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lichen Niederlassung das Gewerbe im Umherziehen betreibt, d. h. von Haus zu Haus hausiert, 5. Handelsreisende, welche auf Grund des Z 44 der G,-O. ihr Gewerbe ohne Wandergewerbeschein ausübcn, dürfen Bestellungen auf Ware nur bei solchen Gewerbetreibenden (also nicht bei Privatkunden) suchen, in deren Gewerbebetrieb Waren der angeborenen Art Verwendung finden. Durch diese Bestimmungen sollen die hauptsächlichsten Mißstände des Hausierhandels beseitigt werden, nämlich die Uebervorteilung des Publikums, die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der ansässigen Detailhändler und Handwerker, namentlich in den mittleren und kleineren Städten, der Ankauf von Gegenständen, welche keinem reellen Bedürfnis entsprechen, und das Drängen von Handel und Industrie in eine unsolide Richtung.
Hamburg, 9. Febr. Das von Jquique mit 1600 Tonnen Salpeter hierher bestimmte Schiff „Condor" strandete bei Nieuwediep. Die Frau und zwei Kinder des Kapitäns sind gerettet. Es herrscht Sturmwetter. Man versucht die Mannschaft mit dem Rakcten- apparat zu retten.
Graudenz, 11. Februar. Russische Schiffer haben in Ragnit die schwarzen Pocken eingeschleppt. Mehrere Todesfälle sind vorgekommen.
Aus Görlitz, 7. Febr. wird berichtet: Lieutenant Kurt v. Zastrow von den 5. Kürassieren, der älteste Sohn des Rittergutsbesitzers Major a. D. v. Zastrow in dem benachbarten Schönberg, ist dieser Tage in entsetzlicher Weise verunglückt. Er ist bei einem Ausritt mit dem Pferde gestürzt, im Steigbügel miteinem Fuße hängen geblieben und so von dem rasend gewordenen Pferde zu Tode geschleift worden.
Wien, 9. Febr. Im oberen Donaugebiet haben infolge des anhaltenden Thau- metterS vielfach Ueberschwemmungen stattgefunden. Das altberühmte Pöchlarn (Bechelarn -es Nibelungenliedes) steht seit gestern teilweise unter Wasser. Die große Donaubrücke bei Stein ist heute weggerissen worden. Krum- nußbaum, Dbbs, Kornneuburg, Klosterneuburg und Stockerau sind arg gefährdet. Auch im Moldaugcbiet droht an vielen Stellen eine Katastrophe. In Wien selbst ist die Lage Mcht unbedenklich. Die Auen an dem linken Ufer der Donau gleichen einem endlosen See. Das Wasser erreicht bereits den Hauptschutzdamm. Rettungshäuser werden an den bedrohten Pinkten errichtet und überall die umfassendsten Kcttungsmaßregeln getroffen.
Triest, 10. Febr. Die Erdstöße vom 7. und 8. Februar haben die entsetzliche Katastrophe auf der Insel Zante zu einer vollständigen gemacht. Ein Telegramm meldet, daß die Zahl der Toten und Verwundeten unter den eingestürzten Häusern sehr bedeutend ist. Das Krankenhaus ist total zerstört. Ein Teil der Kranken wurde unter den Trümmern begraben. Die Zahl der eingestürzten Häuser übersteigt 300. An vielen Punkten öffnete sich die Erde und verschlingt« Häusergruppen mit Einwohnern. Die Panik ist groß und das Elend unsagbar. Täglich sterben Leute am Hungertyphus. Ein Spezialberichterstatter der in Athen erscheinenden „Akropolis" meldet, dieses Erdbeben auf Zante sei die größte Katastrophe, von der Griechenland je betroffen worden sei.
— Das Urteil im Panamaprozeß wurde gestern verkündet. Ferdinand und Charles de Lesseps wurden zu fünf Jahren Gefängnis und 3000 Frcs. Geldbuße, Fontane und Cottu i zu zwei Jahren Gefängnis und 3000 Frcs. ^
Geldbuße wegen Betrugs und Vertrauensmiß- brauchs und Eiffel zu zwei Jahren Gefängnis und 20,000 Frcs. Geldbuße wegen Vertrauensmißbrauchs verurteilt. In der Begründung des Urteils werden Ferdinand und Charles de Lesseps, sowie Fontane und Cottu betrügerischer Handlungen bei der Emission der Panamalose sowie der Veröffentlichung wahrheitswidriger Inserate in den Zeitungen unter Mitwirkung willfähriger Freunde bezüchtigt. Ferdinand de Lesseps habe mit Unterstützung der Administratoren der Gesellschaft fortdauernd die Geschäftsgebarung derselben im Dunkeln gehalten, die Emissionssyndikate seien rein fiktiv, die Emissionskosten übertrieben hoch gewesen. Was den Vertrauensbruch betrifft, so wird die betrügerische Absicht für erwiesen erachtet, da die an Reinach, Oberndörfer und andere gezahlten Summen nicht die Verwendung erhalten hätten, für die sie bestimmt gewesen seien. Bezüglich Eissels wird der Versuch des Betruges vereint, dagegen wird demselben Vertrauensbrauch zur Last gelegt, indem ausgeführt wird, daß die Beträge welche Eiffel als Pauschalsumme erhalten zu haben vergebe, demselben lediglich für die Ausführung bestimmter Arbeitsaufträgc ausgezahlt worden seien. Eiffel habe demnach Gelder zum Nachteil der Gesellschaft mißbräuchlich verwendet.
