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Münster, der deutsche Botschafter, blieb bisher von solchen Verdächtigungen verschont. Die Großmächte sind über jene Anschuldigungen sehr erbittert, am meiste» Oesterreich und Italien, weil sich der französische Minister des Auswärtigen nicht einmal bemüßigt sah, bei dem Grafen Hoyos und dem General Menabrea um Entschuldigung zu bitten. Sämtliche Großmächte erwägen gegenwärtig die Frage, ob sic nicht ihre Botschafter in Paris abberufen und durch einfache Gesandte ersetzen sollen.
In Italien ist nun auch ein Bankskandal ausgebrochen. Bei der Notenbank in Neapel haben der Direktor uund sein Hauptkasster Millionen gestohlen und sitzen in Haft; auch der Direktor der Notenbank in Rom, Tanlongo, ist wegen schwerer Unregelmäßigkeiten vorhaftet worden. Nun droht aber Letzterer mit compromittierenden Enthüllungen gegen hervorragende italienische Staatsmänner und Parlamentarier.
Die Engländer sind in großer Sorge wegen Egypten. Es gährt in der dortigen Bevölkerung und der Khedive, der scheinbar zwar die Forderungen der Engländer erfüllt hat, schürt die Gährung, weßhalb die englische Regierung rasch weitere Truppensendungen nach Egypten angeordnet hat.
Württemberg.
— Se. Kgl. Hoh. Herzog Albrecht von Württemberg und Gemahlin werden am 6. Februar in Stuttgart ankommen.
Stuttgart, 23. Jan. Das Komite zur Errichtung eines Denkmals für den verewigten König Karl, welches am Freitag unter dem Vorsitze des Prinzen Hermann zu Sachsen- Weimar zu einer Beratung zusammentrat, beschloß in Anbetracht, daß die Königin Olga ihrem Gemahl rasch im Tode nachgefolgt ist, für beide emgemeinsameS Erinnerungszeichen zu errichten. Die ersammelten Gelder betragen bis jetzt 22000 Mk., wozu noch ein Betrag vom Verein für Förderung der Kunst im Beitrag von 15—18 000 M. kommt. Als Standplatz für das Denkmal wurden die oberen königlichen Anlagen in Aussicht genommen, zu welchem Plan der König seine Zustimmung gegeben hat. Wie das Doppel-Denkmal zu gestalten sei, darüber ist noch nichts entschieden. Es soll an württembergische und in Württemberg wohnende Künstler und Architekten ein Ausschreiben mit der Bitte um Einsendung von Entwürfen erlassen iv erden.
Stuttgart, 23. Jan. Es hat Aufsehen erregt, daß der neue Stadtschuliheiß Rümelin es abgelehnt hat, bei dem Kaiserbankett den Vorsitz zu führen, wie dies sein Amtsvorgänger stets gcthan.
Stuttgart, 23. Jan. In dem ausführlichen Etat für Posten und Telegraphen ist für die nächste Etatsperiode die Errichtung eines Postgebäudes in Schramberg und in Tuttlingen vorgesehen; für das erstere sind 88,000, für das letztere 73,000 Mk. vorgesehen. Die Postämter waren in beiden Städten bisher in Mietlokalen untcrgebracht.
— Die Sammlung von Petitionen mit Unterschriften gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzes in Württemberg ergab, wie uns mitgeteilt wird, 1000 Petitionen mit 146,681 Unterschriften gegen 800 Petitionen mit 123 000 Unterschriften im Jahr 1890. Von 916 evangelischen Gemeinden sind 876 vertreten.
— Dem Vernehmen nach werden sämtliche 270 vierachsige Durchgangswagen der würt- tembecgischen Staatseisenbahn rekonstruiert werden; bis jetzt sind 9 umgebaut worden. In
den nächsten Jahren, ebenso wie in den so! genden, soll jedoch ein schnelleres Tempo eingeschlagen werden. Für die nächste Verwaltungsperiode ist oie Rekonstruktion von 30 solcher Wagen geplant.
