Tübingen, 8. Okt. (Strafkammer.) Heute wurde in Sachen des Diebstahls des Zinnsargs des Frhrn. von Ungnad aus der hiesigen Stiftskirche gegen die Maurer Reutter und Kreß von Lustnau wegen gemeinschaftlich verübter Grabschändung und eines damit zusammenhängenden gemeinschaftlich verübten Diebstahls, ferner gegen Maurer Hirn von Lustnau und Flaschner Müller von hier wegen Hehlerei verhandelt. Die Anklage führte Staatsanwalt Dr. Schanz, die Verteidigung R.A. Dr. Lammfromm. Die beiden ersten Angeklagten wurden zu je 8 Monaten, Flaschner Müller zu 2 Monaten und Hirn zu 3 Wochen Gefängnis verurteilt. Flaschner Müller hatte für das Zinn von einem Stuttgarter Händler 147 Mk. erlöst, während er den Arbeitern 48 Mk. bezahlte.
T«ttki«ge», 9. Okt. Die Kassenrevision der Stadtpflege Tuttlingen ist nunmehr abgeschloffen. Hienach berechnet sich der dem verstorbenen Stadtpfleger Storz zur Last fallende, während seiner Dienstzeit durch Unterschlagungen und Fälschungen entstandene Abmangel auf 60194 Mk. 17 Pf. Die von den Schuldnern bestrittenen Ausstände betragen 1992 Mk. 74 Pfg- Die Schuldner behaupten die Zahlung geleistet, aber hiefür keine Quittung erhallen zu haben Ob die Posten nachträglich eingezogcn oder in Abgang verrechnet werden, ist noch besonderer Beschlußfassung der bürgerlichen Kollegien und der Aufsichtsbehörde Vorbehalten. Die Untersuchungsakten sind nun der K. Kreisregierung vorgrlegt, deren Entschließung in kurzer Zeit zu erwarten steht.
Nu « - schau
Keidekberg, 7. Okt. Eine große Menge Festteilnehmcr hatte sich zur vorgestrigen Jahresversammlung des evangel. Bundes cinge- funden. Die Festpredigt des Stadtpfarrcrs Oehler-Pforzheim erörterte die Bedingungen eines siegreichen Kampfes für den Bund, die da seien: Erkenntnis des Feindes, Beachtung des richtigen Siegesprcises und der rechten Waffen. Der Feind seien: JesuitismuS und Romanismus, Gleichgültigkeit und Verzagtheit auf der eigenen Seite, der Preis : Wahrheit, Freiheit, Recht, die Waffen : Wahrhaftigkeit, Freimut, Treue. — Der nachfolgende Vortrag des Herrn Pfarrer Jssel-Eichstätten hatte zum Gegenstand: „Römische Hoffnungen und protestantische Aufgaben. Dort sei das Ziel: die Romanisierung Deutschlands, verfolgt von einem trefflich organisierten Klerus, von einer Masse romgläubiger Kämpfer. Man kenne die Schwäche auf der protestantischen Seite und nütze sie aus. Auf dieser müsse man vom Feinde lernen und eine falsche Duldsamkeit aufgeben. Der Jahresbericht wurde von Herrn Ministerialrat von Seybel erstattet. Danach zählt der Verein 8700 Mitglieder.
Aegensöurg, 8. Okt. Wegen Mords wurde gestern die 21jährige ledige Dienstmagd Maria Rosa Egelhofer von Roth O.A. Leut- kirch zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Anklage ging dahin, die Egelhofer habe am Mittwoch, den 24. Juni zu Frievrichshafen im Gasthaus zum Kreuz ihr Kind vorsätzlich getötet und diese Tötung mit Ueberlegung ausgeführt, indem sie in bedachter Verfolgung des Zwecks, das ihr überlästig gewordene Kind aus der Welt zu schaffen, es insgeheim mit ihrem Taschentuch erdrosselte.
Derlia, 9. Okt. Das Militärwochenblatt widmet dem König Karl von Württem« le.g folgenden Nachruf: Das deutsche Volk
und im besonderen das Land Württemberg betrauert i» dem Verstorbenen einen Fürsten, gleich ausgezeichnet durch edle Regcntentugenden und Herzenseigenschaften wie durch tiefes Verständnis für Kunst und Wissenschaft, in väterlicher Fürsorge überall auf Wohlthun und Frieden bedacht. Unter seiner von echt deutscher Gesinnung getragenen Herrschaft ist Württemberg ein wertvoller Evelstcin des neu erstandenen deutschen Reiches geworden, welches das württ. Heer in treuer Waffengenossenschaft an der Seite seiner deutschen Brüder unter schweren Kämpfen mitgeholfen hat, zu errichten. Möge »er Segen, den die treue Regierung eines von seinem Volke innig geliebten Herrschers hinterläßt, auch ferner auf dem Lande Württemberg ruhen!
In Warschau soll das Trinkgeld abgeschafft werden. Die Einnahmen des Dienstpersonals in Hotels, Restaurants u. s. w. bestehen fast ausschließlich aus den Trinkgeldern der Gäste, in vielen Fällen erhalten davon noch die Inhaber der Geschäfte einen Anteil. Es soll nun durch Regulativ die Annahme und Verabreichung solcher „Bargelder" verboten werden. Die Wirte sind angehalten ihrem Personal eine nachweisbare Löhnung zu zahlen, für die Bedienung kann jedoch den Gästen ein entsprechender Betrag angerechnet werden.
<Lokcrkes.
