Schutzmannschaft in Dienst. Das Polizeipräsidium zeigte eine starke Besetzung. Das Ausstecken rother Fahnen und der Verkauf von Zeitungen aus rothem Papier war verboten.
Berlin, 20. März. (Rci chstag.) Dritte Lesung des Etats. Liebknecht (Soz.) bekämpft das sogen, militärische Lystem. Ein Krieg nach 2 Fronten sei nicht zu befürchten. Ahlwardt (Antis.) spricht sich für die Militärvorlage aus, wünscht jedoch, daß die Regierung für die Deckung der Kosten andere Vorschläge mache. Er bekämpft besonders die Branntweinsteuer. Er bespricht dann seinen Prozeß, wobei er Löwe des Meineids bezichtigt Er wud dafür zur Ordnung gerufen. Seine Behauptung bezüglich der Gswehrläufe, die in Deutschland benützt worden seien, trotzdem Italien dieselben zurückgewiesen habe, hält er aufrecht. Reichskanzler Graf Caprivi: Es thut mir Leid, Ahlwardt hier zu sehen; denn die Achtung, die ich vor dem Hause habe, hindert mich, ihm das zu sagen, was ich ihm sonst gesagt hätte. Ich glaube, die Gewehre der Zintgraff'schen Afrika-Expedition sind schlecht behandelt und darum schadhaft geworden. Ich behaupte hier noch heute, daß die Löwe'schen Gewehre durchaus gut sind. Ich muß, aus Respekt vor dem Hause, mir versagen, die Worte Ahlwardts mit dem richtigen Ausdruck zu belegen. Ahlwardt kann sprechen, so viel er will; niemals wird er das Ansehen der Militärverwaltung und der Justiz erschüttern.
— Die offiziösen „Berl. Polit. Nachr." schreiben: Seit einigen Tagen ist die Rede davon, daß mehrere Offiziere in höheren Kommandostellungen um chren Abschied eingc- kommen seien; so der kommandierende General des VII. Armeekorps, General der Kavallerie von Albedyll; ferner Generalmajor v. Heyd- wolff (Braunschweig); Generallieutenant von Goctze, Kommandeur der 22. Division, und General der Infanterie von Schkopp, Gouverneur von Köln.
Fri edrichsruh, 18. März. Der Fackelzug zum Geburtstag des Fürsten Bismarck ist der Karwoche wegen auf den Geburtstag der Fürstin (11. April) verschoben.
Hamburg, 19. März. Das Vollschiff Naypoot" ist mit 22 Mann Besatzung im Atlantischen Ocean untergegangen.
— Bei den gegewärtig stattfindenden Aushebungen wird bereits dem Börsen-Courier zufolge auf die Heervorlage Rücksicht genommen ; in verschiedenen Orten wurden alle Strllungspflichpgen als tauglich bezeichnet.
Insterburg, 17. März. Einer der berüchtigsten Raubmörder unserer Provinz, Rabischat, welcher im Alter von 18 Jahren zu einer 15jährigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde, ist aus dem hiesigen Zuchthaus entsprungen und bildet abermals den Schrecken unserer Bevölkerung. Der Einbruch in die Kasse des Magistrats zu P lkullen, aus welcher 5000 ^ gestohlen wurden, wird ihm zur Last gelegt. In e-nem ostpreuß. Dorfe trat er als Berliner Viehhändler auf und gab vor, Vieh kaufen zu wollen; sein Benehmen erschien jedoch dem Amtsvorsteher so verdächtig, daß er ihn festnehmen ließ, leider aber, nachdem jener eine Kaution von 700 Thalern — einen Teil des aus Pilkallcu mitgenommenen Geldes — hinterlegt hatte, wieder auf freien Fuß setzte. Nabischat wandte sich nunmehr nach Tilsit, wo er in die Gebäude der Hundrißersch n Bierbrauerei einbrach und den Geldschrank zu sprengen versuchte, jedoch von einem spät abends heimkehrenden Bierkutscher in der begonnenen Arbeit welche er — wie man an-
nchmen muß — zusammen mit einem Genoffen ausführte, gestört wurde. . Es sind hiersclbst Geheimpolizisten eingetroffen, um die Spur Rabischats zu verfolgen; es ist aber noch nicht gelungen, seiner habhaft zu werden. Die königliche Staatsanwaltschaft hat eine Belohnung von 100 Mark für die Ergreifung des Einbrechers ausgesetzt.
Budapest, 18. März. Der Gerichtshof verurteilte, wie das Depelchenbureau „Herold" meldet, den griechisch-orientalischen Pfarrer Joh. Germann, der sich durch Wucher und sonstige inkorrekte Handlungen ein Vermögen von 150,000 Gulven geschaffen, wegen Urkundenfälschung und falscher Zeugenaussage, schwerer Körperverletzung, Wucher und Diebstahl zu 4'/s Jahren Kerker, dessen Gattin zu 2Vs und den Sohn zu 3 Wochen Gefängnis.
— Die Kaiserin von Oestreich weilt krank an den Gestaden des Genfer See's; sie soll an Hallucinatwnen leiden, welche Abends anfangen und worin sie glaubt, der verstorbene Kronprinz sei noch ein kleines Kind, welches sie in ihren Armen wiege. Auf den Rath der Aerzte studirte sie fremde schwierige Sprachen, damit ihr Geist Beschäftigung habe.
Paris, 19. März. Jules Ferry hat ein Testament hinterlassen, das vom Dezember 1891 ausgestellt rst- Er bestimmt in ihm, daß er auf dem Kirchhofe von Saint Diö seinem Geburtsorte, beigesetzt werde, wo er „die blauen Berge der Vogesen vor sich habe und bis wohin die Klagen der Besiegten herüberklängen". Die Beisetzung ist auf Montag festgesetzt.
