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wurden gänzlich zerstört und die Maschinen zertrümmert. Die umgebende Kiefernanpflan­zung geriet zum Teil in Brand. An Ret­tungsarbeiten war bei der großen Gefahr nicht zu denken, da in der Fabrik viel Pulver und Dynamit lagert. Die meisten der verunglück­ten Arbeiter waren verheiratet. Der entstan­dene materielle Schaden ist sehr bedeutend. Kurze Zeit nach der ersten Explosion erfolgte eine zweite, durch welche jedoch nur einige Personen leicht verbrannt wurden, einige an­dere wurden durch den Luftdruck umgeworfen.

Neustadt i. Schw., 24. Mai. Gestern erschoß sich mittelst Revolver der Handels­gehilfe N. des Eisenhändlers Jsele dahier. Um halb 4 Uhr hörte der Prinzipal einen Knall und beim Nachsehen fand er den Selbst­mörder in seinem Schlafzimmer im Blute liegen. Erst gegen Mittag verschied der Unglückliche. Motiv noch nicht bekannt.

Bamberg, 24. Mai. Der Bankier Jakob Heßlein hat sich in seinem Bureau ent­leibt. Die verschlossenen Räume wurden von dem Konkursverwalter Rechtsanwalt Werner und dem fNotar Justizrat Burkart geöffnet, wobei ein großer eiserner Verschluß mit Dop- pelthüren, ähnlich einem größeren Kleiderschrank, gewaltsam erbrochen werden mußte. Hier fand sich nun Jakob H., dem Tode nahe. An der linken Halsseite hatte er einen 10 em langen und 1 em tiefen Schnitt, einen glei­chen am linken Handgelenk. Im Kasten lagen noch zwei Rasiermesser und 1 Licht. Die Narben waren bereits vertrocknet. Die That dürfte 30 Stunden vor Auffindung verübt worden sein. Die Lebenszeichen waren nur schwach. Die herbeigerufenen Aerzte förderten das Leben durch Einspritzungen, worauf die Ueberführung des.Heßlein in das Krankenhaus erfolgte. Vor den Bureaus des Hauses war den ganzen Tag über eine große Menschen­menge angesammelt. Dienstag abend ist Heß-' lein im Spital an Herzlähmung gestorben. Auch sein Bruder, Kommerzienrat Natan Heß­lein, ist in Wien nach wiederholtem Selbst­mordversuch verschieden.

Bamberg, 26. Mai. Das Defizit des Bankhauses Heßlein von 3 Milk. Mark wird bestätigt. Einige größere Depots sind teils verschwunden, teils stark angegriffen. Die städtische Reservrkaffe ist vollständig geordnet. Jakob Heßlein wurde heute früh ohne Ruhe­störung beerdigt.

München, 25. Mai- Der verstorbene Privatier Lauter in Miesbach hat dem Mün­chener Lokalarmenfonds zum Universalerben ein­gesetzt. Die Hinterlassenschaft beträgt etwa, 200 000 Mark.

Berlin, 25. Mai. Als bedeutsam be­zeichnen die hiesigen Blätter die Ordens-Aus­zeichnung, welche der Kaiser anläßlich seines Görlitzer Aufenthalts dem Kammerherrn von Witzleben zu Teil werden ließ, auf dessen An­regung unlängst Prinzregent Albrecht für eine Aussöhnung des Kaisers mit Bismarck indem bekannten Brief eintrat.

Aus Düsseldorf, 24. Mai, wird über

ein schonsgemeldetes ynglück.noch geschrieben: Von einem schrecklichen Üpglück ist gestern Abend die Familie des Obersten v, d, Sippe vom 39. Inf. Regiment heimgesucht.worden. Die Tochter, ein blühendes Mädchen von 17 Jahren, sah im Glasdache des Treppen­hauses einen Vogel ängstlich hin- und her­flattern. Bei dem Versuche, dem Tierchen die Freiheit wiederzugeben, stürztedas Mäd­chen plötzlich von oben herab auf den steinernen Flur, w» es mit zerschmettertem Kopf and gebrochenen Gliedmaßen tot liegen blieb.

