22

das Reich die Initiative ergreifen. Der Noth- stand sei international. Auch der Mittelstand leide. Staatssekretär v. Bötticher, Freiherr v. Stumm und Minister v. Berlepsch traten Liebknecht in längerer Ausführung entgegen. Die Berathung gelangte nicht zum Abschluß.

Berlin, 10. Jan. Redakteur Mayer von derKrcuzzeitung" wurde heute früh auf dem Wegs seiner Wohnung nach der Re­daktion von dem ihm feindlich gesinnten Journalisten Dr. Bcrendt mit einem Revolver überfallen. Berendt feierte auf Mayer sechs Schüsse ab, welche sämtlich trafen. Der An­gefallene ist leicht verletzt. Berendt wurde wegen Mordversuch verhaftet.

Berlin, 14. Jan. Der Reichstagsab­geordnete Dekan Göser, Stadtpfarrer in Saul­gau, ist an Influenza und Lungenentzündung bedenklich erkrankt und wurde in das Kranken­haus der grauen Schwestern verbracht.

Dortmund, 13. Jan. Der Streikführer Schönwald wurde gestern verhaftet. In Schalke übersielen gestern abend mehrere 100 Bergleute die Beamten, Steiger und Betriebsführer. Schnell herbeigerufene Beamte, sowie berittene Schutzleute und Gendarmen schlugen die Wütenden zurück; mehrere wurden verwundet.

Breslau, 11. Jan. Die ganze Beleg­schaft der ZecheDeutschland" ist heute ange­fahren. DerBreslamr Zeitung" zufolge ist der Streik als beendet anzusehen.

Thorn, 12. Jan. Die Landstraßen West- und Ostpreußens sind infolge von Schneestürmrn unpassierbar. Der Bahnverkehr stockt.

Mühlhausen, 12. Jan. Der Zoll­assistent erster Klasse, Seevauer, und der Steuer- aufsehcr Bertschinger wurden heute früh beim Ueberschreiten des zweiten Bahngeleises auf dem hiesigen Bahnhof durch den heranbrausen­den Schnellzug überfahren. Seebauer starb sofort, Bertschinger wurde schwer verletzt.

Radolfzell, 12. Jan. Dieser Tage goß die Ehefrau des Fabrikarbeiters Schoch in der Küche heißes Wasser in einer Kübel. Kaum war der Kübel gefüllt, als ihr 2fle Jahre altes Knäblein hineinfiel und stark ver­brühte. Das bedaucrnswerthe Kind ist ge­storben.

Bern, 10. Jan. In der Bundesstadt an­geschlagene Plakate, die vom Handwerker- und Gewerbeverein ausgehen, fordern die Bevölker­ung auf, keine französischen Waren mehr zu kaufen, die französischen Geschäftsreisenden nicht mehr zu empfangen und die Beziehungen mit denjenigen schweizer Handelsleuten abzu­brechen, die fernerhin französische Erzeugnisse zum Kauf anbieten sollten.

Wien, 13. Jan. DasWiener Tag­blatt" behauptet, im November v. I. hätten zwischen Rußland und Frankreich Verhand­lungen wegen Abschlusses einer Militärkonvention auf folgender Grundlage stattgefunden: Falls Rußland und Frankreich von Deutschland allein oder von Deutschland und einer andern Macht angegriffen wird, verpflichtet sich der unmittel­bar nicht angegriffene Teil, binnen 6 Wochen 600 000 Mann aufzustellen. Binnen ferneren 3 Wochen sind weitere 600 000 Mann von dein ursprünglich nicht angegriffenen Teile in's Feld zu führen. Rußland und Frankreich ver­pflichten sich, nicht einer ohne den andern Frie­den zu schließen. Das Tagblatt fügt hinzu, ob die Militärkonvention förmlich unterzeichnet und besiegelt, oder ob blos ein Protokoll auf­gesetzt worden ist, worin nicht von Vereinba­rungen, sondern nur von leitenden Gesichts­punkten die Rede ist, sei Geheimnis.

Stockholm, 10. Jan. Bei den hiesigen Wahlen zum Volksreichstag siegten sämtliche

von den Sozialisten ausgestellten Kandidaten mit 12 000 von 21000 abgegebenen Stim­men. Unter den Gewählten befindet sich eine Frau.

Belgrad, 12. Jan. Einer Nachricht aus Cettinje zufolge brach in 9 Gemeinden Montenegros eine Revolution aus; zwischen dem Volke und dem fürstlichen Militär fand ein blutiger Kampf statt, auf beiden Seiten gab es Tote und viele Verwundete. Das Militär stellte nach größter Anstrengung die Ruhe wieder her. Viele Popen und Bürger wurden verhaftet.

Madrid, 13. Jan. Die Regierung beschloß, ein Geschwader nach Tanger zu sen­den, mit dem Befehl, Truppen zu landen, falls englische Truppen an der Küste landen sollten.

San Franziska, 13. Jan. Dem Kurier du Japon" zufolge wurden in Osaka am 20. Dezember durch eine in einer Spin­nerei ausgebrochenen Feuersbrunst 250 Ge­bäude zerstört. 125 Personen seien umgekom-- men, meist in der Spinnerei beschäftigt gewe­sene Mädchen.

Newyork, 13. Jan. Der Sun wird über San Franzisko aus Kanton <China) ge­meldet, daß Anfang Dez. eine Räuberbande das Dorf Kali im Gebiete von Schinh'.ng überfallen, den Priestern mehrere tausend Taels erpreßt und dann einen großen Schuppen vor dem Tempel, wo die Bevölkerung ein Fest feierte, angezündet habe. In der Feuersbrunst seien 1400 Personen umgekommen; im Ganzen habe es bei dem Ueberfalle 1940 Tote und Ver­mißte gegeben.

