Ulm, 12. Mai. Verschiedene Schüler der hiesigen Realgymnasiums, welche bei einer Turnfahrt auf dem Hohenneuffen daselbst mehrere Bänke de! Verschönerungsvereins ver­unreinigten und demolierten, erhielten vom Lehrcrkonvent 24 Stunden Karzer und das Ultimatum. Sie wurden auch zum Ersatz des angerichteten Schadens angehalien

R undscha u.

Konstanz, 10. Mai. Bartholomäus Ratzer aus Reiselfingen, der s. Z. die B-rtha Kaltenbach aus Vöhrenbach ermordete und deshalb zum Tode verurteilt wurde, ist von dem Großherzog zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden.

Der Gesamtschaden des großen Brandes in Klengen wird amtlich auf 575000 Mk. festgesetzt.

Offenburg, 11. Mai. Die Untersuch­ung gegen den Oberingenieur und Vorstand der Bahnbauinspektion Scholl hier scheint eine größere Ausdehnung anzunehmen. Nachdem der Bauunternehmer Azone von Kehl dahier eingeliefcrt worden, wurde auch ein Akkordant namens Katzenberger von Eisenthal durch die Gendarmerie hieher verbracht. Beide sollen, lt.Ort.B.", dem Oberingenieur Scholl zu den Unterschlagungen Beihilfe geleistet haben. Die Gendarmerie nahm in der Wohnung des Herrn Scholl eine mehrstündige Haussuchung vor.

Bereits ein halbes Dutzend badisch er Abgeordneter haben die Annahme einer Kandidatur für den nächsten Reichstag abge­lehnt. Es sind dies Konsul Menzer (konser­vativ), Dillinger (Demokrat), Fieser (nat.- lib.) Lender und Marke (Ztr.)

P lankstadt (A. Schwetzmgcn), 11. Mai. Vorgestern wurde auf dem hiesigen Friedhof die Leiche eines vor 14 Tage beerdigten Kindes unter Anwesenheit der bezirksamtlichen Vertre­ter und der Gendarmerie wieder ausgegraben. Das Kind war das eines jungen Ehepaares, das in wenig friedlichen Verhältnissen lebt. Wie man erfährt, soll der Vater des Kindes Anzeige erstattet haben, da er betreffs des Todes des Kindes den Verdacht eines Ver­brechens hegte. Aus der nunmehr eingeleite­ten Untersuchung wird sich das Weitere er­geben.

Mannheim, 11. Mai. In das Bank­geschäft Wingenroth, Soherr u. Cie kam ein junger Mann und präsentierte zwei auf die Pfälzische Bank in Ludwigshafen lautende Accepte m Betrage von 6700 Mark zum Dis- kontiren. Man schöpfte jedoch Verdacht, daß die Wechsel gefäl'cht sein könnten, welche An­nahme sich auch als richtig herausstellte. Der junge Mann wurde nunmehr auf die Krimi­nalpolizei geführt und hier in einem Neben­zimmer einige Augenblicke allein gelassen, wäh­rend im angrenzenden Raum das Protokoll ausgenommen wurde. Plötzlich stürzte in das letztere Zimmer ein Diener mit der Meldung herein, daß der junge Mann plötzlich umgefal­len sei. Der sofort herbeigeeilte Arzt konsta­tierte, daß sich der junge Mann vergiftet habe. In seiner Tasche fand man noch ein Quantum Gift. Die Identität des jungen Mannes, der auch eine gefälschte Vollmacht des Herrn No- tars Rudmann hier zur Erhebung der 6700E bei sich führte, ist noch nicht festgestellt. Der­selbe hat angegeben, der Sohn eines Stein- bruchbcsitzerS in Neckargemünd zu sein.

Darmstadt, 10. Mai. Der Lehrer Boldner und seine Mutter haben sich durch Cyankali vergiftet. Beide hatten ihre Sonn­tagskleider angelegt. Der Grund zum Selbst­mord ist unbekannt.

