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starke dauernde und geachtete Regierung und damit auch Allianzen bekommen könne. Für die Wiedereinführung der Monarchie in Frankreich ist aber die Mehrheit der Franzosen noch lange nicht gewonnen. An- drteux,der schreckliche Ankläger der Regierung und der republikanischen Kammermehrheit, hat schon wieder eine Enthüllung vom Stapel gelaffen, indem er die Regierung beschuldigt, sie wolle den berüchtigten Arton überhaupt nicht verhaften lassen. Andrieux erklärt sich bereit, Arton in London selbst zu verhaften, wenn man ihm die nötigen Vollmachten da­zu gäbe. Abgesehen von dieser Enthüllung ist das Ministerium Ribot schwer bedroht. Der französische Senat bat nämlich fast ein­stimmig beschlossen, das von der Regierung vorgeschlagene neue Börsensteuergesetz nicht zugleich mit dem Budget zu beraten; ohne die neue Börsensteuer aber wüßte sich die französische Regierung keinen Rat, wie das Defizit zu decken wäre.

In England nimmt die Gährung gegen die Homernlebill zu. Im Unterhaus hält dagegen die Mehrheit Gladstones fest zu­sammen und hat den Tadelsantrag Balfours gegen das Ministerium mit 47 Stimmen Mehrheit abgelehnt. Gladstone hat mit seinen Anhängern beratschlagt, wie man nach dem Wiederzusamnientritt des Unterhauses nach Ablauf der Osterferien der Obstruktion der Unionisten wirksam begegnen könne. Die Homerulebill soll also unter alle» Umstän­den durchgedrückt werden uud es wird sich dann zeigen, ob die protestantischen Bewohner Irlands sich wirklich mit den Waffen in der Hand gegen die Einsührung des Home­rule wehren werden. Sie sollen bereits einen Kriegsschatz von über t Million Ster­ling angesammelt haben.

W ü r 1 t e mb e r g.

Stuttgart,29. März. (Strafkammer.) Der Körperverletzung angeklagt saßen gestern der 25jährige Taglöhner K. Mangold von hier und der 32jährige I. Fr. Kett von Wald- rennach, O.-A. Neuenbürg, auf der Anklage­bank vor der2. Str. K. Ein 3. Angeklagter Gust. Klein von Rohracker, konnte nicht auf­gefunden werden. Die 3 Angeklagten sind beschuldigt, den Golvarbeiter Gallmann aus Pforzheim am 2. Febr. d. I. in dem gemeinschaft­lichen Schlasgemache eines hiesigen Gasthauses aus dem Bette gezerrt, auf den Boden geworfen und mit Fußtritten auf die Brust und ins Gesicht traktiert zu haben, so daß ein Rippen­bruch und eine 6wöchentliche Arbeitsunfähig­keit die Folge dieser rohen Mißhandlung war. Gallmann behauptete, es seien 4 über ihm ge­wesen, doch ist festgestellt, daß er betrunken war und nur 3 Personen im Zimmer waren. Kett leugnete jede Mitthäterschast und das Gericht nahm auch an, daß er nicht beteiligt war, so daß seine Freisprechung erfolgte. Man­gold wurde zu zwei Mon. 14 Tagen Ge­fängnis verurteilt.

(Dampf-Dynamomaschinen für Torpedoboote.) Die elektrotechnische Fa­brik von C. u. E. Fein hier ist wiederholt mit der Herstellung von Dampf-Dynamomaschinen für die niederländische Marine beauftragt worden, und zwar diesmal mit solchen, welche für Torpedoboote bestimmt sind. Dieselben mußten deshalb bei einer entsprechend großen Leistung möglichst klein ausgeführt werden, so daß sie sich in den zur Verfügung stehenden Räumen, die naturgemäß sehr beschränkt sind, gut und auch leicht zugänglich unterbringn lassen. Um dies zu erreichen, wurde die Dynamomaschine direkt mit dem Motor gekuppelt und dieser