Friedrichs rjuh, 25. Mai. Heute um 1*/, Uhr nachmittags brachten 800 Olden­burger dem Fürsten Bismarck eine Ovation dar. Professor Hollmann hielt eine Ansprache an den Fürsten, Rektor Johann an die Für­stin, junge Damen Oldenburgs trugen, die Hoffnung, die Treue und die Liebe symboli­sierend, Verse vor und überreichten Blumen­spenden. Der Fürst antwortete dankend für die Ovation und schloß mit einem Hoch auf den Großherzog von Oldenburg. Die Tages­politik wurde in seiner Antwort nicht berührt. Um 3 Uhr führte ein Extrazug die Teilneh­mer in die Heimat zurück.

Paris, 26. Mai. Der Kriegsminister hat befohlen, daß das 1. Jägerbataillon bei der Ausgrabung der deutschen Offiziere und Soldaten, die bei St. Privat fielen und in St. Ail beerdigt sind, die militärischen Ehren­bezeugungen erstatten soll. Die Militärbe­hörden des 4. Armeekorps werden wahrschein­lich bei der Feier vertreten sein.

26. Mai. Das Schwurgericht hat heute Arton in eontumaoiLin zu 20 Jahren Zwangsarbeit, wegen Entwendung von Gel­dern der Dynamitgesellschaft verurteilt. Außer­dem wurde Alton zum Verlust der bürger­lichen Ehrenrechte auf 20 Jahre und zu vier­hundertlausend Franken Strafe wegen Be­stechung des ehemaligen Deputierten Sans- Leroy verurteilt.

Paris, 27. Mai. Der Assisen-Hof verurteilte den Anarchisten Foret zum Tode. Nach dem ilrteilsspruch rief Foret seinen Freun­den zu: Die Rache ist Euer.

Mars la Tour, 26. Mai. Die Aus­grabung der Leichen der deutschen Krieger wurde um 10 Tage verschoben, da die Ab­tragung des Denkmals und der Wiederaufbau in Amanweiler erforderlich ist.

Stockholm, 21. Mai. Eine furcht­bare Katastrophe hat die Umgegend von Le­vanger bei Trandhjem heimgesucht. Borge­stern hat nämlich ein Erdsturz plötzlich eine Menge Häuser vernichtet und ungeheuren Schaden angerichtet. Die ganze Gegend, eine der schönsten in Norwegen, ist verwüstet, über 50 Häuser sind zusammengestürtzt und über 100 Menschen getötet worden. Die verwüstete Gegend bietet einen schauderhaften Anblick. Ueherall liegen die Leichen auf den Feldern, Leichen von Menschen und Tieren werden aus den Ruinen hervorgezogen. Das ganze Thal beim Vardabache ist verwüstet und die Ernte vernichtet. Ungefähr 11000 Morgen Acker sind gänzlich verwüstet und der Schaden wird auf wenigstens 500 000 Kronen ge­schätzt. Man fürchtet, daß neue Erdstürze eintreten werden, weil die Erbmassen jetzt in Bewegung gesetzt sind. Als die Nachricht über die Katastrophe nach dem Shorting kam, wurden die Verhandlungen sogleich abgebrochen,, nachdem die Versammlung beschlossen hatte, 10000 Kronen zur Linderung der Nol zu be­willigen. Es sind auch Truppen abgeschickt worden, um bei den Rettungsarbeiten behilf­lich zu sein.

Mail§ nd, 24. Mai. Die Ueberschwemm- ung in der Provinz Cueno nimmt ungeheu­ere, Dimensionen an. Leider gingen auch zahlreiche Menschenleben zu Grund. Nähere Nachrichten, fehlen meistens, weil Telegraphen, Eisenbahnen, Brücken und Straßen zerstört sind.

