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Rundschau.

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Pirmasens, 28. Juni. Nachdem in der vorletzten Nacht bedauerliche Ruhestörungen vorkamen, rückte gestern abend eine Kompag­nie Infanterie von Zweibrücken nach Pirma­sens ab. Der wieder ausgebrochene Tumult wurde durch Einschreiten des Militärs und Verhaftung von fünfzehn Tumultanten unter­drückt.

Ueber die Unruhen in Pirmasens wird unterm 27. Juni weiter geschrieben: In der vergangenen Nacht kamen in Pirma­sens recht bedauerliche Ausschreitungen vor. Nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses sammelte sich unter Schreie» und Hochrufe» auf den unterlegenen ultramontanen Kandi­daten Reeb vor dem Ratbause und dem Cafä Cordier eine große Menschenmenge an, welche allerlei Unfug verübte. Die einschrei­tende Polizei erwies sich als zu schwach, um die Ruhe wieder herzustellen. Als nachts gegen 1 Uhr der Unfug einen immer bedroh­licheren Charakter anuahm, mahnte der Be- zirksamtmann die Menge in einer Ansprache zur Ruhe, jedoch erwies sich auch Vieler Scbritt als erfolglos, so daß schließlich die Polizei Schreckschüsse abgab. Die Menge antwortete damit, daß sie die Fenster des Rathauses und des Cafäs Cordier mit Stei­nen einwarf. Erst als Sturm geläutet wurde und die Feuerwehr anrückte, gelang es, die Ruhe wieder herzustelle». Zahlreiche Per. sonen erlitten Verletzungen und es wurden mehrere Verbaftungen vorgenommeu.

An Stimmen bei den Rcichstagswah len sind am l5. Juni nach Angaben im Hamb. Korr, insgesamt rund 7 400 000 ab­gegeben worden, statt 7,228 000 im Jahre 1890. Interessant ist, was die offiziöse Statistik mitteilt, über Gewinn und Verlust der einzelnen Parteien. Danach haben ge­wonnen die Sozialdemokraten 290 000 St., die Antisemiten 240 000 St., die Deutsch- Konservativen 90 000 Stimmen. Dagegen haben verloren die Nationalliberalen 210 000 die Freikonservativen 100000 Stimmen. Der Gewinn der Konservativen unv Antisemiten übersteigt mithin nur um 20 000 den Verlust der Nationalliberalen und Freikonservativen Die Zahl der abgegebenen Stimmen hat sich um 172 000 vermehrt. Die Zahl der Zen­trumsstimmen ist ungefähr dieselbe geblieben.

Hofprediger Stöcker ist in der Stich­wahl in Siegen dem nationalliberalen Gegen­kandidaten unterlegen. Wie nun aus Herford gemeldet wird, will der Konservative Abge­ordnete von Hammerstein auf das Reichstags­mandat in Herford-Halle i. W. verzichten, damit Herr Stöcker dort gewählt werden kann.

_ Als nicht mehr gewählte bisherige

Reichstagsabgeordnete sind zu nennen: bei den Konservativen die Herren Ackermann, v. Friesen, Hahn, Prinz Hanjery, Hartmann, v. Helldorff, Graf Udo Stollberg, v. Henk, Stöcker; bei der Reichspartei die Herren v. Keudell, Graf Behr, Fürst Hatzfeld; beim Zentrum die Herren Graf Adelmann, Graf Ballestrem, Biehl, v. Gagern, von Huene, v. Pfetten, Porsch, die beiden Grafen Preysing, v. Schal- scha. Stütze!, Brüel; bei den Nationalliberalcn die Herren Büsing, Buhl, Endemann, Scipio, Hastedt, Holtzmann, v. Hülst, Müllensiefen, Oechelhäuser, Pfähler, Schneider, Petri; bei den Freisinnigen die Herren Bamberger, von Bar, Baumbach, Brömel, Dohrn, Eberty, Goldschmidt, Gutfleisch, Hänel, Harmening, Hinze, Hirsch, Horwitz, Knörcke, Schenk, Schmidt-Elberfeld, Schräder, Seelig, Siemens, v. Stauffenberg, Virchow, Witte, Wöllmer.

