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und ihm außerdem ein gewisser Gewinnanteil vertragsmäßig gesichert ist.
Berlin, 23. März. In Abgeordneten- Ireisen wurde die Notwendigkeit einer Aender- ung der Geschäftsordnung des Reichstags im Hinblick auf den Fall Ahlwardt erwogen, um die Möglichkeit abzuschneiden, daß ein Abgeordneter eine oder mehrere Sitzungen grundlos in Anspruch nimmt.
Berlin, 22. März. Etwa 5000 Schneider haben die Arbeit eingestellt. Bisher bewilligten 26 Geschäfte ihre Forderungen.
Berlin, 24. März. Das Tagebl. meldet auS Lemberg, der östreich. Kriegsminister habe eine neue Militärvorlage fertig gestellt. Die Vorlage verlange 30 000 Mann mehr und solle im nächsten Herbst dem Parlament zugehen.
— Der sozialdemokratische Abgeordnete Singer ist, wie die Blätter melden, in einer Heilanstalt wegen hochgradiger Nervosität untergcbracht worden.
— Die Kreuzz. nennt Ahlwardt einen Klopffechter, den sich die Konservativen 3 Schritte vom Leibe halten werden; auch die Kons. Korr, strengt sich an, Ahlwardt abzuschütteln.
— Die Konservativen des Wahlkreises Friedeberg-Arnswalde hielten eine Versammlung ab, in welcher sie sich von Ahlwardt lossagten. Sie sprachen ihr Bedauern aus, Ahlwardt zum Reichstags-Abgeordneten gewählt zu haben.
Schwerin, 23. März. Laut einer Meldung aus Cannes hat sich der Großherzog von Mecklenburg- Schwerin zu kurzem Aufenthalt nach Algier begeben.
Hagen i. W., 22 März. Mehr als 700 Personen aus allen Kreisen der Bevölkerung begingen heute, am Geburtstage des unvergeßlichen Kaisers Wilhelm I-, hier die Vorfeier des Geburtstages des Fürsten Bismarck. Die zahlreiche Beteiligung ist ein Zeichen, daß die Liebe und Anhänglichkeit an den großen Mitbegründer des deutschen Reiches auch in den Herzen der Hagner Bürger lebendig bleibt und sich von Jahr zu Jahr steigert. Die geistvolle Festrede des Mitbürgers Haarmann entfachte stürmische Begeisterung.
Flensburg, 25. März. Der Waisenvater Müller vom orthodoxen Kropper Waisenhaus wurde wegen Sittlichkeitsverbrechen gegen Waisenkinder zu 2^/s Jahren Zuchthaus verurteilt,
Wien, 23. März. Das „N. W. Tgbl." meldet, daß ein Wiener Mechaniker Namens Scarnero vor zwei Jahren eine kugeldichte Uniform erkunden habe, welche vom österreichischem Kriegsministerium angekauft wurde. Der Stoff besteht aus einem Hanfgewebe. Die auf den Militärschießstätten und in der Easserschen Eewehrfabrik angestellten Versuche ergaben,daß das Mannlicher-Geschoß auf 200 Schritte Distanz Scarnero Panzer nicht durchschlug. Bei größerer Dicke kann der Stoff auch als Schiffspanzer verwendet werden. Das Marineministerium machte Mit Vollkugeln bereits vor längerer Zeit erfolgreiche Versuche. Professor Billroth äußerte sich über die Erfindung noch skeptisch, besonders weil, selbst wenn alles dies richtig sei, der Panzer die Beweglichkeit des Soldaten hindern würde.
