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werde, da nach Artikel 13 der Verfassung kein Abgeordneter wegen seiner Abstimmung verfolgt werden könne. Nur Charles de Leffeps, Cottu, Fontane, Barhaut und Blondin würden vor die Geschworenen kommen. Letzterer als Vermittler zwischen Barhaut und der Panama- Gesellschaft. Blondin ist inzwischen wegen Krankheit gegen 20 000 Fr. Kaution auf freien Fuß gesetzt worden.
— AuS Lille wird berichtet: Der Bürgermeister Pimbel von Nogent-sur-Marne wurde abgeictzt und verhaftet. Pimbel hatte das Vermögen einer aus Ungarn stammenden reichen Wittwe Namens Dietrich verwaltet. Als diese kürzlich ohne Hinterlassung von Erben starb und der östreichische Konsul den Nachlaß ausnahm, ergab es sich, daß ungarische Papiere im Werte von 80000 Franken verschwunden waren. Der Konsul that sofort die nötigen Schritte zur Ungültigkeitserklärung der Papiere. Es stellte sich heraus, das Bürgermeister Pimbel einen Teil der Papiere für 16 000 Fr. bei einem Bankier versilbert hatte.
— Kürzlich hat man im Walde nahe bei Charleroi die Leichen eines fünf- und eines siebenjährigen Mädchens gefunden, welche seit Sonnabend verschwunden waren. Es liegt Lustmord vor. Die Polizei ist dem Mörder auf der Spur.
Rom, 5. Febr, Gestern kam es im römischen Judenquartier zu Tumult,». Die abergläubische jüdische Menge zwang sämtliche reicheren Glaubensgenossen, ihre Geschäfte zu schließen, in dem Wahne, Gott hätte im Zornee das Feuer in die Synagoge geschickt, weil die Juden am Sabath ihre Geschäfte offen ließen. Gendarmerie und Militär stellten die Ordnung wieder her.
Antwerpen, 3. Febr. Der hier gestorbene Elektrotechniker v. Nysselberghe war der Erfinder des Fernsprechens auf große Entfernungen. Er stand erst im 46. Lebensjahre.
Christiania, 4. Febr. Der Stapellauf des für die Chicagoer Ausstellung erbauten Wickingerschiffes, der heute Nachmittag in San- dcfjcrd glücklich von statten ging, gestaltete sich zu einer glänzenden Feierlichkeit. Eine große Menschenmenge wohnte dem Schauspiele bei. Als Vertreter der Regierung war der kommandierende Admiral Koren anwesend.
Kopenhagen, 6. Febr. Die kleine Insel Anholt im Kattegat ist ganz vom Eise gesperrt. Die letzte Post ist am 28. Dezbr. eingegangen.
London, 7. Febr. Weitere Depeschen aus Sydney melden erschütternde Emzelh eiten von den Üeberschwemmungen im südlichen Queensland. In Bundcberg sind 100 Familien obdachlos. In Maryborough ist ein« Brücke eingestürzt, man glaubt, daß 30 Personen hiebei ertrunken sind; 100 Häuser wurden zerstört. Die Stadt Tiard ist überschwemmt.! Sehr ernst ist dir Lage in Bribane, wo zwei große Brücken durch die Fluten fortgerissen wurden; in der Hauptstraße des südlichen Stadtviertels steht 20 Fuß hohes Wasser.
Petersburg, 5. Febr. Der Emir von Buchara bat Rußland um die Anerkennung seines Sohnes als Thronfolger; der Prinz soll in Petersburg erzogen werden. Wie verlautet, wäre die Anerkennung bereits erfolgt.
— Die Zerstörung auf der Insel Zante, welche durch das Erdbeben hervorgerufen ist, ist eine vollständige und übergroß ist die Zahl der Obdachlosen. Fortwährend treffen aus Athen Zelte, Brodvorräte rc. rin. England sandte von Malta aus ein Kriegsschiff mit 1000 Zelten. Es soll ein öffentlicher Aufruf um Beiträge zur Linderung der Not erlassen werden.
Barcelona, 6. Febr. Nach Schluß einer Versammlung der Studierenden zur Förderung der Erbauung einer protestantischen Kapelle in Madrid griff ein von einer Frau angeführter Haufen von Anarchisten die Polizei an und feuerte auf dieselbe. Zwei Polizisten wurden leicht verwundet. Die Gens- darmerie stellte die Ruhe her, 6 Personen wurden verhaftet.
New-Aork, 2. Febr. In Paris, einer Stadt in Texas, ist ein Neger, der ein weißes 4jähriges Mädchen getötet hatte, von der Menge ergriffen und am Hellen lichten Tage, um 1 Uhr mittags, am Pfahle verbrannt worden.
Washington, 6. Febr. Der Staatssekretär des Auswärtigen erhielt rin vom 18. Januar datiertes Telegramm des Ministerpräsidenten der Unionstaaten in Hawaii, wonach sämtliche diplomatischen Vertreter der auswärtigen Mächte die neue Regierung in Hawaii anerkannten.
Unkrhaltkn-ks.
Unschuldig!
Eine Waidmanns-Erzählungvon H. Rosiulsky.
(Fortsetzung)
„Am Ende haben wir es nur mit einem zufälligen Unglücksfall zu thun," meinte ernst ver Ortsvorsteher. „Der Knecht kann in der Scheune geraucht haben, oder die Magd ist vielleicht mit dem Licht unvorsichtig umgegangen. Es passirt so etwas auf dem Lande ja so häufig. Nachher gestehts Niemand ein, und womöglich kommt ein Unschuldiger in Verdacht."