In Rom, wo kaum derFestjub'el über den Kaiserbesuch verhallt ist, wurde am zweiten Pftngstfeiertage der bekannte Gegner des Dreibundes, Jmbriänt,, mit. 2250 gegen 2240 Stimmen zum Abgeordneten gewählt. Der Gegenkandidat war Lefehre.

London, 24. Mai. DerDruth" zufolge sollen der König und die Königin von Württemberg zur Hochzeit des Herzogs von Dock als Gäste auf dem Schloß Wind­sor für Mitte Juli eingeladen sein.

London, 26. Mai. Der Pariser Corre- spondent derTimes" behauptet, ver Auf­enthalt des russischen Ministers des Aeußeren von Gicrs in Wien habe die Beziehungen Rußlands zu Oesterreich nicht gebessert.

London, 27. Mai. DieDaily News" veröffentlichen ein Telegramm aus Sofia, wo­nach in Bulgarien große Bestürzung herrscht über die Manöver der russischen Flotte im Schwarzen Meer und wegen der fieberhaften Thätigkeit in hohen militärischen Kreisen Odessas.

London, 26. Mai. Laut Nachrichten aus Transvaal erlagen daselbst in kurzer Zeit 10 000 Personen dem Sumpffieber.

Moskau, 26. Mai. Das Zarenpaar machte gestern vormittag den üblichen Kirchen­gang im Kremel. Als dasselbe, gefolgt von dem Thronfolger, den anderen Mitgliedern des Kaiserhauses und den Ministern, auf der historischen Roten Treppe erschienen und sich verneigte, brach das Volk in stürmischen Jubel aus.

Chicago. Die Nationale Ausstellungs- kommission beschloß mit 30 gegen 27 Stimmen d>e Ausstellung auch an den Sonntagen offen zu halten.

Ein Gedenktag deutscher Schande.

Im Mai wars, da man schrieb anno 1693.

Schon seit mehreren Jahren hausten die Franzosen wie Mordbrenner und Banditen im westlichen Deutschland, ohne daß sich eine ernstliche Gegenwehr gegen sie erhob. DaS heilige römische Reich deutscher Nation war altersschwach und müde, und die französischen Kolonnen vermochten ungehindert die Befehle desallerchristlichsten" Königs Ludwig XIV. und seines Ministers auszuführen, zu sengen und zu brennen. Und unter ihrem Wüten hatte besonders der Garten Deutschlands, die reichgeschmückte Pfalz zu leiden.

Endlich sollte ein kräftigerer Widerstand eintreten, aber bevor dieser sich entwickelte, be­nützte der französische General Melac die Ge­legenheit zu einem Meisterstreich nach seiner Art. Mit 50000 Mann zog er Mitte Mai vor Heidelberg, das nur mittelmäßig befestigt war, um die Perle der Pfalz unter seine Hand zu zwingen. Die Besatzung und die bewaffnete Bürgerschaft, Alles in Allem nur einig« Tausend Mann, zeigten guten Mut und hätten die Stadt noch einige Zeit zu halten vermocht, aber der Kommandant Hedersdorf war ebenso feige als unfähig.

Die französische Uebermacht breitete sich rings um die Stadt aus, und nur mit Mühe konnte Hedersdorf von einigen tapferen Offi­zieren verhindert werden, sofort zu kapitulieren. Aber diese Memme, zitternd und zaghaft, hatte nicht die mindeste Kraft, unentschlossen und klagend eilte er in seinen Gemächern, im altberühmten Schlöffe, hin und her, und nur mit Verachtung blickten Offiziere und Soldaten auf diesen charakterlosen Feigling.

Am 21. Mai, am heurigen Pfingst­sonntag, jährte sich dieser Dag der Schande für das zerrissene, morsche deutsche Reich zum 200. Male, hatte der französische General Melac seine Aufstellung beendet, und di« Ka­nonen begannen zu spielen. Nun ließ sich Hedersdorf nicht mehr halten, er gab einem Außenpofien in der Vorstadt den Befehl, zu« rückzugehen.