selbst für eine große Umlaufsgeschwindigkeit, und eine hohe Dampfspannung eingerichtet Dieselbe beläuft sich im vorliegenden Fall auf 1000 Umdrehungen in der Minute, eine Tourenzahl, die man bei Dampfmaschinen noch vor kurzem für ganz unmöglich gehalten hatte, während die zum Betrieb dienende Kessel- spannung 10 Atmosphären beträgt. Eine dieser Maschinen, welche für das Torpedoboot Jdjen bestimmt ist, kommt schon in den nächsten Tagen zum Versandt. Erfreulich ist es, daß unsere einheimische Industrie auch auf diesem Gebiete, der Elektrotechnik, «ine hervorragende Stelle einnimmt und dadurch im Auslande immer mehr an Boden gewinnt.

Höfen, 29. März. Gestern früh wurde im Enzkanal des Rothenbachwerks der Arbeiter Philipp Großmann von Höfen todt aufgefunden. Der Verunglückte soll gestern Abend um 9 Uhr in betrunkenem Zustand die Wirtschaft auf Rothenbach verlassen haben, über den Steg gelaufen und in seiner Be­trunkenheit in den Kanal gefallen sein. Ein­wirkung fremder Gewalt ist ausgeschlossen.

Freuden st ad t, 27. März. Gestern nachmittag zwischen 2 und 3 Uhr entstand in dem Walde oberhalb der sogenannten alten Walke in Friedrichsthal ein Brand welcher von aus der Kirche kommenden Leute mit großer Anstrengung gelöscht werden konnte, che größerer Schaden entstand.

Murrhardt, 29. März. In derNacht vom Montag auf Dienstag wurden dem hie­sigen Stadtschultheißen auf seinem am Kreuz- ungspunkt dreier Straßen gelegenen Gemeinde­stück eine größere Anzahl schon ertragsfähiger Bäume total abgeschnitten. Möge es gelingen, des gememen Thäters in Bälde habhaft zu werden.

Gaildorf, 27. März. Heute Nacht zwischen 2 und 3 Uhr wurde in das Kassen- zimmer des hiesigen Bahnhofes eingebrochen und etwa 100 M., die in einer Schublade auf­bewahrt waren, geraubt. Die Einbrecher ver­suchten auch die Hauptkasse zu sprengen, allein durch Bahnhofverwalter H. bemerkt, ergriffen sie die Flucht. Die Diebe ließen einige Gegen­stände, darunter einenHandschuh zurück, welche unter Umständen zur Entdeckung der Ver­brecher dienen können.

Rundschau.

Pforzheim, 29. März. Gestern Abend 9 Uhr nahm der 17 Jahre alte Goldschmieds­lehrling Doll in der Wohnung seiner Mutter in der Kleinen Gerberstraße aus einem Kasten einen Revolver. Er will nicht gewußt haben, daß sein Bruder ihn geladen hatte. Mit der Waffe spielend, ging ein Schub loß und traf den im Zimmer anwesenden 18 Jahre alten (in der Dillsteinerstraße wohnenden) Barth ins Gesicht, wodurch derselbe am Auge schwer verletzt wurde, so daß der Verletzte in die Augenklinik verbracht werden mußte. Wieder einmal eine ernste Mahnung vor leichtfertigem Umgang mit Schußwaffen.

Mannheim, 28. März. Der hier wohn­hafte Techniker Reindel will ebenfalls einen kugelsicheren Stoff erfunden haben. Die vor­genommenen Schießproben ergaben, daß Re­volver- und Flintenkugeln selbst auf kurze Ent­fernung an der Masse abschlagen. In den nächsten Tagen sollen Versuche mit dem Lebel- gewehr, sowie mit dem Manlicher- und dem deutschen kleinkalibrigen Gewehr vorgenommen werden. Der Stoff des Technikers Reindel soll sich zum Einlegen in die Uniform eignen. Man darf auf die weitere Gestaltung der Sache gespannt sein.