Der Benjamin des neuen Reichstages > stellung genommen. Tryon gab während des ist der Sozialist Bueb, der an Stelle Hickels' Manöverierens Befehl zur SchwenkungKam- den Wahlkreis Mülhausen im Reichstag ver-!terwan" rannte derViktoria" in den Bug

tritt. Man schreibt demElsäss. Journ." . Herr Bueb ist ein ganz junger Mann. Er ist geboren in Mühlhausen am 21. Dez. 1865, also kaum 27*/s Jahre alt. Obschon Bueb Gegner der Militärvorlage ist, so trägt er doch gern eine militärische Haltung zur Schau. Er hat seinen ursprünglichen Beruf verfehlt.

Er ist geborener Protestant, und er hatte den Wunsch gehegt Pfarrer zu werden. Aber die Hilfsmittel der Eltern reichten nicht hin, um die Studienkosten zu bestreiten, und als alle Versuche, die nöthigen Mittel zu finden, er- erschöpft waren, trat der junge Bueb als Be­amter in ein Büreau ein. Als Schreiber bei einem Advokaten in Mühlhausen fand Bueb auch Gelegenheit die Gesetze kennen zu lernen. Als vor drei Jahren die Rede davon ging, ein sozialdemokratisches Organ in Mülhausen zu gründen, glaubte man keine bessere Per­sönlichkeit für den Redakteurposten finde» zu können als den jungen Bueb."

Berlin, 29. Juni. Alle 397 Wahlen sind nun bekannt; davon 75 Konservative (bisher 68), 23 Neichspartei (bisher 18), 53 Nat.Lib. (bish. 42), 14 Freis. Verein, und 24 freis. Volksp. (zusammen 38, b>sh. 67), 11 südd. Volksp. bish. 10), 96 Zentrum (bish. 103), 3 bayr. Bauernbund, 7 Welfen (bisher 10), 19 Polen (bish. 17), 1 Däne (wie bish.), 10 Elsäßer (ebenso), 17 Anti­semiten (bish. 6), 44 Soz. Dem. (bisher 36).

Berlin, 29. Juni. Die soeben ver­öffentlichten Ergebnisse des Heeres - Ergänz­ungs-Geschäftes für 1892 legen wieder ein lautes Zeugnis dafür ab, wie ungleichmäßig bei der jetzigen Friedens-Präsenzstärke die Heranziehung der Bevölkerung zum aktiven Militärdienst ausfällt. Nach einer derPost" entnommenen Zusammenstellung mußten allein 21074 völlig brauchbare Leute zurückgestellt werden, weil sie über den Rekrutenbedarf über­schießend waren. 81796 kamen zur Ersatz reserve, 118 312 zum Landsturm I.; hierin stecken auch noch sehr viele völlig Brauchbare. Von den elfteren wird jetzt nur ein geringer Teil im Frieden notdürftig ausgebildct; der Rest, sowie der ganze Landsturm I. kommt erst im Kriege zur Ausbildung und in der Regel gar nicht vor den Feind, wohl aber die älteren Landwehrleute.

Gegen Julius Stettenheim in Berlin, den Herausgeber derWespen", wurde das Verfahren wegen Majestätsbeleidigung eingeleitet. Es handelt sich um einen in den Wespen erschienenen sarkastischen Artikel über Monarchenreisen, welche humoristisch behandelt werden.

Als Preisrichter werden von Seiten Deutschlands etwa 40 Sachverständige nach Chicago gehen. Der Reichskommissär Geh. Rat Wermut hatte mehr vorgeschlagen. Das scheiterte aber an der Geldfrage. Die Sach­verständigen erhalten insgesamt eine Entschä­digung von 750 Dollars per Person, die von der amerikanischen Regierung gezahlt werden.

