247

Es geschah, aber sofort drangen die Fran­zosen nach und vergebens suchte ein entschlos­sener Offizier durch einen kräftigen Vorstoß den Feind zurückzuschrecken. Die Uebermacht der schon zu weit vorgedrungenen Feinde war zu groß, und mit den fliehenden Deutschen drangen die Franzosen nun in Heidelberg selbst ein.

Furchtbare Augenblicks folgten.

Die Bevölkerung, welche die französische Raubgier schon von einem Besuch im Jahr 1689 kannte, drängte in Masse dem Schlosse zu. Sie hinderte die Besatzung und die be­waffneten Bürger dem Gegner wirksam Halt zu gebieten, und die nachdrängenden Fran­zosen hieben Groß und Klein, Alt und Jung nieder, was ihnen in den Weg kam. Zu Dutzenden lagen die Leichen in den Straßen, und vorwärts, immer vorwärts drängte der Feind.

Indessen hatte der französische General Melac, der Bluthund, den Erfolg des einen Teils seines Korps bemerkt und befahl nun einen allgemeinen Sturm. Die schwache Zahl der Verteidiger, von allen Seiten bedrängt, durch die Bevölkerung gehindert, mußte bald

weichen und üllerall drangen die Fran­zosen ein.

Kniefällig baten Weiber, Kinder, Greise den französischen Heerführer um Schonung, kaltes Lächeln, kalte Worte gab cs zur Er­widerung. Und da flammte auch schon die Brandfackel auf Kirchen, Amtssitze, Privat­häuser über alles fort und ergoß sich die sen­gende Glut.

Wie gehetztes Wild flohen die unglück­lichen Einwohner in ihre Häuser, wurden dort von den plündernden Franzosen wieder Hin­ausgetrieben, Frauen und Mädchen in bestia­lischer Weise gemißhandelt, Männer, die die Ihrigen zu schützen versuchten, zu Boden ge­schlagen. Jenen dort erschlugen die Balken seines zusammenkrachenden Hauses, diesen streckte ein Säbelhieb auf der mutig vertei­digten Schwelle nieder.

Heidelberg schwamm 'in Blut und Feuer, ohne Schonung, ohne Gnade, ohne Milde wurde die Mordbrennerei fortgesetzt, in einem Meer von Blut und Feuer feierten die Fran­zosen ihren Sieg.

Der größte Teil der Besatzung war ins Schloß retiriert, und ein Offizier traktierte

hier den schuftigen Kommandanten mit seinem Degen vor allem Kriegsvolk. Aber was half die Entrüstung? Heidelberg, die prächtige Stadt war gefallen, es fiel auch das Schloß; die Besatzung konnte frei abziehen, aber das Schloß wurde von den Feinden in die heutige Ruine verwandelt.

Keine Achtung vor Lebenden oder Toten beseelte die Franzosen, selbst die Särge der Kurfürsten der Pfalz wurden erbrochen, aus der Gruft herausgeschleppt und die Gebeine ins Feuer geworfen.

Das war am Pfingstsonntag vor 200 Jahren! Eine lange Zeit ists, Heidelberg ist wieder erstanden, aber noch heute zeigt die Schloßruine die Wut eines erbarmungslosen Feindes, die Größe deutscher Schande für das alte deutsche Reich, das so Entsetzliches zu verhindern außer Stande war.

Und wer heute zurückdenkt an diesen Schreckenstag, den 21. Mai 1693, dem wird auch die Wange brennen im Gedanken an die alte Schmach!

Was war, ist gesühnt, aber gedenken wir der Lehren des 21. Mai 1693.

ll68

An die Wähler

VII. >Va!lllLI6i868.

Der am 20. Februar 1890 auf 5 Jahre gewählte Reichstag wurde jetzt schon aufgelöst, weil die verbündete» Re­gierungen von ihm die Zustimmung zu der von ihnen zur Erhaltung und Sicherheit Deutschlands für notwendig erachteten Verstärkung unserer Wehrkraft nicht erlangen konnten. Die Neuwahlen wurden alsbald angeordnet. Auf den an mich er­gangenen ehrenvollen Ruf habe ich mich wieder in den Dienst meines bisherigen Wahlkreises gestellt. Der sogenannten Mili­tärvorlage, welcher ich anfangs bedenklich gegenüberstund, habe ich in der durch den Hüne'schen Antrag verbesserten und ge­milderten Gestalt zugestimmt. Ich werde dies auch ferner thun, weil ich mich von ihrer Notwendigkeit überzeugte, weil ich ihre Ablehnung für ein Verbrechen am Vaterland halten würde. Sie bringt persönliche Erleichterungen, indem die Dienst­zeit verkürzt wird und bei einem Krieg die älteren Jahrgänge geschont werden. Groß sind aber auch die geforderten Opfer an Geld; sie müssen auf die Schultern der Leistungsfähigen gelegt, hauptsächlich auf die großen Vermögen überwälzt werden. Klein sind diese Lasten im Vergleich zn denen, welche ein verlorener Krieg uns aufladen würde.

Die zu bringenden schweren Opfer müssen durch weise und ernsthafte Sparsamkeit gemildert und verringert werden. Hiefür werde ich eintreten.

Ich werde eintreten für gesetzliche Feststellung der zweijährigen Dienstzeit, für Verbesserung der Vorschriften über Las militärische Beschwerderecht und für die Oefsentlichkeit des militärischen Strafverfahrens.

Festhalten werde ich an den verfassungsmäßigen Rechten des Volkes.

Mitarbeiten werde ich an der gleichmäßigen Förderung der Interessen der Landwirtschaft, des Handwerks und der Industrie, insbesondere werde ich eintreten für Erhaltung und Kräftigung des Mittelstandes in der Landwirtschaft ünd im Handwerk, in Gewerbe und Handel.

Die bei der Ausführung des Bersicherüngsgesetzes hervorgetretenen Mängel sind baldigst zu beseitigen, hiebei ist ins­besondere auf Erleichterung der starken Belastung Bedacht zu nehmen.

Das Gesamtwohl des Vaterlandes, seiiie Wohlfahrt und sein Gedeihen, sein Ruhm und seine Ehre werden stets für .mich maßgebend sein.

Demnächst werde ich in so viel als möglich den 143 zum Wahlkreis gehörigen Gemeinden mein Programm entwickeln,'

Kchm MW« m WWW«.