— Der bekannte Freiheitsmann Dr. Adolf Fischhof ist heute Vormittag im 75. Lebensjahr in Emmersdorf bei Klagensurt nach kurzer Krankheit gestorben. Der Verblichene war 1848 Präsident des Wiener Sicherheitsausausschusses: er wurde der Theilnahme ander Ermordung des Kriegsmintsters Latour be-
nossen darunter ves jüngst zurückgetretenen Präsidenten des Abgeordnetenhauses Smolka war Fischhos an der Ermordung Latours gänzlich unbetheiligt. Fischhof hat stets die freiheitliche Bewegung gefördert, in den letzten Jahren zurückgezogen gelebt und genoß seiner antiken Charaktergröße wegen allgemeine Verehrung. Sein Leichnam wird nach Wien gebracht werden.
— Ueber die von dem Mannheimer Schneidermeister Dome erfundene kugelfeste Uniform äußert sich Professor Billroth im „Wiener Tagblatt" sehr abfällig: er halte die Erfindung für unwahrscheinlich; die Experimente seien nicht überzeugend. Uebrigens werde ein Zukunftskrieg alle Erfahrungen umstoßen und die Anwendung von Domes Uniform könnte eher gefahrbringend sein durch ihre Schwere.
Luzern, 24. März. Wie verlautet, wird der Kaiser seine Reise nach Italien durch die Schweiz machen. Mit der Gotthardbahn sollen die erforderlichen Anordnungen bereits vereinbart sein.
Aus Monte Carlo, 23. März, meldet das Dep. Bureau Herold: Im Kasino gerieten gestern zwei Besucher, die angeblich Deutsche sind, über den Einsatz von 25 Louisdor am Nr suis e,t guarauts - Tisch in Wortwechsel. Derselbe endete mit Thätlichkeiten, wobei einem der Streitenden der Schädel gespalten wurde. Während man den Verletzten in ärztliche Behandlung brachte, mußte der andere gewaltsam aus dem Kasino entfernt werden.
— Nach Privatnachrichten steht es um Fürst Ferdinand von Bulgarien schlimmer, als die amtlichen Meldungen zugestehen.
— Brasilien kann noch immer nicht zur Ruhe kommen. Im südlichsten Staat, in Rio Grande do Sul, ist ein Aufstand gegen die Bundesregierung ausgebrochen, und erbitterte Kämpfe haben stattgefunden. In Rio Grande herrscht bekanntlich eine seit Jahr und Tag wachsende Gährung; dieser in kultureller Hinsicht am weitesten vorgeschrittene Staat, in dem an 300 000 Deutsche wohnen, will sich anscheinend von Brasilien losreißen und eine selbständige Nolle spielen.
London, 24. März. Nach mehrmonatlicher Dauer des Streiks, welches großes Elend im Gefolge hatte, gelangten in Lan- cashire die Baumwollspinner heute morgen zur Einigung mit den Fabrikanten. Die Arbeiter nahmen die Lohnherabsetzung von sieben Pence per Pfund Sterling an.
— Das Londoner russisch-jüdische Komitee hat an alle Bankiers und Bankdirektoren jüdischen Glaubens die Bitte gerichtet, von jetzt ab russische Anleihen, ru fische Staatspapiere und russischen Handel streng zu boykottieren. Hervorragende jüdische Finanzleute in England, darunter auch Parlamentsmitglieder, haben sich dem Aufruf angeschlossen.
Moskau, 29. März. Die Stadtver- ortnetenversammlung beschloß, eine feierliche Bestattung des ermordeten Stadthauptes Ale- xejcff auf Kosten der Stadt zu veranstalten, ferner aus Mitteln der Stadt 200 000 Rubel zum Gedächtnis des Verstorbenen für wohl- thätige Zwecke zu verwenden.
Petersburg, 24. März. Die Nachrichten aus Zentralrußland über das Auftreten der Cholera lauten immer beunruhigender. Unter der Bevölkerung herrscht eine furchtbare Panik. Die Behörden unterdrücken alle Choleranachrichten.
New York, 24. März. In den nörd-
schuldigt, verhaftet und verurtheilt, später aber! lichen Staaten wurden durch Ueberschwemmun-, begnadigt. Nach dem Zeugniß seiner Zeitge- gen arge Verwüstungen angerichtet. Die Eta-!