Unterhaltender.

Unschuldig!

Eine Waidmanns-Erzählung von Hermann Robolsky.

(Fortsetzung)

Der alte ungerechtfertigte Verdacht!" gab der Schlaue zurück.Ich kann doch nicht mit meiner kurzen Pfeife schießen, und eine Flinte Hab' ich wie Sie ja sehen nicht."

Der Manu that so harmlos und un­schuldig, daß Grashof in seinem Mißtrauen etwas schwankend wurde.Na, geben Sie mir mal ein wenig Feuert" sprach der Förster wieder barsch.Warten Sie, ich will her- überkommen!" fuhr er fort und zwängte sich durch das Gatter. Freilich ist dies hier mein Revier nicht. Ich schlage aber sofort den Pfad nach dem Dorfe ein!"

Scharf musterte ein schneller Blick des Försters das Terrain. Auf weichem Moos­boden stand ein offener Handkoffer, der leer zu sein schien. Unser» davon ließen sich die Röhren mehrerer Kaninchenbaue unter­scheiden.

Fangen Sie denn die Kaninchen auch des NachtsI" fragte Grashof und legte ein Stück glimmenden Schwammes auf den ta- backgefüllten Pfeifenkopf.

Nicht docb," entgegnete der Nachtvogel. Ich war gestern Nachmittag hier thätig. Wahrscheinlich hat mein Frettchen ein Ka- ninchen im Bau gepackt und sich in dem frischen Schweiß berauscht, denn es kam nicht wieder zum Vorschein. Damit mir mein vierläufiger Gehülfe aber nicht verloren geht, stehe ich Posten bis der Durchgänger wieder zum Vorschein kommt."

Trotz dieser sehr wahrscheinlich klingenden Geschichte erwachte des Försters Verdacht

von Neuem. Grashof bückte sich nach einer der Röhren nieder und griff plötzlich auf das Geratewohl hinein. Seine Hand erfaßte wirklich einen harten Gegenstand, den er schnell hervorzog.

Ein nettes Frettchen!" rief er voller Erstaunen, als aus der Erde Schoos eine kurze Flinte zum Vorschein kam. Doch mehr zu sprechen vermochte der eifrige Beamte nicht. Zwei derbe Fäuste hatten plötzlich von hinten sein Genick gepackt und ihn, bevor eine Abwehr möglich war, zu Boden gerissen.

Vermaledeiter Schnüffler!" brüllte der entlarvte Wilddieb und versuchte den Hals des Unterliegenden zu umkralle».Wenn Du mir nicht schwörst, über Alles, was hier vorgiug, das tiefste Stillschweigen zu be­obachten, so erwürge ich Dich!"

Der überrumpelte Waidmann antwortete gar nicht, sondern stemmte beide Arme fest auf den Boden, um nur nicht platt auf das Gesicht zu stürzen. Alle Versuche wieder hoch zu kommen, wußte Breitschild mit Nach­druck zu vereiteln.

Grashof war seinem Gegner vollständig an Körperkraft ebenbürtig; doch befand er sich jetzt diesem gegenüber entschieden tm Nachteil.Laß mich los infamer Strauch­dieb!" knirschte er.Einen ehrlichen Kampf scheue ich nicht, aber mich meuchlings zu überfallen, das ist erbärmlich und feig zugleich!"

Das nennt maubei der Ambition fassen""!" lachte Breitschild roh.Nein Verehrtester Herr Förster, auf den Leim ge­hen wir nicht! Wenn ich Sie jetzt losließe, könnte ich vielleicht zu liegen kommen, und das Wäre mir sehr unangenehm. Aber den Sieger ziert die Großmut. Ich bin zu Unterhandlungen geneigt. Wollen Sie mir Ihr Wort geben, über unsere Zusammenkunft ein für alle Mal gegen Jedermann zn schweigen, dann sollen Sie sofort frei sein. Natürlich nehme ich meine Flinte mit nach Hause, ebenso die zwei Fasanen, die noch im Bau der Be­freiung harren."

Unverschämter!" ächzte der sich unter den Fäusten seines Feindes windende Beamte.

Ja, so unvernünftig seid Ihr nun!" höhnte der Wilddieb von Neuem.Wir armen Teufel sollen fortwährend Ziegen­oder Kaninchenfleisch essen, Ihr dagegen schmaust Hühner-, Hasen- oder Fasanenbraten. Das kann nicht so weitergehen. Alle Menschen haben seit Erschaffung Adams und Evas gleiche Rechte, und da man uns Armen diese freiwillig nicht gewährt, so nehmen wir sie uns. Es kommt doch noch mal die Zeit, in der jeder Standes- und Besitzunierschied aufhört und der ganze Staat nur eine Familie bildet."

Dergleichen communistjsche Ideen ent­wickelte der Arbeisscheue noch mehr. Gras­hof hörte kaum darauf. Schwer keuchte er unter der Last des auf ihm knieenden Menschen. Laß mich los!" hatte er verschiedene Male gerufen. Doch ein höhnisches Lachen erscholl als Antwort. Da durchzuckte den Gemarterten ein kühner Gedanke, der vielleicht zu seiner Befreiung führen konnte. Ungesehen setzte er den linken Arm stemmend unter die Brust, ergriff dann die am Boden liegende Flinte mit der Rechten und stieß mit dem Lauf auf das Geratewohl hinter sich über seinen Kopf. Der Stoß traf den unvorbereiteten Wilddieb mitten in das Gesicht. Wie ein wildes Tier brüllte der schwer Verletzte auf. Bevor der Förster aber den Anfall wiederholen konnte, fiel sein Gegner röchelnd auf das Moos nieder.

Jetzt ist's an mir, Capitulationsbeding-