannen eine regelrechte Straßen- schlacht. Die Kavallerie griff im Gallopp an; dieselbe wurde mit Revolversalven em­pfangen; auf beiden Seiten sind zahlreiche Schwerverwundete. Der Redakteur des »Ma­lin" erhielt 6 Säbelbajonettwunden und wurde, tötlich getroffen, fortgebracht. Der Redakteur der,,Libre Parole", wurde fast vollständig

I zertreten; er liegt im Sterben. Das Quar- >tier Latin ist mit Trümmern bedeckt.

um ihre Depots zurückzuziehen bestürmt wur­den, ihre Schalter.

5. Juli. Die Gesamtzahl der ver­wundeten Exzedenten wird auf 300 geschätzt, darunter 40 Schwerverwundete, auf Seiten der Polizewgenten 50 Verwundete, darunter! 2 lebensgefährlich. Unter den 261 wegen Ausschreitungen vom Montag gerichtlich Ver­folgten sind nur 5 Studenten.

5. Juli. Von Neuem herrschte im Quartier Latin bis lange nach Mitternacht der wildeste Aufruhr und die Truppen ver­mochten desselben ebensowenig wie die Polizei Herr zu werden. Auf allen Straßen in der Umgebung des Boulevard Saint-Michel tobte der Tumult. Die Meuterer begnügten sich nicht mehr mit den geringfügigen Helden- thaten des Vorabends, sie errichteten zahl­reiche Barrikaden aus den umgeworfenen Wagen der Pferdebahnen; sie steckten die Zeitungskioske in Brand, um sie auf die her­andringende Polizei zu werfen. Wo ein ein­zelner Schutzmann in ihre Hände fiel, wurde er aufs unbarmherzigste gelyncht. Anderseits bewiesen die von allen Seiten bedrängten und aufs Aeußerste erbitterten Agenten der Zentralbrigade, sowie die berittene Äunizipal- garde bei ihren unaufhörlichen Angriffen kei­nerlei Schonung. Sie schlugen mit ihren Sä­beln rücksichtslos nicht nur auf die flüchtende Menge, sondern auch in den Nebenstraßen, wo man ihnen nicht zusetzte, auf unbeteiligte Vorübergehende los und traten die Frauen und Kinder unter ihre Füße. Es werden Szenen von unglaublicher Brutalität gemeldet. Mehrere Offiziere und zahlreiche Agenten (über 60) sind durch Steine, Eisenstücke und brenn­ende Holzscheite, die man ihnen zuwarf, sowie durch Revolverschüsse erheblich verletzt worden. Das Quartier Latin ist th ursächlich in Bela­gerungszustand versetzt worden.

Paris, 6. Juli. Gestern (Mittwoch) Abend mußte Militär den Magenta-Boulevard räumen, wobei 30 Personen verwundet wur­den. In der Schulstraße machten Kürassiere eine Attake; 25 Schwerverwundete. Die Menge tränkte die Pferdebahnwagen mit Petroleum und suchte sie anzuzünden.

London, 4. Juli. Verschiedene Augen- zeugen-Berichte werden über den Untergang derViktoria" veröffentlicht; sie alle zeigen, daß der Zusammenstoß erwartet wurde, sobald beide Schiffe die angeordnete Wendung aus­führten. An Bord derViktoria" befanden sich außer 12,000 Pfd. Sterl. Staatsgeldern auch die Subskriptions- Beiträge des Ge­schwaders für das Hochzeitsgeschenk an die Prinzessin Mary.

London, 5. Juli. Die Grube Tuorn- nill bei Dewsbury ist infolge einer Explosion in Brand geraten. Es wird befürchtet, daß hiebei 145 Arbeiter umkamen.

London, 6. Juli. Nach einer Reuter- melvung aus Honolulu ist eine Verschwörung von Royalisten, die durch Dynamit eine Ka­tastrophe herbeiführen wollten, durch die Ver­haftung dreier Engländer vereitelt worden. Die Verschwörer beabsichtigten, von dem Regie­rungsgebäude Besitz zu ergreifen unv die Re­gierung zu stürzen. Unter den Verschwörern befanden sich 9 frühere Kabinets-Mitglleder.

New york, 6. Juli. Die amerikanische Nationalbank stellte ihre Zahlungen ein. Die Aktiven betragen 1'/« Mill. und die Passiven 635 000 Dollars. Man glaubt, daß die Bank die Geschäfte demnächst wieder aufnimmt. In­folge dieser Zahlungseinstellung schlossen drei andere Banken, welche von den Deponenten

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(Li n g ssan dt.)

