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dreijährigen Dienstzeit verbundene Schwäch­ung der Heeresorganisation zu vermeiden. Der Antrag sichere eine Verjüngung der Feldarmee im Kriegsfälle. Was die Einzel­heiten der Abstriche anlange, so fielen die­selben organisatorisch nicht sehr ins Gewicht. Der Antrag v. Huene zeige eventuell für die verbündeten Regierungen, jedenfalls aber für diejenigen Reichsboten einen gangbaren Weg, welche selbst unter Preisgeben liebge­wordener Grundsätze der Sorge für die Sicherheit des Vaterlandes unter allen Umständen den ersten Platz einzuräumen ge­willt. Der Antrag von Huene bedeute eine Verständigung in Ehren.

Der Antrag Huene wird in der B. M.-Z. gegenüber der Regierungsvorlage wie folgt kurz gekennzeichnet: Caprivi for­dert in der Vorlage: 83000 Mann Sol­daten, 60000 Rekruten, 64 Millionen jährlich. Huene bewilligt: 70000 Mann Soldaten, 53000 Rekruten, .55 Millionen Mark jährlich.

Der V. Z. zufolge fanden sich in der gestrigen Abendsitzung der Zentrumsfrak- rion nach heftigen Debatten nur noch 8 Mitglieder, welche für den Hueneschen Kom­promiß-Antrag eintreten wollten.

Berlin, 3. Mw. Die heutige ein- stündige Rede des Reichskanzlers im Reichs­tag wirkte durch ihren stark aggressiven Cha­rakter gegen die Militärkommission im ganzen nicht günstig für die Vorlage. Besonders verstimmte im Zentrum der scharfe Angriff Caprwis gegen Dr. Lieber. Der Antrag Huene hat sehr geringe Aussichten. Nach den Reden Caprivis, des Kriegsministers v. Kal- tenborn-Stachau und Huenes, sowie einer hef­tigen persönlichen Auseinandersetzung zwischen Gröber und Huene erfolgte die Vertagung der Sitzung.

Die freisinnige Partei hat sich tn ihrer gestrigen Abendsitzung dahin geeinigt, geschlossen gegen den Antrag des Centrum­führers von Huene's zu stimmen.

Berlin, 4. Mai. In parlamentarischen Kreisen wurde gestern abend die Auflösung des Reichstags als sicher betrachtet.

Der BundeSrat hat den Antrag Preuß­ens auf Auflösung des Reichstags für den Fall der Ablehnung des Antrags Hüne bereits ein­stimmig angenommen.

Berlin, 4. Mai. Gestern Nachmittag fand die Trauerfeier für den verstorbenen Staatssekretär des Reichs-Justizamts statt. Die Feier wurde im Reichs-Justizpalast abgehalten. Der Kaiser hatte einen prachtvollen Kranz ge­sandt und beehrte den Entschlafenen noch durch Entsendung eines Galawagens. Der Reichs­kanzler Graf Caprivi und viele Abgeordnete waren anwesend.

Potsdam, 3. Mai. Das Kaiserpaar ist heute um 10^/i Uhr an der Wildparksta­tion angekommen.

Aus Elbing wird gemeldet: Ein großer Brand äscherte in Neukirch bei Elbing auf 13 Besitzungen 60 Häuser, meistens Wirtschafts­gebäude, ein. Viele landw. Maschinen und 50 Stück Vieh sind mit verbrannt. Das Feuer entstand beim Spielen kleiner Kinder mir Streichhölzern. In Neustettin hat ein Großfeuer 9 Wohnhäuser mit allen Hinter­gebäuden zerstört.

Paris, 2. Mai. In der Akademie der Wissenschaften machte gestern Renon, der Di­rektor der Sternwarte von Saint-Maur, einige Mitteilungen über die gegenwärtige Dürre. Seit 1757, erklärte er, hat man in Frank­reich keinen so trockenen und zugleich heißen April gesehen, wie in diesem Jahre. An

, Hitze kam ihm nur der April von 1865 gleich, in welchem die Temperatur bis auf 28° stieg. Girard, der Direktor der chemischen Abteilung im landwirtschaftlichen Institut, riet den Land­wirten, dem Mangel an Viehfutter durch die Anwendung des Baumlaubs, dessen Genuß dem Vieh zuträglich sei, abzuhelfen.

Nom, 3. Mai. Kardinal Rampolla ist vollständig wieder hergestellt; er machte heute den ersten Ausgang, um dem Gesandten Hrn. v. Bülow für die ihm von Kaiser Wilhelm während seines Aufenthalts in Rom verliehene hohe Auszeichnung zu danken.

Zürich, 3. Mai. Heute früh starb hier Dr. Matth. Hipp. geb. 1813 in Blau- bcuren, Uhrmacher in Reutlingen, erster schwei­zerischer Telegraphcndirektor, Direktor der Tele­graphenfabrik Neuchatel, hervorragender Er­finder auf dem Gebiete der Elektrotechnik und genauen Zeitmessung.

Bern, 3. Mai. Der Kaiser richtete folgendes Telegramm an den Bundespräsiden­ten Schenk: Es liegt mir am Herzen, Ihnen beim Verlassen des Schweizer Bodens Meinen und der Kaiserin aufrichtigsten Dank für die freundliche Begrüßung seitens des Bundesrats und für den sympatischen Empfang, der uns seitens des Schweizer Volkes zu Teil gewor­den, zu wiederholen und Ihnen als vem Re­präsentanten der Schweiz und ihrer Bürger meine besten Wünsche für die Gegenwart und die Zukunft des Landes auszusprechen. Wil­helm.