,blissements der Elektrizitäts-Gesellschaft und dasjenige Edisons stehen unter Wasser. Der Schaden wird auf */a Mill. geschätzt. 4000 Personen sind beschäftigungslos geworden.
— Die Vereinigten Staaten werden, wenn die jetzt im Bau begriffenen Schiffe vollendet sind, als die fünfte Seemacht rangieren: „Wir werden dann Deutschland und Spanien in der Stärke unserer Flotte", so führte der frühere Marine-Sekretär in Harrison's Kabinet Tracy, in New-Z)ork, kürzlich des Näheren aus, „übertreffen. Dies ist das erste Mal, daß wir öffentlich unsere Superiorität über Deutschland verkünden: es ges chieht jedoch nicht ohne Grund. Unser Land hat große Fort» schritte gemacht, nicht so sehr in der Zahl unserer Schiffe, als in der größeren Wirksamkeit und Stärke und in der Entwickelung unserer Hilfsmittel."
Sydney, 20 . März. Ein furchtbarer Sturm, wie er in diesen Bceitegraden nie erlebt worden, ick über die Neuhebriden und Neukaledonien am 6 . März gegangen. Er wütete ohne Unterbrechung 3 Tage; dabe herrsch e der heftigste Regen. Die Hälfte voni Neukaledonien ist überflutet. In Jchio allein sind 10 Menschen erschlagen worden. ^4 der Kolonisten sind zu Grunde gerichtet.
L 0 A cr L e s.
Eine nötige Antwort ans eine nnnötige Frage.
Die WildbadcrChronik, Nr. 35 vom 25. März, enthält eine „Anfrage" in Betreff der gemischten Ehen an hiesigem Orte. Es ist darin uns Katholiken vorgehalten, daß wir „Hetzereien" treiben oder dulden, welche die Verhetzten bis zum „religiösen Irrsinn" bringen könnten.
Ich, der Unterzeichnete, unterscheide an der „Anfrage" den Inhalt und die Form. Ueber den Inhalt werd' ich hier keine Silbe verlieren. Ich bin jeder'zeit bereit, jeder Be» Hörde gegenüber, bürgerlicher und geistlicher, evangelischer oder katholischer, Red' und Antwort zu stehen.
Was die Form der „Anfrage" betrifft, so mußte ich überlegen, ob der Anstand mir nicht die Antwort verbiete in einer Sache, die anonym und unter unheimlichen Andeutungen an die Öffentlichkeit gebracht wird. Doch ich schulde den Rechtlichdenkenden, seien sie evangelischen oder katholischen Glaubens, die Rücksichten, die sie fordern dürfen. Darum erkläre ich das Nachstehende.
1. Die „Anfrage" redet von einer gewissen andersgläubigen „Persönlichkeit," von deren „lichtscheuem, frechem Treiben", von „gemeingefährlichem Vorgehen", von „bornierten Proselytenmachern." Ich fordere den Einsender der „Anfrage" hiemit auf, den Namen und Stand der „gewissen Persönlichkeit" zu nennen. Und ich erkläre es für eine Ehrlosigkeit, aus dem Schlupfwinkel der Anonymität die schwersten Anschuldigungen gegen Persönlichkeiten zu schleudern, die man nur dunkel anzudeuten wagt und denen man auf diese Art die Möglichkeit der Verteidigung zum Voraus abschneiden will.
2. Die „Anfrage" will das „Treiben" der „gewissen Persönlichkeit" nicht „ungestraft", „ungerügl" hingehen lassen. Ich spreche dem Einsender jeglichen Beruf, uns zu rügen, und jede Strafgewalt ab. Ich weiß die Behörden zu finden, welche das Nötige zu verfügen haben, und ich weiß auch, daß die Katholiken im Staate Württemberg, also auch in Wildbad, nicht schütz- und rechtlos sind.
3. Die „Anfrage" redet von „konfessionellen Streitigkeiten." Wer sich nicht entblödet.