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„Kennt Sie irgend ein Beamter des Berichts?"
„Der Crstellan. „Er hat ein paar Mal' bei uns in Grundbach Eier gekauft."
Der Bureauchef schellte. Als der Diener wieder erschien, befahl er: „Castellau Milchner soll sofort kommen!"
Der Citirte bestätigte die Identität der Zeugin.
„Sind Sie denn nicht mehr in Ihrer alten Stellung?" examinirte der Richter.
„Nein ich gab den Dienst bald nach dem Brande auf."
„Warum?"
„Mir gefiel es in dem Hause nicht mehr."
„Und jetzt wollen Sie gegen Ihren bisherige» Brotherrn aussagen?"
„Mein Gewissen treibt mich dazu. Es möchte ja schließlich ein Unschuldiger in Verdacht komme»."
„Sie scheinen ja ein gutes Herz zu haben," sagte der Jurist nicht ohne einen Anflug voi» Ironie. „Nun erzählen Sie mal."
„Mich quälten," begann die ebemalige Wirtschafterin etwas stockend, „in jener Nacht, als die Scheune in Grundbach abbrannte, entsetzliche Zahnschmerzen. Allerlei Mittel hatte ich bereits gegen das Weh angewandt; doch nichts half. Da das Bohren in den Zähnen im Bett bedeutend zunahm, blieb ich auf und wauderte im Zimmer ruhelos auf und ab. Zwilchen zwölf und ein Uhr hörte ich plötzlich auf dem Hofe eine Thür knarren und gewahrte, an das Fenster tretend, daß Jemand aus der Scheune kam."
„In jener Nacht war es stockfinster?" unterbrach der Richter die Zeugin, sie scharf fixireud.
„Neinl" versetzte diese. „Man konnte die Gegenstände draußen sehr gut erkennen. Schon glaubte ich, es wären wohl gar Diebe bei niis Ungebrochen, und wollte Lärm schlagen; da erkannte ich in dem Nachtwandler Förster Grashof. Mir war es rätselhaft, was der Hausherr eigentlich zu dieser außergewöhnlichen Zeit in der Scheune dhue; doch hatte ich ja kein Recht, danach zu fragen, und setzte meine verzweifelte Stubciiwanderung fort."
„Woran erkannten Sie den Mann so bestimmt? Denn bei zweifelhafter Nachthelle ist ein Irren keineswegs ausgeschlossen."
„Herr Grashof besitzt einen gelblich geblümten Schlasrock, ein seltenes Muster. Diesen trug er, und auch ein rotes Käppchen hatte er auf dem Kopfe."
„Nun mal weiter I"
„Plötzlich erleuchtete ein blendender Schein mein Schlafgemach. Ich wußte gar nicht, was das zu bedeuten hatte, und eilte schnell an das Fenster zurück. Zu meinem Entsetzen gewahrte ich nun, daß es in der -Scheune brannte und die Hellen Flammen -aus den Luftklappen hervorschlugen."
„Was thaten Sie nun?"
„Ich lief ans meinem Zimmer und machte Pärm im Hause."
„Was dachten Sie denn über das Geschehene?" fragte der Jurist ernst.
Marie schwieg einen Augenblick. „Ich Weiß nicht, ob ich es sagen darf!" stotterte sie.
„Sprechen Sie es nur ruhig aus!" -ermahnte der Beamte. . . „Na ich will Ihnen zu Hülfe kommen: Sie glauben, Herr -Grashof habedie Scheune selber angezüudet?"
„Ich macke Sie darauf aufmerksam," fuhr der Jurist in feierlichem Tone fort, „daß Sie Ihre Aussagen zu beschwören haben. Also überlegen Sie jedes Ihrer Worte. Wer wissentlich einen falschen Eid leistet, wird mit Zuchthaus bestraft."
Marie nickte mit dem Kopfe.
„Wußten Sie denn, daß Ihr Herr sich in Geldverlegenheit befand?" begann der Gerichtsrat noch einmal zu forschen.
„Das wußte jedes Kind versetzte Marie.
„Stauden Sie etwa mit Ihrer Herrschaft nicht in gutem Einvernehmen?"
„Doch! Es fiel ja wohl mal etwas vor zwischen uns, das war aber nicht von großem Belang."
Nachdem der Richter die Zeugin vereidigt, wurde sie entlassen, das Proiokoll aber noch am selben Tage der Staatsanwaltschaft zugestellt.
Die Staatsanwaltschaft erhob jetzt sofort die formelle Anklage gegen den Förster. Das demnächst znsammentretende Schwurgericht hatte über die Sache zu urteilen.
Als dem Jnhaftirte» die Aussage seiner früheren Wirtschafterin vorgelesen wurde und der Richter ihn wiederholt zu einem offene» Geständnisse aufforderte, war der Arme nahe daran, zu Boden zu finken. „Es ist ja Alles nicht war, was die Fal,che zu Protokoll gab!" rief er in höchster Verzweiflung. „Die Scheune brannte ja schon lichterloh, als ich das Einfahrsthor öffnete."
„Was sollte aber diese Marie Büchner zu der falschen Denunciatio» gegen Sic bewogen haben?" fragte der die Untersuchung führende Beamte.
„Sie hegt einen bitter» Haß gegen mich, weil ick ihren Galan wegen Frostfrevels und Angriffs auf meine Person in das Gefängnis gebracht!" bebte der Gefangene.
»Die Zeugin ist eine durchaus unbescholtene Person und hat ihre Sache beschworen!" sagte der Jurist, die Achsel zuckend.
