den, wenn Bulgarien seine Unabhängigkeit un­ter Erhebung zum Königreich proklamire.

Paris, 18. April. Das Urteil in dem Dynamitprozeß (Restaurant Very) ist heute Nacht i/ell Uhr erfolgt. Francis und De- pens wurden freigesprochen, Nicot wurde zu 80 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.

Amiens, 17. April. Die Zahl der finkenden Arbeiter aus den Färbereien und Sammetfabriken beträgt 10000. Die Fab­riken werden vom Militär bewacht; die übrige» Mannschaften sind in den Kasernen kon- signiert.

Zürich, 15. April. Zwischen der Bas­ler Regierung und der Schweizerischen Zeut- ralbahn ist über den Umbau des Zentral­bahnhofes in Basel und die Verlegung der Elsäßer Bahn eine vorläufige Abmachung Vereinbart worden. Die gesammten Bau­kosten belaufen sich auf 15426000 Francs, an denen die Zentralbahn mit 11980000 Francs, Baselstadt mit 3460000 Francs sich beteiligen. Die Regierung hat dem Großen Rat eiue bezügliche Botschaft vor­gelegt.

Brüssel, 17. April. Fünftausend Manifestanten durchzogen die Straßen. Die Schaufenster mehrerer Cafe's und Magazine wurden zertrümmert. Zwischen den Mani­festanten und der Polizei kam es zum Zu­sammenstoß, wobei die Polizei mit blanker Waffe vorging. Ein Polizei-Agent und meh­rere Manifestanten wurden schwer verwundet. Die Menge ward schließlich durch berittene Bürgergarde zerstreut. Eine Anzahl Personen, darunter drei Sozialistenführer, sind verhaftet.

Brüssel, 17. April. Ein großes Meeting fand gestern statt. Hubert erklärte, daß die Typographen die Arbeiten nicht wieder aufnehmen würden, wenn das allgemeine Stimm­recht dem Volk nicht gewährt würde; von der Welke sagte in seiner Rede:Werde das all­gemeine Stimmrecht nicht angenommen, so würde die Armee der Ausständischen eine Re­volution Hervorrufen." Nach dem Meeting bildet sich ein Zug von 5000 Mann. Beim Durchziehen der Avenue St. Louis wurde der Bürgermeister Buls, welcher gerade in Be­gleitung passirte, von einem Individuum durch zwei Hiebeschwer verletzt. Fünfzig Gensdarmen stellten die Ruhe wieder her. Aus Gent werden ernste Ruhestörungen gemeldet.

Brüssel, 18. April. Die Etoile belge erklärt, das Land sei reaierungslos, die Kam­mern unfähig, einen Entschluß zu fassen und fast unzurechnungsfähig. Das Blatt beschwört im Name» der liberalen Bourgeoisie den Kö­nig, der Angesichts der Schwierigkeit der Lage die einzige Hoffnung bleibe, sich als König zu zeigen und zu handeln.

Die Regierung berief die Jahrgänge 1889/90 der Miliz sofort zu ihren Regimen­tern. Die Garnison erhält heute die Ordnung mit der Bürgergarde aufrecht, die seit dem frühen Morgen marschbereit ist. General Quiltremont übernahm den Oberbefehl über sämtliche Garden. Die Karabiniers wurden aus dem Beverlolager herangezogen.

Antwerpen, 18. April. Die Anar­chistenführer Tabrip und Melters sind verhaf­tet worden. Die Bürgergarde ist seit 6 Uhr heute Morgen konsignirt; 600 Arbeiter ziehen längs des Hafenbeckens her und greifen die an ven Ladestegen arbeitenden Genossen an. Die Polizei treibt die Menge mit gezogenem Säbel und mit Revolvern zurück.

Belgrad, 14. April. Der junge König Alexander ließ in der Nacht die Regenten ver­haften und theilte ihnen mit, daß er sich für großjährig erkläre und ernannte sofort ein

Ministerium unter dem Präsidium von Dokic. Die Truppen wurden in Bereitschaft gestellt und leisteten dem König den Eid der Treue. Die Häuser der Regenten und Minister wurden militärisch umstellt.

lieber die Scene, die sich gestern ab­gespielt hat, verlautet, der König habe die Regenten und Minister folgendermaßen ange­sprochen :Sie haben, meine Herren, das Vertraue», das mein erhabener Vater in Sie setzte, nicht gerechtfertigt, sondern das gesunde Verfassungsleben in Gefahr gebracht. Des­halb sehe ich mich veranlaßt, mit Unterstützung mehrerer Patrioten die Regierung selbst in die Hand zu nehmen." Aristitschi antwortete hierauf:das ist ein schwerer Schritt!" General Belimarkowitsch erhob Einspruch, wobei er die Hand an den Degen legte. Der König sagte hierauf zu seinem Adjutanten:Nun thun Sie Ihre Pflicht!" worauf der Adjutant Oberst Tschiritsch den Revolver zog und Be­limarkowitsch zurief:Zurück, Herr General, keinen Schritt weiter!"

Gestern Abend wurde König Alexander ein solenner Fackelzug gebracht und demselben stürmische Ovationen bereitet. Die Skupschtma wurde durch Dekret aufgelöst; es herrscht voll­ständige Ruhe. Das Militär patroullirt in den Straßen.

K o p e n h a g e n, 17. April. Dem Ver­nehmen nach begibt der König sich Ende Mai nach Wiesbaden, wo er einen öwöchentlichen Aufenthalt zu nehmen gedenkt. Mitte Juli kehrt der König hieher zurück, um das russi­sche Kaiserpaar zu empfangen.