Frankfurt a. M. Der diesjährige Honig wird von Sachkennern als ein sehr edles Produkt bezeichnet. Viele Bienenzüchter haben bereits bei dem blütenreichcn Lenz größere Mengen Honig geschleudert und durch­weg ist derselbe sehr zähflüssig, hat wenig Wassergehalt, hat eine nie dazewesenc Süßig­keit und hochfeines Aroma und kandiert sehr leicht, schon nach wenigen Tagen. Die vor­zügliche Qualität des Honigs ist wohl gerade eine Folge der Trockenheit. Der Preis beträgt 1 Mk. 20 Pfg. per Pfund.

Berlin, 10. Mai. Der bereits mitge- tcilten Aeußerung des Kaisers anläßlich der .gestrigen Truppenbesichtigung aus dem Tem­pelhofer Felde wird große Bedeutung beige­messen, insbesondere wegen des Satzes, daß der Monarch gewillt sei. Alles, was er ver­möge, an die Durchführung der Militär-Vor­lage zu setzen. Diese Auslassung unterliegt natürlich verschiedenartiger Deutung.

Berlin, 11. Mai. Die Antisemiten haben bisher aufgestellt: in Westfalen und in beiden Hessen 18, in Sachsen 9, in den öst­lichen Wahlkreisen 6 Kandidaten. Baron Langen, der Protektor Ahlwardts, kandidiert in Landsberg a. W. und in Stralsund. In Liegnitz acceptieren die Konservativen den antisemitischen Kandidaten. Ahlwardt selbst ist nach Prüfung seiner Akten wieder in Arns- walde ausgestellt.

In ven Versammlungen der unabhängi­gen Sozialisten wurde gestern beschlossen, leine Kandidaturen aufzustcllen, dagegen vereint mit den Anarchisten die sozialdemokratischen Wahl­versammlungen zu sprengen, auch vor Krawall und Schlägereien nicht zurückzuschrecken.

Berlin, 12. Mai. DieKreuzztg." vernimmt, der Kaiser habe mit Rücksicht auf die innere politische Lage beschlossen, von der geplante» Nordlaudreise vorläufig Ab­stand zu nehmen.

Die Kreuzztg. bespricht den Artikel des Bayr. Vaterl. der von einer Niederlage Deutschlands in einem Zuknnftskriege die Erhaltung Bayerns, von einem siegreichen Kriege aber Bayerns Ende i» Gestalt einer preußischen Provinz erwartet. Die Kreuzz. behauptet, daß Dr. Sigl die allerfreund- lichsten Beziehungen zu den leitenden Per- 'onen in Bayern nachgesagt werde». Sie verlangt von den Ministern Crailsheim und Müller eine Erklärung; die bayr. Regierung dürfe darauf nicht schweigen.

Berlin, 13. Mm, Kriminal-Kommissär Arnaud wurde gestern wiederum verhaftet. Die Verhaftung hängt mit der Prozeß-Affaice Hugo Löwy zusammen.

In Berlin ist ein partieller Streik der Filzschuharbeiter ausgebrochen. Es streiken über 500 Arbeiter, da nur 15 Arbeitgeber dis Forderung der Arbeiter, 15 Prozent Lohn­erhöhung (auch für die Hausindustrie) und Wieder-instellung der am 1. Mai wegen des Feierns entlassenen Arbeiter bewilligt haben.

Der Distanzmarschweg Berlin-Wien ist 578ff, Kilometer lang. Die Läufer haben 154 Ortschaften zu berühren. Bei dem Marsch wird auch ein Vertreter der vegetarischen Le­bensweise, ein Kulturingenieur E. aus Magde­burg teilnehmen, der beweisen will, daß man betnaturgemäßer Ernährung" die höchsten physischen Leistungen erreicht. Herr E. lebt schon seit mehreren Monaten ausschließlich von Obst, er wird auch während deS Distanzmar­sches nur frisches Obst, Datteln, Feigen, Ro- sin-n und Mandeln zu sich nehmen und will bei dieser Lebensweise täglich 80 Kilometer zurücklegen.