Paris, 10. Febr. Die Morgenblätter finden die Strafen im Panamaprozeß sehr hart, besonders die gegen Ferdinand v. Lesseps; der „Figaro" verlangt die Begnadigung desselben. — Der „Figaro" veröffentlicht die Anklageschrift im Panamabestechungsprozeß; dieselbe enthält nichts thatsächlich Neues. — Andrieux erklärt, er werde Em. Arsne wegen Beleidigung gerichtlich verfolgen. (Aröne hat ihn in mehreren Zeitungsartikeln beschimpft.)
— 9. Febr. Charles de Lesseps appellierte gegen den Beschluß der Anklagekammer.
— Aus Nizza wird gemeldet: Der Pariser Operettensängerin Theo, die hier Gastrollen giebt, wurde ihr gesamter Schmuck im Werte von 150,000 Francs gestohlen. Vier Engländer wurden verhaftet; ein Teil des Schmuckes ist bei ihnen gefunden worden,
— Aus Brüssel, 9. Febr., wird den M. N. N. gemeldet: Großes Aufsehen ruft hier der Selbstmord eines der ältesten Bediensteten des Grafen von Flandern, eines gewissen Barbarett, hervor, der heute im gräflichen Palast erhängt aufgefunden wurde. Man vermutet, daß dieser Selbstmord im Zusammenhang steht mit dem großen Juwelendiebstahl.
Rom, 8. Febr. Zu Campolieto sind heute Vormittag mehrere schlecht gebaute Häuser eingestürzt. Bis jetzt sind 13 Tote und 14 Verwundete aufgesunden worden.
Christiania, 9. Febr. Soweit bis jetzt bekannt, haben 123 Fischer in Folge des jüngsten Sturmes bei den Lofoten ihr Leben verloren; ein Aufruf zur Unterstützung der Hinterbliebenen ist erlaffen.
Newyork,8. Febr. Ein Personenzug auf der Cleveland-, Cincinnati- und Indianapolis-Eisenbahn entgleiste, während er in Pana, Illinois, über eine zerbrochene Schiene fuhr. Der ganze Zug mit Einschluß von zwei Schlaff koupses verbrannte. Eine Person kam um, mehrere Personen wurden verletzt.
New-Jork, 9. Febr. Der Millionär Austrum wurde verhaftet. Ursache unbekannt.
— Die Irrenanstalt in der Nähe von Dover und New Hampshire ist durch eine Feuersbrunst zerstört worden. 44 Insassen sind umgekommcn.
— Ein entsetzliches Unglück ereignete sich in dem Platze Kami«, etwa 12 deutsche Merlen westlich von Kanton gelegen. Eine
Räuberbande hatte einen in Kami! befindlichen Tempel besucht und von dem Abte eine hohe Summe Geldes verlangt, welchem Verlangen nicht Gehör geleistet wurde. Am selben Tage fand in einem großen, aus Matten erbauten Schuppen der vor dem Tempel errichtet war, eine Theatervorstellung statt, welcher mehrere Tausend Personen beiwohnten. Die Räuber setzten aus Rache diesen Schuppen in Brand und die Zuschauer stürzten sich in ihrer Angst in den Tempel; dieser fieng aber ebenfalls Feuer und brannte nieder, lieber 1400 Personen kamen dabei um.
Niükrhaltkndk«.
Anschuldi'g!
Eine Waidmanns-Erzählung vonH.Rvbvlsky.
(Fort,etzung)
„Die Vorgefundenen Briefreste in dem Nebenhäuschen aus dem Stalle, der auch ein Raub der Flammen werden sollte, zengen laut gegen Sie," fuhr der Rat voll Würde fort, „Sie haben doch die Correipondenzen gewiß nicht so herumliegen lasse», daß sie Jedermann zugänglich waren?"
„Gewiß nicht!" Sie befanden sich sogar in meiner Brieftasche, die ich nie von mir lege," beteuerte Grashof. „Wer sie mir gestohlen hat, weiß ich nicht."
„Hegen Sie gar keinen Verdacht gegen irgend eine Person?" exrminirte der Richter weiter.
Der Förster sah eine Weile still vor sich »teder, als schwanke sich ein Entschluß in ihm. „Nein" entgegnete er endlich kurz.
Grashof wurde wieder in seine Zelle gebracht. So saß er eine Woche, vierzehn Tage, sogar einen Monat, und die Sache kam nicht weiter.
Jetzt erließ die Staatsanwaltschaft eine öffentliche Aufforderung. Jeder, der irgend welche Aussagen betreffs des Brandes in der Försterei Grundbach zu machen im Stande sei, werde dringend gebeten, sich im Bureau des Untersuchungsrichters melden zu wollen; Kosten erwüchsen dadurch nicht.
Niemand leistete dem Ersuchen Folge. Und hätte auch einer der Dorfbewohner über den Fall etwas Näheres gewußt, er wäre doch so leicht nicht ins Gericht gegangen. Die Landleute scheuen fast durchweg solche Wege, weil sie von dem Wahne befangen sind, es könne ihnen schließlich auch an den Kragen gehen.
Da trat eines Vormittags der Gerichtsdiener in die Schreibstube des Untersuchungsrichters und meldete es sei ein Mädchen im Wartezimmer erschienen, das eine Aussage in der Grundbachschen Brandangelegenheit mache» wolle.
„Führen Sie die Person hierher I" ordnete der Jurist an. „Ich will sie sofort vernehmen."
Gleich darauf kehrte der Unterbeamte in Begleitung der freiwilligen Zeugin zurück. Als der Gerichtsdirner unschlüssig einen Augenblick stehen blieb, winkte der Vorgesetzte leicht mit der Hand, worauf der Diener daS Bureau verließ.
Nach Abhörung der gesetzlich vorgeschrie» denen Perso.ialfragen wiederholte der Gerichtsrat noch einmal: „Sie heißen also Marie Büchner und waren damals Wirtschafterin beim Förster Grashof?"
«Ja-"