Der deutsche Gesandte Busch begab sich zu dem Bundespräsidenten, um im Auf­träge des Kaisers speziell für den sympatischen Empfang zu danken.

London, 4. Mai. Die Verlobung des Herzogs von Jork mit der Prinzessin Mary von Teck (der Braut seines verstorbenen Bru­ders) wird heute amtlich bekannt gemacht.

Nntkrhalkndrr.

Dorf und Stadt.

Eine eiiifacheMzählungaus dem Lebenv.M.B.

(Fortsetzung.)

Unterdessen brach der Abend herein. Man rüstete sich zum Aufbruch und kehrte auf dem herrlichen Spazierweg durch die duf­tenden Weinberge nach Hause zurück.

In dem Benehmen des Rentners that sich gegen vorher nur insofern einige Ver­änderung kund, als er immer etwas früher erschien und regelmäßig später das Haus des Freundes verließ. Dabei wußte er es so einzurichten, daß er mit Amalie dann und wann allein verkehren konnte, wozu ihm frei­lich, ohne daß er es merkte, der Hausherr im geheimen Einverständnis mit Frau Anna genügende Gelegenheit gab. Sein Antlitz wurde immer heiterer und strahlender. Er glaubte bereits am Ziel seiner Wünsche zu sein. Amalte hatte vor ein paar Tagen mit froher Begeisterung von der wundervollen Lage des Steighauses gesprochen. Ihre Worte waren auf fruchtbaren Boden gefallen. Sie hatte dadurch den Rentner ahnungslos zu einem bedeutungsvollen Schritte gespornt.

Das Anwesen war zufällig feil. Neu­mann erwarb es, um mit dieser Brauigabe dem lieben Mädchen als Lohn für das Ja­wort, an welchem er gar nicht mehr zwei­felte, eine freudige Ueberraschung zu berei­ten.

Mit geheimnisvoller Miene kam er zu Arnold und teilte diesem den vollzogenen

Kauf mit. Das Staunen des Freundes über diese Nachricht war nicht gering, noch größer aber die Genugthuung, welche er, den Zusammenhang sofort erratend, über die so unerwartet schnelle Erfüllung seiner geheimen Wünsche empfand.

Er stand im Begriff, diese» Empfin­dungen lauten Ausdruck zu geben, da wurde er durch das knarrende Geräusch eines Wa­gens und lauten Peitschenknall, der vom Hof heraufschallte, an das Fenster gelockt.

Ein fchweres, mit kräftigen Pferden be­spanntes Holzfuhrwerk war durch das Thor »

eingefahren und hielt vor dem Haus. So­eben schwang der Fuhrmann sich aus dem Sattel und schritt auf die Hausthüre zu, unter deren Rahmen, durch das ungewöhn­liche Geräusch herbeigerufen, Amalie erschien.

Da geschah etwas, bei dessen Wahrnehmung Arnold zuerst fast erschrack, dann aber plötz­lich fühlte, wie eine Sturmflut der ver­schiedenartigsten Empfindungen sein Inneres durchwogte. Es hatte der beiden Namen:

Gottlob Amalie, welche in halbem Jubel zu ihm heraufschallten, nicht bedurft, um ihn zu der Erkenntnis des unerwarteten Er­eignisses zu bringen, welches sich da unten ^

vor der Thüre vollzog. Er batte die kräf­tig-frische Gestalt des Fuhrmannns mit dem etwas gebräunten, aber immer roch frischen und interessanten Antlitz erkannt und sah nun, wie die jungen Leure sich in stummer Umarmung unter Freudenthränen umschlungen hielten, wie durch das Wiedersehen jeder Mißklang und aller Groll verscheucht zu sein schien.

Unwillkürlich beschlich ihn ein tiefes Mit­leid bei dem Gedanken an den Freund, dessen Hoffnungen dieser Augenblick fast unmittel­bar vor der mit Sicherheit erwarteten Er­füllung den Todesstoß gab. Er wandte sich ^

rasch ab, um Neumann ferne zu halten und ihn wenigstens nicht mit einem Schlag aus seinem erträumten Himmel fallen zu lasten, bemerkte jedoch, daß er bereits zu spät kam.

Der Rentner hatte sich an das nächste Fenster gestellt und war mit ihm Zeuge der Scene gewesen, deren ganze Bedeutung und Trag­weite er augenblicklich erriet. Er war bleich geworden. Seine Brust arbeitete mächtig und, als sei ihm etwas ins Auge gekommen, wischte er mit der Hand ein paarmal hastig unter der Stirne herum.

Dann aber trat er ins Zimmer zurück, *

und als Arnold nach einer Weile auf ihn zukam, spielte sogar ein Lächeln um seinen Mund.

Das war, wie es scheint," sagte er mit möglichstem Gleichmut, doch ohne das Zucken seiner Lippen verhindern zu können,

der Schluß zu dem Roman, den du mir jüngst erzählt hast. Er paßt in der That zu dem Vorausgegangenen und ist nicht weniger interessant. Nun wird natürlich Hochzeit gemacht und die Geschichte ist aus."

Arnold drückte die Hand des Freundes.

Er ließ sich durch nichts merken, daß er ^

wußte, was in dessen Innerem vorging.

(Schluß folgt.)

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