Leipzig, 28. Juni. Das Reichsgericht verurteilte den Gastwirt Emil Fahrer aus Biesheim wegen versuchten Landesverrats zu 7 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehr­verlust, und erkannte auf Vernichtung des Notizbuches des Angeklagten, worin die Skizze eines Forts in Neubreisach enthalten war

London, 28. Juni. DasReutersche Bureau" meldet zupr Untergange des Panzer schiffesViktoria" folgende Einzelheiten. Das Geschwader hatte in 2 parallelen Linien Auf-

und drang mit dem Sporn bis in das Zentrum des genannten Schiffes. Tryon gab der Viktoria die Richtung gegen das Land, um dieselbe fest zu fahren. Die an Bord befindlichen Kranken und Gefangenen und die ganze Mannschaft wurde auf die Schiffsbrücke beordert. Durch ein großes Leck drang daS Wasser ein. Das Schiff sank mit dem Bug voran. Tryon befahl:Rette sich, wer kann. Alles stürzte sich in die Wogen. Tryon allein blieb auf der Kommandobrücke stehen. Die Viktoria nahm, in der Bewegung fortfahrend, immer mehr eine senkrechte Stellung em, das Hinterteil über Wasser. Darauf legte sich das Schiff zur Seite und sank mehr und mehr und verschwand vollständig im Wirbel nach zehn Minuten. Zwei Explosionen verrieten die letzten Spuren der Viktoria.

Bukarest, 28. Juni. Die offiziöse Compoine" bringt eine ungeheures Aufsehen erregende Nachricht, derzufolge aus Athen über Konstantinopel gemeldet werde, in Griechen­land bereiten sich ernste Ereignisse vor. Man erwarte die Abdankung des Königs und be­fürchte sogar eine Volkserhebung gegen die Dynastie und gegenwärtige Negierung. Die Bewegung weide im Geheimen von Tricupus und Delyannis geleitet.

Chicago, 28. Juni. Die Weltaus­stellung war am Sonntag von 161,658 Per­sonen besucht.

L o k a L e s.

Wildbad. (Eingesandt) In der letzten Woche ging die kurze Nachricht durch die Blätter, daß der Harfenkünstler Sjöden im Spital zu Biel gestorben" sei. Auf meine briefliche Anfrage über die näheren Um­stände, unter welchen der Künstler gestorben sei, erhielt ich von dem Vorstande des Ge­meindespitals im wesentlichen folgende Aus­kunft: Sjöden hat in Biel und Umgegend während des Frühjahrs mehrfach konzertiert, schon körperlich schwach und leidend. Er wurde ernstlich krank und zwar litt er an Herz und Nieren. Nach 3 Wochen kam er in das Spital zu Biel. Hier starb er nach 8 Tagen schwersten Kampfes. Er wurde mit musika­lischen Ehren beerdigt, geleitet von seiner Schwester, einem Bruder und einem Schwa­ger, die aus Schweden kamen. Ein Sänger, den er studieren ließ, war gleichfalls bei der Beerdigung. Vielleicht werden auch bei uns diese Notizen manche mit Teilnahme lesen, die Sjöden als Virtuosen und Kinderfreund sowie gelegentlich auch in geselligen Kreisen als originelle, edle Künstlernatur kennen ge- ernt haben.r.

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UnikrhMndks. Mruöer Studio

Von Martin Behrend.

(Schluß.)

Gesagt, gethan. Herr Ferdinand Brandt Hafer und Gerste sn xros, begab sich auf den Weg und besorgte seine Geschäfte. Es ging alles glatt von statten und selbst da, wo er auf große Schwierigkeiten zu stoßen vorbereitet war, konnte er seine Geschäfte zu vollkom­mener Zufriedenheit abwickeln. Es war daher kein Wunder, daß er in rosigster Laune des Abens zu seinem Neffen kam, der wieder, wie am Morgen hinter seinen Büchern saß und fleißig arbeitete. Er mochte ihn gar