Staßfurt, 10. Mai. Eine gräßliche

Blutthat ereignete sich in dem Nachbardorf Heckingen. Als der Bergmann K. gegen 4 Uhr morgens von der Schachtarbeit zuruckkehrte, wurde ihm erst nach längerem Rufen und Po­chen von seinem 5jähngen Sohne geöffnet. In der Stube bot sich ihm nun ein grausiger An­blick dar. Mitten im Zimmer lag seine Frau mit durchschnittener Kehle todt da; mit ihrem Körper bedeckte sie ihr jüngstes, erst 7 Monate altes Kind, dem ebenfalls die Kehle durchschnit­ten war. Auf ebendieselbe Weise um's Leben gebracht, lagen in einem Bett noch ein drei- und ein vierjähriger Knabe. Das Bett, sowie die Stube waren über und über mit Blut be­deckt. Die Frau hat zuerst, wahrscheinlich in einem Anfalle von Wahnsinn, ihren 3 Kindern und dann sich selbst mit einem Brodmesser daS Leben genommen. Zwei Kinder, Knaben im Alter von 5 und 6 Jahren, die in einer Kam­mer schliefen, sind verschont g,blieben.

Aus Essen wird derK. Z. gemeldet: Wegen anscheinend lange fortgesetzter Betrü­gereien durch Hinterziehung von Fahrgeld auf der Strecke Hamburg-Köln sind außer 17 Schaffnern auch eine Anzahl Viehhändler aus der Essener Gegend verhaftet worden.

Straßburg i. Elf., 10. Mai. Sei­tens der sozial-demokratischen Agitations-Komi- tös wurde gestern abend beschlossen, als Kan­didaten für die bevorstehende Reichstagswahl in Straßburg-Stadt den Reichstags-Abgeord­neten August Bebel, für Straß bürg-Land Ci- garrenhändler Bühle - Straßburg aufzustellen. Bebel kandidierte bereits 1890 in Straßburg und brachte es damals auf 4500 Stimmen. Für Molsheim-Erstein ist Redakteur Bueb-Mühl- hausen als sozialistischer Gegenkandidat des bis­herigen Abgeordneten Zorn von Bulach desig­niert.

Der ehemalige Metzer Abgeordnete, der aus Deutschland ausgewiesene Tierarzt Antoine, erklärte einem Interviewer, eS sei unbestreitbar, daß die Deutschen nicht mehr das einstige Verträum zu sich selbst haben, sie beginnen die Franzosen zu fürchten. Er wisse, wo der Fehler der deutschen Armee stecke. Das 15. Ko ps, welches Elsaß-Lothringen occupiere, sei dem ihm entgegengestellten fran­zösischen 6. Korps lange nicht gleichwertig. Die Franzosen hätten nur nicht genug Zuver­sicht zu ihrer Kraft, dagegen müsse energisch angekämpft werden.

Paris, II. Mai. Eine soeben erschienene Broschüre macht in lebhaftester Weise Propa­ganda zu Gunsten der Kandidatur des Gene­rals Saussier für die Präsidentschaft der Re­publik. Die Fluglchrift findet angeblich starke Verbreitung in der Provinz. General Saus­sier soll der Veröffentlichung fernstehen.

Nach Meldung derPatrie" hat der Kriegsminister angeordnet, daß in den Grenz­garnisonen den Offizieren und der Mannschaft bis auf Weiteres kein Urlaub erteilt werde. Von anderer Seite ist die Nachricht noch nicht bestätigt.

Aus Paris wird unterm 10. Mai von 28 Cholera-Erkrankungen u. 14 Todesfällen berichtet. Im Norden der Stadt nimmt der Typhus zu. Cholera und Thyphus erlöschen in Paris nie, die Behörde unterdrückt aber alle Nachrichten, wenn die Menschen nicht dutzendweise sterben.

Paris, 11. Mai. Unlängst wurde von einem scheußlichen Verbrechen, das in der Nach­barschaft von Chaumont begangen worden ist, berichtet. Eine Bäuerin, die mit ihrem Töch- terchen heimkehrte, wurde am Spätabend auf der Landstraße überfallen und ermordet. Der Thäter übergoß die Kleider der Mutter und des Kindes, vielleicht ehe der Tod eingetreten