London, 18. April. DerDaily Tele­graph" sagt: der bisherige serbische Regent Ristic werde sich nicht beruhigen. Man werde von ihm noch vieles zu hören bekommen.

Petersburg, 15. April. Nach einem Telegramm aus Windau sind dort 3 Dampfer und das erste Segelschiff aus dem Auslande eingelaufeii. Ein aus Hangö gekommener Dampfer berichtet, an der finländischen Küste sei noch viel Treibeis vorhanden, nach dem Süden zu jedoch freies Wasser.

St. Petersburg, 17. April. Das Journal de St. PeterSbourg" erklärt, cs sei ein Akt der Kraft und Weisheit gewesen, wo­mit König Alexander den mißlichen und ge­fährlichen Zustand Serbiens beendigt habe. Die Ruhe, mit welcher die Umwälzung sich vollzog, beweise, daß dieselbe den Wünschen der Nation und den Interessen des Landes entspreche. In Rußland verfolgte man mit viel zu großer Syinpathie die freie Entwickel­ung Serbiens, um nicht aufrichtig zu wünschen, daß dieses Ereignis unter dem Schutze des Königs zur Beruhigung und Unabhängigkeit Serbiens diene.

L o k a t e s.

Wildbad, 18. April. Der 11jährige Knabe des verunglückten Mechanikers Ludwig Haußmann in Calmbach ist gestern Nach­mittag 2 Uhr seinen schrecklichen Brandwunden im städtischen Krankenhaus dahier erlegen.

Untki-Halkiidks.

Dorf und Stadt.

Eine einfache Erzählungaus dem Lebenv. M.B. (Fortsetzung.)

Amalie nahm ohne weiteres die Einlad­ung zu einem Maskenball an. Warum sollte sie sich sträuben? Die andern gingen auch

und der Onkel war ja dabei! Für ein pracht­volles Kostüm wurde gesorgt. Das schöne Mädchen sah in der einfachen Gretchenfrisur, dem mit blitzenden Sternen übersäten himmel­blauen Kleide und dem wallenden weißen Schleier wie eine Fee aus. Alles bewunderte sie. Die Mädchen mit halbem Neide; die Männer aber waren von ihrem Liebreiz und ihrer plastischen Formvollendung entzückt.

Der Amerikaner hatte sich durch ein gutes Trinkgeld ein Alkovzimmerchen zu ver­schaffen gewußt, wo es nur für ganz wenige Personen Raum gab. Die Aufmerksamkeit des gewonnene»Oberkellners" sorgte dafür, daß die kleine Gesellschaft ungestört blieb. Der Amerikaner machte mit Amalie einige Rundtänze und führte das vor Aufregung glühende Mädchen dann an das lauschige Plätzchen zurück, wo Werner indessen nicht müßig gewesen. Austern, Südfrüchte und alle möglichen Delikatessen bedeckten den Tisch, während seitwärts auf dem Boden eine ganze Partie Champagnerflaschen in Eis gestellt war. Der Inspektor entkorkte eine Flasche. Mit lautem Knall sprang der Pfropf an die Decke und in den geschliffenen Kelchen perlte der schäumende Sekt. Man stieß an und trank.

Die Wirkung des starken Weines blieb nicht lange aus. Die Wangen wurden glühender, vie Augen leuchtender, die Beweg­ung freier. Es fiel manches Wort, das sich kaum mehr innerhalb der Grenzen der Schicklichkeit bewegte, heute aber als ein lustiger Fastnachtsscherz galt. Werner hatte, wie es schien, immer sehr viel draußen zu thun. Viktor und Amalie waren fast immer allein, dem Mädchen stieg allmälig der ge­nossene Wein in den Kopf. Es wurde ihr fast schwindelig davon. Noch mehr aber von dem glühenden Geflüster ihres Nachbars, der immer dringender wurde und ihr schließ­lich sogar die Ebe versprach.

Trotz ihrer Aufregung behielt Amalie doch noch so viel Besinnung, daß sie die Versicherungen des stürmischen Freiers nach dem verdienten Werte bemaß. Sie hatte die Verhältnisse in der Großstadt genugsam kennen gelernt, um zu wissen, daß es den leichtsinnigen Lebemännern nickt im Minde­sten auf ein derartiges Gelöbnis ankam. Denuoch wies sie den Antrag nicht, wie es vielleicht in einer andern Lage geichche» wäre, mit der gebührenden Antwort zurück. Immer williger lieh sie dem Versucher ihr Ohr, immer schwächer wurde ihr Kampf gegen seine Liebkosungen da wurde sie durch einen wüsten Tumult, der vom Tanzsaal heraufschallte, aus ihrem Taumel geschreckt. Kreischende Frauenstimmen, Flüche und Schelt­worte mischten sich unter das Gepolter um­geworfener Tische und Stühle und das Klirren von zerbrochenen Gläsern.

Amalie erhob sich und trat in den Saal. Eine unbeschreibliche Szene spielte sich vor ihren Augen ab. Ein ganzer Knäuel der geputzten Dämchen und Herren hing wie ein Bienenschwarm an einander. Die Männer schlugen mit den Fäusten, mit Bierkrügen und Stuhlfüßen oder was sie in der Eile gerade erwischt hatten, um sich. Die Weiber aber kratzten, bissen und rissen sich unter Zischen, Speien und Kreischen die bunten Fetzen vom Leib. Es sah, wie ein wilder Hexentanz aus. Auf einmal erschollen gebietende Stimmen die Treppen herauf. Pickelhauben tauchten empor und blanke Säbel blitzten über de» Köpfen des rasenden Schwarms. Er stob auseinander, jedoch nicht ohne daß es bald in dieser, bald in jener Ecke noch