,Ick bin sin Lremdling überall", singtdsr bsrübmtsVandsr er" und in­dem iob miob bis mit als sinsn gegenwärtig ebenso ksimatlossn Landkadror vorsustsllen dsskrs, kübls ivb mivb um so wsbr bsrsob- tigt, iu naobstsbender durchaus internationaler 4.ngvlsgsnbsit das Vort ru nsbwsu. Ls bandelt sivb nämliob um Lrküllung «iusr Lkrsnplliobt, sinsm Manns gegenüber, der während äsr Ausübung seines Metiers uns alle in wakrem 8inn äss Vortos um Hauptes­länge überragt, es bandelt sieb kurr gesagt um das Dvirsü« des Leiters der bissigen Lurkapslls, dos Lgl. Musikdirektors Lrn. Kuss, das näebstsn 8vnntag statt- ündsn wird. Ver kennt niobt dis vielen 8obmerrsn, dis vielen Radslstiobe, dis dem beiter einer Lad-LapsIIs seitens eines so visl- köpklgen stets urtoilsbsrsitsn Publikumsvsr- sstst" werden. Diesem ist das Programm 2 u klassisch, jenem v.u modern, sinsm andern sn ssiobt, sinsm wieder na, es gisbt kein Urteil, das niobt aut sinsn armen La- psllmsistsr abgeksusrt wird. Lr. Lass Kat swolksllos dis glsiobsn Ossvbosss aussukaltsn, allein im Lekübls treuer piliobterküllung denkt auoksr: »Vis Lott will, Ivb daltstiil,« und windet sieb mit kkukgebot seines künst- lsrisobsn Lskübls durob alle Rilke und 3okluob- tsn dilettantisolisr Oemsinplätris, suobt jedem Lssobmaoks, jeder Richtung gerecktsuwerden, und dieses Lemübsn ssitigt, gsstütst auk dis etwas variierten Dötbs'sobsn Vorts:Vor Vieles bringt, wird ^.llsn etwas bringen" dis abwsobslungsrsivbsn, kür sin buntes Lads- Publikum so reobt geeigneten Programms. Und wie vielkavb präsentieren sieb dis täg- liobon 12 resp. 18 Hummern auk denselben I Rur Lingeweibts vermögen ru beurteilen, wie viel Berger, Mübsund Sebweiss anjsdsr Rüm­mer klebt. Zekrsibsr dies, sin musikalisobsr Zigeuner, wie er sivb inkolgs seiner Rrsur- und tzusrsüge durob alle musikalisobsn Le- llldo selbst su nennen beliebt, kennt 4.IIos das, was bintsr den Loulissso spisll, aus dem kk, allein er glaubt im heutigen Lalle von der Dstailisrung seiner Lrkabrungsn ab- ssbsn su können, er glaubt, dass es ge­nügt, wenn er betont und die Vabrnobmungsn urtoilskäbiger Ladsgästs bestätigt, dass Lr. Musikdirektor Russ mit bestem Villen und Lsllngsn bsmübt ist, allen gliob s n Vün- soben gersobt su werden. Isdsr einsiobts- volls Ladbesuobsr muss su der Leberrsugung gelangt sein, dass es ikm gelungen ist, sein« Rapells auk die Lobs ru bringen, wie sis in kknbotraokt des Umstandes, dass sein Orobostsr niobt wie in Laden-Laden, Vissbadsn u. s. w. kein ganzes, sondern der 2abl naob nur ein sog. Kalbes ist, kaum böbsr 2 u bringen ist; jeder wsiss, dass er den Vünsoben der Losamtbeit, ja wen» tdnnliok, den Vünsoben des Liusstnsn ru sntsprsoben siob bsmübt, sokorn sivb solobo mit seinem künstlsrisobsn Lskübl und seinen plliobtsn vereinbaren lassen. Anerkennt also dis Verdienste und das Lnt- gsgonkommsu des Lrn. Musik-Direktor Luss durob reobt vollsäbligsn Lssuob seines 8onn- tag-Lsosüsss. Ibr kördort neben der Aner­kennung wirklivbsr Verdienste auob das In­teresse kür dis »obönsts der Künste, kür wslobs jeder gute Mensok empkängliok und wsloksm su dienen eins wabre Lsrssnskrsude ist. R.

Wilckbsck, 5. duli. Osstsrn nachmittag kaud sin National-Ooucsrt Ungari­scher 2igsunsr, Damen und Herren, in den Kgl. Anlagen statt. Lämtlichs Nit wirkenden, welche in ihrer malerischen Nationaltracht anktratsn, beherrschten ihre Instruments (Violine, Oz-mbal und kiston) mit einer bewundernswerten Virtuosität und ernteten sowohl kür ihre Instrumental- und Olesangs-Vorträge, als auch dis Dans-kluk- tübrungsn reichen Lsikall. Abends conLsr- tierts dis Kapelle im 8aals des Oastboks 2 .Disenbabn" und kand aueb hier kür ihre msister hakten 6ssamt- und Dinkel-