Neuenbürg, 23. Jan. Bei der heutigen Wahl zur Handels- und Gewerbekammer Calw haben 25 Wahlberechtigte abgestimmt, und zwar im hiesigen Wahlbezirk 12, in Wildbad 13. Es wurden dir gedruckt ausgegebenen Stimmzettel sämtlich unverändert abgegeben, so daß also die HH. Commerell, Karl, Fabrikant in Höfen, Sannwald, Karl, Kommerzienrat in Nagolv, Zöppritz, Emil, Fabrikant in Calw, Frey, Karl, Holzhändler in Schwarzenberg, mit je 25 Stimmen gewählt sind.
Calw, 23. Jan. Bei der heute stattgehabten Wahl zur Handels- und Gewerbekammer gingen aus der Urne hervor: Sannwald, C. Commerzienrat in Nagold (34 St.) Commerell, Carl in Hosen (34 St.), Zöppritz, Emil in Calw (30 St.), Frey, Carl, in Schwarzenberg (29 St.).
Ulm, 22. Jan. Gestern ist hier vom Gouvernement angeordnet worden, daß die Wachtposten innerhalb der Hauptumwallung mit Ausnahme des Militärgefängnisses und des Arresthauscs ohne scharfe Patronen stehen. Noch am letzten Samstag hat hier ein Sergeant auf einen flüchtigen Militärarrrstanten mehrere Schüsse abgegeben, ohne zu treffen. Der Flüchtling hat sich sodann um Mitternacht am Augsburger Thor in Neu-Ulm der dortigen Wache wieder gestellt.
Rundschau.
Brötzingen, 25. Jan. Der große Garten beim hiesigen Rathaus ging dieser Tage an den Turn-Verein um den Preis von 4000 Mk. über. Der Verein beabsichtigt auf dem Platze später eine Turnhalle zu erbauen.
— Vor dem Schwurgericht in Karlsruhe stand der ledige Schlosfergefells Weyell von Oppenheim. Derselbe ist beschuldigt, daß er in der Nacht vom 8. auf 9. Juli 1892 auf der Straße >m Walde zwischen Malsch und Freiolsheim beim sogenannten Zollstock den 36 Jahre alten Landwirt Mathäus Schneider von Freiolsheim durch einen wuchtigen, von hinten geführten Schlag mit einer von der Kette umwundenen Wagenleuchse auf den Kopf versätzlich getötet und die Tödtung mit Uebee- legung ausgeführt habe, hierdurch zugleich aber auf öffentlicher Straße mit Gewalt gegen die Person des Genannten demselben einen ledernen Geldbeutel mit etwa 10 Mk. weggenommen haben. Zur Sitzung waren 32 Zeugen und zwei Sachverständige geladen. Der Präsident forderte Weyell auf, ein umfassendes Geständnis abzulegen. Bei seiner Lage erscheine dies geboten. Der Angeklagte erklärte, daß er nichts angeben könne als das, was er schon angegeben. Absichtlich habe er Schneider nicht töten wollen, sondern mit einem Schlag nur betäuben, um ihm dann das Geld nehmen zu können. Die heute vernommenen Zeugen äußern sich über das Zusammensein des Schneider mit dem Angeklagten und über das Benehmen des Letzteren in den beiden Wirthschaften, welches ihnen auffällig vorkam. Der Angeklagte habe Niemand ins Gesicht sehen können. Das Schwurgericht verurteilte den Angeklagten wegen Raubmords zum Tode.