Paris, 20. März. Die France meldet: Clemenceau wird nächsten Donnerstag in der Kammer eine große Rede über die politische Lage, über Panama und die nächsten Wahlen halten. — Ein Telegramm Castelars an Frau Ferry wird vielbesprochen. Dasselbe laut.t: „Frankreich hat seinen weisen Patrioten, Sie den vortrefflichsten Gatten, ich den treuesten Freund verloren."
Lille, 20. März. Gegen 150 kathol. Studenten stürmten die Redaktion des Blattes „Progres du Nord", welches einen die Katholiken verletzenden Artikel gebracht hatte. Der anwesende Redakteur wurde mißhandelt; 40 Studenten wurden verhaftet.
Rom, 19. März. Der „Tribuna" zufolge wird die neue Banca d'Jtalia bei der L quidierung der Banca Romana etwa fünfzig Millionen verlieren. Im Prozesse der Banca Romana erklärte der Untersuchung^ richter die Vernehmung gewisser englischer Kapitalisten für unerläßlich, mit welchen Baron Lazzaroni seiner Zeit bezüglich der Errichtung der Anglo-Jtalienischen Bank Verhandlungen eingeleitet hatte.
Ma ilan d, 19. März. In Neapel wird die Ankunft des deutschen Kaiserpaares in Begleitung des Königs und der Königin von Italien am 27. April erwartet. Tags darauf wird wahrscheinlich eine Flottenschau stat:finden, abenvs eine glänzende Beleuchtung des Hauses.
Sofia, 20. März. Das heutige Konsilium der Prof Billroth und Politzer und der Doktoren Neuster, Hakanow und Jkalowitsch ergab ein erfreuliches Resultat. Die Ohraffektion des Prinzen Ferdinand ist geheilt und das Gehör vollkommen normal. Es besteht nur noch eine in der Abnahme begriffene Neuralgie der Nacken- und Hinterhauptsnerv n. Weitere strenge Ruhe ist dem Paticutm empfohlen.
Windsor, 21. März. Die Königin, begleitet von Prinz und Prinzessin Heinrich von Battenberg, reiste gestern nach Portsmouth
ab, übernachtete an Bord ihrer Dacht und reist heute über Cherbourg nach Florenz weiter.
Barcelona, 19. Marz. Gestern ex- plodirte in der Werkstatt einer Bettstellenfabrik eine Bombe, wodurch ei» Schmiede- Arbeiter, ein Italiener, getödiet wurde. Die in der Wohnung desselben angesteUteu Nachforschungen ergaben, daß cs Anarchisten gewesen; auch fand man zwei mit Explosivstoffen augefüllte Orsini-Bomben. Man glaubt, es handle sich um eine förmliche Fabrik von Explosivkörperu für am 1. Mai zu veranstaltende Kundgebungen. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen.
Libau, 17. März. An der kurländischen Küste sind im Ganzen vierzig Dampfer im Eise stecken geblieben, davon verließen II Libau am vorigen Donnerstag; 29 Dampfer liegen im Eise vor dem Libauer Hafen. Die Lage der stecken gebliebenen Dampfer ist noch immer eine kritische. Die Passagiere des Dampfers „Moskau" retteten sich an's Land.
Chicago, 19. März. Das hiesige deutsche Consulat wurde teilweise durch Feuer zerstört; die Archive konnten gerettet werden.
Washington, 19. März. Gerüchtweise verlautet, daß der Präsident Clevela.ch eine Untersuchungskommission nach Hawaii senden wird.
Boston, 17. März. Bei dem gestrigen großen Brande in der Hauptgeschäftszegend der Stadt wurden 3 Personen getötet und 30 verwundet; der Gesammtschaden wird auf 3 Millionen Dollars geschätzt.
Kairo, 18. März. Die Lage nimmt, hier wieder einen bedenklichen Charakter an. Das neue Mnisterium stößt auf verschiedene Schwierigkeiten.
— Nach einem Telegramm aus Kairo ist Dr. Peters von dem am 13. Februar erlittenen Beinbruch nunmehr wieder hergestellt.
UntkchMndks.
Dorf und Stadt.
Eine einfache Erzählung ausdemLebeu v. M. B.
(Fortsetzung.)
Alltäglich erschien mit dem Onkel ein junger Mann in dem Hans, der sich seit einigen Monaten ohne irgend welche Beschäftigung in der Hauptstadt aufhielt. Sein Vater war in Amerika ein reicher Farmer gewesen und er der einzige Sohn. Nach dem Tode des elfteren hatte er sei» Besitztum verkauft, die neue Welt mit dem Süden Deutschlands vertauscht, und zu seinem Aufenthaltsort den Wohnsitz Werners gewählt, der ihm von dem Inspektor als eine besonders gemütliche und lebenslustige Stadt gerühmt worden war. Die beiden hatten sich auf der Reise gefunden und schnell Bekanntschaft gemacht. Viktor Graf war drüben längere Zeit an einer höher» Schule gewesen, hatte dabei aber, wie man bald herausfand, nicht viel profitirt. Gleichwohl besaß er das Doktordiplom und behauptete allen Ernstes, daß dasselbe nicht, wie gewöhnlich in Ame- nka, mit blanken Dollars bezahlt worden sei. Etwas hatte er übrigens doch gelernt. Er beurkundete im Klavierspiel eiue Knnstfertigkeir, für welche ihm schon in mancher fröhlichen Gesellschaft aufrichtige Bewunderung und Anerkennung gezollt worden war. Durch die Hebung dieses Talentes hatte er es auch dahin gebracht, sich als den ersten rühmen