WildVad, 11. Oktober. Das Anwesen des -s Kaufmann Schobert von hier wurde bei dem gestrigen zweiten Verkauf von den Herren Ehr. Hammer, Geometer, und Gustav Hammer, Kausmann von hier, um den Preis von 36 200 Mark käuflich erworben. Das vorhandene Warenlager wird der Letztere ebenfalls übernehmen.
Den Manen König Karl I.
Auf Halbmast ist gesenket,
Die Flagg- Schwarz und Rot,
Durch's Land dringt jäh die Kunde: Der König, er ist tot.
Es bleibt kein Auge trocken Im Württemberger Land,
Der Tod, er hat zerrissen,
Was Fürst und Volk verband.
Er war kein Fürst des Prunkes Er liebt' nicht Waffenspier,
Dem Volke war er König,
Sein Wohl, das war sein Ziel.
Drum fester als ein Denkmal Von Marmor oder Erz Steht König Karl, des Milden Verdienst, im Volkesherz.
Nun ruhe sanft, du Edler In deiner Väter Hort:
„Furchtlos und treu" zu König Bleibt Schwabens Losungswort! L. öl.
Tnierhaltendes.
Entdeckt.
Kriminalerzählung von G. Strudsr.
(Fortsetzung.)
Trotz der Einfachheit dieses Anzuges hatte die Erscheinung des ca. 50jährigen Mannes unverkennbar etwas vornehmes, Aristokratisches an sich. Die Gestalt war ziemlich groß, magerund hielt sich kerzengerade, aus dem glattrasirten, lederfarbenen Gesicht schau
ten ein Paar hellblauer Augen wohlwollend, man hätte fast sagen können, weichherzig in die Welt. Der Begleiter des Herrn stand einen Schritt abseits von diesem; er war ganz in dunkelblau gekleidet, der auf einem wahien Stiernacke» sitzende Kopf mit den kurzgeschnittenen, borstenähnlichen Haaren und dem martialischen Schnurrbart zeigte trotzdem einen Ausdruck von Gutmütigkeit, der mit der imposanten Natur des Mannes seltsam kautrastirte. Es war ein schöner Mann, der etwa 30jährige Herkules, der jedoch wohl kaum bei einem andern als einer Riesenjungfrau Liebe hätte erwecken können.
Nachdem der Graue eiuige Worte mit dem Wirte gewechselt, trat er mit sicherem Anstande auf den Bürgermeister zu.
„Wie unser Gastwirt mir mitteilte', sprach er mit wohlklingender Stimme, „habe ich die Ehre den Herrn Bürgermeister dieser Stadt vor nur zn sehen. Da ich die Absicht hege, in dieser Gegend mich anznfiedeln, so gestatten mir die Hericn vielleicht, baß ich als zukünftiger Nachbar mich ihnen vorstelle. Mein Name ist Baron von Reifenbcrg."
Der Herr Bürgermeister erhob sich von seinem Stuhle und bat den Herrn Baron, nachdem er ihm die übrigen Tafelmitglieder vorgestellt, in liebenswüidigster Weise an ch>em Tische Platz zu nehmen, welcher Einladung derselbe mit größtem Vergnügen, wie er sagte, »achkam.
„Lassen Sie sich eine Flasche Wein geben, Heinrich", wandte er sich sodann a» seinen Begleiter, der sich auf diesen Befehl hin, an einem Tisch in einiger Entfernung von seinem Herrn niederließ und die übrige Zeit, mit Weintrinken und Rauchen beschäftigte, gleichmütig die Gäste betrachtete.
„Sie sind wohl soeben mit dem Zuge angekomme», Herr Baron?" frug der Bürgermeister, um die Unterhaltung einznlciten.
„Ja, ich komme ganz aus dem Norden. Das dortige Klima ist meiner Gesundheit nicht zuträglich, so daß mir die Aerzte rieten, in dieser gesunden und milden Gegend meinen Aufenthalt zu nehme». Ich bin nun entschlossen, hier ein kleines Ländchen nebst den nötigen Gebäulichkeiten mir zu kaufen. Gelegenheit zu solchen Ankäufen soll ja hier vorhanden sein, wie ich mir sagen ließ."
„Gaz gewiß", antwortete der ersterere und „wenn nicht in K. selbst, so sind doch im Bezirke meiner Bürgermeisterei Villen genug zu haben. Falls ich Ihnen hierbei durch meine Erfahrungen und Platzkenntniffe etwa behüiflich sein kann, Herr Baron, bitte ich dringend, mich in keiner Weise zu schonen."
Der Angeredete verbeugte sich artig. „Ich bin Ihnen sehr verbunden, Herr Bürgermeister und werde mir vielleicht schon sehr bald erlauben, Ihre Güte in Anspruch zu nehmen. Morgen früh bereits gedenke ich mich mit meinem Diener auf die Suche zu begeben."
„Ein stattlicher Bursche, den Sie da bei sich haben, Herr Baron," bamerkte hier der Doktor. „Ich wäre übrigens ängstlich, mit einem so außerordentlich überlegenen Menschen überallhin zu reisen, gegen dessen Gewaltthätigkeiten, wenn er solche einmal sich einfallen ließe, man ja völlig widerstands- unfähig wäre."
Der Baron lächelte: „Als alter Soldat kenne ich keine Furcht," meinte er, „weshalb sollte :'der Man» außerdem Gcwaltthätig- keiten gegen mich unternehmen wollen, da das einzige, was ihn hierzu verleiten könnte, baares Geld nämlich, von mir nur im allernotwendigsten Betrage mitgeführt zu werden