Nürnberg, 29. März. Eintausend Mark Belohnung sind ausgesetzt worden auf die Entdeckung des Brandstifters, welcher in der Nister'schen Kunstanstalt den Brand ange­legt hat. Es ist Verdacht vorhanden gegen einen entlassenen Bediensteten.

AuS Passau wird berichtet: Ein schwe­res Unglück hat sich am Samstag in Gstötten, etwa 1*/, Stunden von Schärting entfernt, ereignet. Sieben junge Leute machten eine Fahrt auf dem Inn, um die dortigen Wasser­bauten zu besichtigen. Da keine der Personen des Nuderns kündig war, so kippte die Zille um und alle stürzten ins Wasser. Einer ret­tete sich durch Schwimmen, ein Zweiter wurde wurde durch in der Nähe befindliche Arbeiter gerettet, während die übrigen Fünf in den Fluten ihren Tod fanden. Die Leichen konn­ten bis jetzt nicht aufgefunden werden.

Dresden, 29. März. DasDresde­ner Journal" meldet: Der beabsichtigte Vor­trag Ahlwardt's ist von der Polizeidirek­tion verboten worden. Die Gründe dafür liegen nicht, wie ein hiesiges Biatt meldet, in der Bestimmung hinsichtlich der Charwoche, sondern lediglich in der Person Ahlwardts.

Berlin, 30. März. DieNordd. Allg. Ztg." stellt mit Bedauern fest, daß die fran­zösische Regierung der Versuchung nicht wider­stehen könne, sich über die Panamaschwierig­keiten durch Ablenkung der Volksleidenschaften auf Deutsche hinwegzuhelfen, wie durch die Ausweisung zweier deutscher Berichterstatter ge­schehen sei, obwohl die Grundlosigkeit der ge­gen dieselben erhobenen Beschuldigungen dar- gethan wurde. Es sei unschwer zu ermessen, was zu erwarten wäre, wenn ernstere Schwie­rigkeiten durch Ablenkung nach außen beseitigt werden sollten. Darin liege die ernste Lehre der Pariser Vorkommnisse.

Hannover, 29. März. In Misburg bei Hannover ist am Sonnabend ein grauen­hafter Lustmord begangen werden. Das elf­jährige Töchterchen des Gastwirths Kluges wurde von dem Knecht Gottfried Rohr in einem Schuppen mißbraucht und dann erdrosselt. Der Thäter ist verhaftet. Die Aufregung ist allgemein.

Bremerhaven, 27. März. Der LloyddampferKöln" hatte in Santos (Brasi­lien) über 30 Gelbfieberkranke. Acht Mann von der Besatzung sind gestorben.

Hamburg, 29. März. DerHamb. Cirrespondent" meldet auch Aachen: Heute Nachmittag 2 Uhr fand auf belgischem Gebiet das Duell zwischen: dem Hamburger Capitän Pietsch und dem französischen Kapitän Servan statt. Das Duell verlief nach dreimaligem Kugelwechsel unblutig.

Amberg, 28. März. Nach einer Meldung der Volkszeitung wurde in Bezirk bei Castell ein 4facher Raubmord an einer Lehrerssamilie verübt.

Lemberg, 29. März. In der Vorstadt Lyczakow ist eine Typhusepidemie ausgebrochen: 130 Personen sind erkrankt.

Paris, 29. März. Der ausgewiesene Korrespondent desBerliner Tageblatts", Bran­des ist gestern Abend angereist. Wie der­selbe mitteilt, wurde seine Familie, die ihn beim Verlassen seines Wohnortes AsniereS begleitete, von einer Anzahl Burschen unter Drohrufen und Beschimpfungen mit Stein­würfen überfallen.

Liverpool, 28. März. Die Baum­wollspinnerei der Firma Nivett and Company in Stockport ist theilweise niedergebrannt. Der Schaden beträgt 600000 Mark. 500 Arbei­ter sind hiedurch brodlos geworden.