Firnburg antwortete auf diese Auslegung gar nicht. „Was mag denn dort in dem kleinen Häuschen sich befinden?" sragte er plötzlich und schritt auf ein wiuziges Gebäude zu, bas unmittelbar an die Feuerstätte grenzte und nur in Folge der günstigen Windrichtung und des Eingreifens der Löschmannschaften stehen geblieben war.
„Soviel ich weiß, sind Eggen und Pflüge in der HütteI" gab der Ortsvorsteher Auskunft. „Zu anderen Zwecken wäre der Raum auch gar nicht zu verwenden."
„Ich will mal hinein sehenl" sagte der Agent und klinkte die Thür auf.
^ Drinnen lag eine Menge Gerümpel. „Die reine Mnsterkartel" meinte der Revi- dirende und trat zurück. „Doch Haiti . . . Was liegt denn dort in jener Ecke?" fragte er, machte Kehrt und wand sich mühsam zwischen den Ackergeräten hindurch. „Jst's dennmöglich?" rief Firnburg plötzlich. „Kommen Sie bloß mit herein, Herr Vorsteher!" wandte er den Kopf. „Hier sind offenbar Spuren einer Brandstiftung."
Auch der Ortsvorsteher brach sich durch den Wirrwarr Bahn. „Also wirklich?" schüttelte der alte Mann das Haupt. „Das hätte ich nicht gedacht."
Am Boden befand sich, sorgfältig kreuz- uud quergelegt ein Häufchen fei» zerschlitzten Holzes, das angebranut, aber durch irgend einen Zufall wieder ausgelöscht war. Ebenso steckte unter den Spähnen ein Stück zur Hälfte verkohlten Papieres.
„Vielleicht giebt das nähere Auskunft I" Der Agent zog das Blatt hervor. Auch der Dorfbeamte warf einen forschenden Blick auf den Fund. „Es ist beschrieben," sprach der Erste«. „Sehen Sie nur, die Adresse blieb unversehrt. „„Lieber Wilhelm!"" lautet ldie Anrede. Hier ist auch die Unterschrift:, „„Deine Emilie Perlitz.""
„Unglaublich! Unglaublich!" rief das Dorfoberbaupt, die Hände znsammenschlagend. „Es ist ein alter Liebesbrief, den Sie da gefunden haben," sprach er bedeutsam. „Der Förster heißt Wilhelm Grashof, und jene Emilie Perlitz ist seine ehemalige Braut, die jetzige Hausfrau."
„Sehen Sie," blinzelte der Versicherungs- beamte mit den Augen. „Blind trauen darf man heutzutage keinem Menschen mehr. Sie hielten den Grünrock bisher für einen Biedermann. Jetzt sehen Sie, was er ist: ein ganz unverschämter Brandstifter, der es Nicht einmal der Mübe wert hielt, die Spuren seiner frevelhafte» That zu beseitigen."
„Da sollte man wirklich allen Glaube» an die Menschheit verlieren!" gab der Alte zurück.
Firnburg faltete das Brieffragenent behutsam zusammen und legte es in seine Brieftasche; die angebrannten Holzstäbchen aber wickelte er in sein Taschentuch und trat dann mit seinem Begleiter wieder in den Hof.
„Wir wollen den Kuhstall dort drüben auch noch inspiciren," sprach der welterfahrene Fremde in bittendem Tone. „Dann will ich Sie nicht mehr beiästigen, Herr Vorsteher!"
Das Erstaunen der beiden Männer erreichte aber jetzt den höchsten Punkt, als sie in einem Winkel des Stalles genau denselben Fund machten, wie eben vorher.
„Es wird immer bester," bemerkte der Agent, ein paar der ebenfalls angebrannten Hoizstücke aufhebend. „Sehe» Sie, hier hat die übermäßige Nässe das Feuer erstickt.«
„Wollen Sie dem Förster nicht Mitteilung von Ihrer Entdeckung machen?" sragte der Ortsvorsteher und zog auch hier ein Stück Papier unter dem Holzhäufchen hervor.
„Dazu fühle ich mich nicht veranlaßt," sagte der Mann entschieden. „Es ist meine Pflicht, die Sache sofort zur Anzeige zn bringen. Was steht denn auf diesem Zettel?" fügte er im Fraget»» hinzu.
„Lesen Sie nur selber!" entgegnete der Dorfbeamte in fast kummervollem Tone.
„Firnburg hielt den halbverbrannten Zettel näher unter die Augen. „Der Brief war an Grashof gerichtet," erklärte ,r gleich darauf. „Soviel ich daraus ersehe, verlangt ein Händler die noch niche bezahlten Möbel zurück."
„Allem Anscheine nach haben die Ställe auch ein Raub der Flammen werden sollen!" bemerkte der Schulze, „und womöglich auch das Vieh. Das hätte ja eine entsetzliche Katastrophe gegeben."
„Die Tiere sind ebenfalls gut versichert," sagte der Agent. „Sie wurden noch zur
Zeit der teuren Preise taxirt.Ucbrigens
werde ich Sie bei der Denunciation gleich als Zeuge nennen."
»Ich beginge ja ein Unrecht, wollte ich diese offenbaren Beweise für die Schuld des Försters unterdrücken!" fiel der alte Mann ei». „Ich erwarte sogar, daß Sie mich als Zeugen angebcn."
Eine Viertelstunde später jagte ein Einspänner aus dem Dorfe der Stadt zu. Im Fond saß der Agent, der sich direkt znm Hause des Staatsanwalts fahren ließ.
Noch am selben Abend wurde Grashof durch zwei Executlvbeamte wegen dringenden Verdachts der vorsätzlichen Brandstiftnug verhaftet.
Vergeblich hatte der Wachmann hoch und fest seine Unschuld beteuert. Die Beamten beriefen sich einfach auf d-n erhaltenen , Befehl und baten nur, sie nicht zur Anwendung von Gewalt zu nötigen.