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
— Ein Wurstfabrikant in Liegnitz beabsichtigte auf der Weltausstellung in Chicago e-ne Wurstsabrik, die mit den besten Maschinen der Jetztzeit ausgerüstet sein sollte, und einen Verkauf von „warmen Wienern" zu errichten. Für den hiezu nötigen Ausstellungsraum verlangten die Leiter der Chicagoer Ausstellung eine Platzmiete von 200 000 Mk. Die Folge dieser amerikanischen Unverfrorenheit war natürlich, daß dem Fabrikanten die Lust zu dem Geschäft vergangen ist.
Aus Athen wird berichtet: Ein furchtbares Erdbeben hat, wie schon kurz gemeldet, die kleine und schöne Insel Zante, das alte Zakynthos, verheert. In den letzten sechs Monaten waren dort wiederholt kleine Erderschütterungen verspürt worden und die Einwohner glaubten, daß sich die vulkanische Kraft auf diese Weise er. schöpfen würde. Das war ein Irrtum, denn am 31. Jan, um 5 Uhr 34 Min. morgens erfolgte ein heftiges Erdbeben, welches die ganze Insel in Bewegung versetzte. Wände, Dächer, stürzten in Zante zusammen und die erschreckten Einwohner liefen schreiend nach den offenen Plätzen. Als e» tagte, zeigte es sich, daß nicht rin Haus unversehrt geblieben. Während de» ganzen folgenden Tages dauerten die Erdstöße fort. Die Einwohner von Zante kampierten in den Olivenhainen. Die Nacht vom 31. Jan. auf 1 . Febr. war schön und der Mond schien hell. Da erfolgte um 8 Uhr
morgens wieder ein sehr heftiger Stoß, der insbesondere in den Dörfer» arge Verheer» ungen anrichtete und zwei dem Erdboden gleich machte. Gestern folgte ein dritter Stoß, der am Schloßgefängnis in Zante eine massive Mauer zum Einsturz brachte. Viele Sträflinge liefen hinaus, allein es gelang dem wachthabenden Offizier mit einigen Soldaten, die Flüchtlinge wieder einzufangen. Zante ist die schönste der Jonischen Inseln, gegenüber der westlichen Landzunge von Morea. Die Insel ist 8^2 Stunden lang, gegen 4 Stunden breit und umfaßt 438 Quadratkilometer. Die Insel ist reich an Oliven, Wein (40 Sorten!), Korinthen, Zitronen, Granaten, Melonen, Salz, Schwefel, Bergöl und Robben. Sie bildet eine Evarchie und eine eigene Monarchie deS Königreichs Griechenland.
(WiederherstellungvonPhotogra- phien.) Trotz der größten Sorgfalt verblüffen alle Photographien allmählich, sogar die in den Albums aufbewahrten, was uns besonder» schmerzlich bei den Bildern von lieben Verstorbenen berührt. Ein sehr einfaches Mittel, den Bildern die frühere dunkle Färbung zu verleihen, ist das folgende: Man tränkt ein weißes Löschpapicr mit einer verdünnten Quecksilberchloridlösung und drückt es so lange auf das zu restaurierende Bild bis es wieder dunkel geworden ist, auch kann man die ganze Photo- tographie in die Lösung eintauchcn, bis der gewünschte Erfolg eingetreten ist.
(UngewöhnlicheEbbe.) Die Lagunenstadt Venedig wurde von einer Ebbe heimgesucht. wie sie zu den äußersten Seltenheiten zählt. Die Ufer des Kanal Grande waren an vielen Punkten von Wasser entblößt, s» daß zahlreiche Gondeln auf dem Trockenen lagen. Bei zwanzig größere Kanäle und zahllose kleinere waren total trocken. Der Gondel» verkebr stockte an vielen Stellen. Im Kanal San Giobbo fuhr ein Kanaldampfer infolge des niedrigen Wasserstandes auf.
Werteste WcrcHvichLen.
Brünn, 11 . Febr. Heute Abend 6 Uhr wurde hier ein gräßlicher Mord verübt. Der 70 Jahre alte Kaufmann Max Rosenthal, Inhaber einer Heeresausrüstungs-Firma, befand sich mit zwei Bediensteten in seinem Comptoir, als plötzlich zwei mit Masken versehene Männer eintraten, welche Geld verlangten. Nachdem sie keine befriedigende Antwort erhalten hatten, feuerten sie mehrere Schüsse ab. Zwei derselben trafen Rosenthal in die Brust, so daß er nach wenigen Minuten verschied; zwei andere trafen die zwei Bediensteten, von denen der eine leicht, der andere schwer verletzt wurde. Als die Mörder das Lokal verlassen wollten, trat ihnen der Neffe Rosenthals, Dr. Hoze entgegen, auf welchen die Verbrecher gleichfalls einen Schuß abfeurrten, der glücklicherweise nur eine leichte Verwundung verursachte. Von den Mördern fehlt bisher noch jede Spnr.
Bern, 10 . Febr. Die in Pari» verstorbene Witwe Allemandi aus Basel hat dem Bund 40,000, der Stadt Basel 100,000, dem Kanton Baselland 30 000 und an den Kanton Solothurn 20 000 Franc» mit der Bestimmung vermacht, daß die Zinsen dieser Schenkungen alljährlich dafür verwendet werden sollen, jungen armen Arbeitertöchtern oder Arbeiterinnen schweizerischer Herkunft, Au»steuern zu verschaffen.
Bergen i. Norm., 11. Febr. Das norwegische Schiff „Pacific" ist auf der Reise von N-ufundland nach England mit der ganzen Besatzung untcrgegangen.