. Mannheim, 24. Jan. Unter der Anklage des Raubmordes, verübt an dem 37 Jahre alten verheirateten Kunstmüller Gerson Herz von Billigheim, befindet sich heute die
Schwurgericht. Mitangeklagt sind ferner die verwitwete Margarete Schempp, b.ge Stortz, und der Landwirt Georg Groninger, beide von Langenau, wegen Mitwissenschaft resp. Beihilfe zu dem Morde. Der Thatdestand ist kurz folgender: Am Abend des 11. Oktbr. wurde auf der Straße zwischen Billigheini und Allfeld der Kunstmüller Herz ermordet aufgefunden. Der Körper des Ermordeten wies 10 lebensgefährliche Stiche aus. Zuerst glaubte man, die Mörder seien von der Frau Herz gedungen worden, und es fanden auch in dieser Beziehung Verhafiungen statt. Jedoch bald überzeugte man sich, baß man sich auf einer falschen Fährte befunden hatte und daß in Wirklichkeit ein Raubmord vorlag. Bald kam man auch den Mördern auf die Spur; es waren dies die Dienstmagd Marie Christine Schempp und deren Bruder, der 30 Jahre alte Fuhrmann Johann Schempp. Wie sich aus der Aussage der Zeugen ergibt, befand sich Schempp in äußerst gedrückten Vermögens- Verhältnissen. Er wurde von seinen zahlreichen Gläubigern auf bas Härteste bedrängt. Nun überredete ihn seine Schwester, die Dienstmagd Schempp, mit ihr nach Billigheim zu ahrcn und in die Wohnung des Herz ein- zudriugen und die vort vorhandenen Barmittel ,u rauben. Da die Schempp früher in Diensten des Herz stand, war sie mit der Oertlichkeit vertraut. Dieser Einbruchsversuch mißlang jedoch. Hierauf beschloß das Geschwisterpaar, den Herz, wenn er sich abends von seiner Mühle nach Hause begebe, zu überfallen und zu berauben. Um sich unkenntlich zu machen, hatte die Schempp Bauernkleidcr angelegt, welche ihr von ihrer Schwägerin, der Mitangeklagten verwitweten Schempp, besorgt worden waren. Am Abend des 11. Oktober überfiel denn auch das Geschwisterpaar Schempp den nichts ahnenden Herz, versetzte ihm mehrere lebensgefährliche Stiche und beraubte ihn seines 47 Mk. betragenden Geldes. Sofort nach der That flohen die Mörder. Die Schempp wurde aber bereits am Abend des 13. Ost. verhaftet, während sich der Johann Schempp nach Langenau flüchtete. Dort bat er den Mitangeklagten Georg Groninger um Aufnahme in seinem Hause. Dieser gewährte die Bitte und beherbergte den Schempp vom 14. bis 18. Okt. Am Morgen des 18. Okt. verließ Schempp seinen Zufluchtsort und begab sich nach einem bei Langenau gelegenen Wäldchen, wo er seinem Leben durch Erhängen ein Ende machte. Die Dienstmagd Schempp wurde in der heutigen Verhandlung zu 12 Jahren Zuchthaus und die Witwe Schempp zu 1*/ü Jahren Gefängnis verurteilt. Gro- ninger wurde freigesprochen.
Berlin, 25. Jan. Der Großfürst- Thronfolger ist gestern abend 9^ Uhr hier eingetroffen, empfangen vom Kaiser, den Prinzen Heinrich und Leopold, dem Ecbgroß- herzog von Old-nburg, dem Herzog von Edin» bürg, sowie allen preußischen und den meisten fremden Fürstlichkeiten. Als der Zug anhielt, salutierte die Ehrenwache unter den Klängen der russischen Nationalhymne. Der Kaiser und der Großfürst küßten sich wiederholt, varauf erfolgte die Begrüßung der Prinzen und Abschreiten der Front der Ehrenwache. Vom Bahnhof fuhren der Kaiser und der Großfürst trotz des Regens in offener Gala- equipage zur russischen Botschaft, auf dem ganzen Wege vom dichtgedrängten Publikum aufs lebhafteste begrüßt Der Kaiser geleitete den Großfürsten in das Botschafterpalais.
Berlin, 25. Jan. Heute Nachmittag 5 ' ' ' .... —
21 Jahre alte, ledige Dienstmagd Mariei halb 5 Uhr fand die kirchliche Trauung der Christine Schempp von Langenau vor dem Prinzessin Margarethe mit dem Prinzen von