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Nrcr. 121.
Dienstag, 13. Oktober- 1891
27. latingang.
Württemberg.
Stuttgarts Okt. (Beisctzungsfeier.) Schon seit 6 Uhr früh hatte heute eine riesige Menschenmenge den ganzen Schloßplatz besetzt. Es mögen hier über 100 000 Menschen zusammengedrängt gestanden haben. Bei der' Trauerseier im Marmorsaal standen der Kaiser, die Königin, der König und Prinzeß Friedrich und einige andere Prinzessinnen in erster Reihe / dann der Großherzog von Baden, Erzherzog Friedrich, Prinz Ludwig von Bayern, Prinz Heinrich, Großfürst Michael, Herzog Philipp mit Familie und die württcmbergischen Prinzen. Die Damen waren in schwarzen Crepeschleiein erschienen. Prälat Schneid betonte, daß die treue Liebe, die König Karl uns erwiesen, ihm Nachfolgen werde. Als der Sarg ans den Leichenwagen gehoben ward, intonierte die Kapelle der im Schloßhof ausgestellten Kompagnie des Leibregiments einen Choral. Die Stuttgarter Studtgarde ritt dem Zuge voraus, vor dem Leichenwagen schritten Offiziere mit Krone, Szepter und Orden auf Kissen. Direkt hinter dem Sarg schritte» der ^ Kaiser und König Wilhelm, dann Großfürst Michael, Herzog von Lcuchtenberg, Erzherzog Friedrich, Prinz Heinrich von Preußen, Großhcrzog und Erbgroßherzog von Baden, Prinz Ludwig von Bayern, die Herzöge Philipp und Nikolaus von Württemberg, der Fürst von Teck, die Prinzen von Woldeck und Lippe und die anderen württembcrgischen Prinzen, dann die Generalität, die Minister, der Ständische Ausschuß, die Kammerherren, Offiziere, Deputationen aller Art und die Geistlichkeit. Die Zipfel des Leichentuches hielten 4 Generale. Die Menge ließ entblößten Hauptes den imposanten Zug an sich vorüberziehen. Alle Glocken läuteten. Militär bildete Spalier. Während der Sarg in die Schloßkapelle getragen wurde, ertönte Orgelspiel und als nach der Rede des Hofpredigers Schmid der Sarg in die Gruft gesenkt war, und sich alle Höchsten Herrschaften hinunterbe- gabtn, um der Einsegnung beizuwohncn, donnerten die Kanonen und der Singchor sang einen Choral. — Der Kaiser speiste mittags beim Königspaar. Abends ist große Hostafcl. Vor der Trauerfeier machte der Kaiser der Königinwitwe einen Besuch.
Stuttgart, 9. Okt. Die Vereidigung der Truppen hiesiger Garnison auf König Wilhelm II. fand heute (Donnerstag) vormittags IlVr Uhr im Hofe der Jnfanterie- kaserne I statt. Die 3 Regimenter hatten sich zu einem Viereck formiert. In der Mitte dieses Vierecks war ein Podium ausgestellt, auf welchem der I. evangelische Garmsons-/
geistliche, Prälat Dr v. Müller (der 2. Garnisonsgeistliche Professor Straub war auch zugegen) eine Ansprache hielt und der katholische Garnisonsgeistliche Kirchenrat Zimmerte, zum Schluß das Gebet sprach. Den Eid nahm der Kommandant von Stuttgart, Generallieutenant von Gleich, ab.
Stuttgart, 10. Okt. Ihre Majestät die Königin-Witwe empfing am Abend des 8. sofort nach Allerhöchst dessen Ankunft den Besuch Sr. Mas. des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen. — Gestern nach den Beisetzungs- seierlichkeiten erschien I. M. die Königinwitwe am Arme HöchstJhres Bruders Sr. K. H. des Großf. Michael von Rußland in der Gruft des alten Schlosses und verweilte am Sarge des verewigten Königs. — Um 4 Uhr gestern Nachmittag empfing Ihre Majestät den Besuch Sr. Mas. des Kaisers, darauf die auswärtigen Mitglieder der Königliche» Familie und die fremden Fürsten, sowie den Vertreter Ihrer Mas. der Königin von England, Sr. König!. Hoh. des Prinzregenten von Braunschweig und Ihrer König!. Hoh. der Herzogin Maximilian von Württemberg. Abends nach der Tafel im Residenzschlosse um 9 Uhr erschienen Se. Maj. der Kaiser und II. MM. der König und die Königin und verbrachten die Zeit bis zur Abfahrt Sr. Maj. des Kaisers bei I M. der Königin-Witwe.
— 10. Oktober. Die gestern Abend erfolgte Verabschiedung des Kaisers vom König trug wieder den Charakter größter Herzlichkeit und wärmster Freundschaft.
— Infolge Allerhöchster Entschließung ist auf das Ableben Seiner Majestät des Königs Karl die Abhaltung eines Trauergottesdienstcs in den evangelischen Kirchen des Landes am Sonntag den 18. Okt. angeordnet worden.
— Se. Majestät der König kündigte eine umfassende Amnestie an, bei welcher namentlich die Angehörigen der ärmeren Polksklasse, welche sich unter dem Druck der Not weniger bedeutender Verfehlungen schuldig gemacht haben, berücksichtigt werden sollen.
— Ihre Majestät die Königin Charlotte feierte am 10. Okt. das Fest der Vollendung ihres 27. Lebensjahrs. In ernste Zeiten fällt dieses erste Geburtsfcst Ihrer Majestät seit der Thronbesteigung König Wilhelms II. Das ganze Land ist in tiefe Trauer versetzt. Eben erst hat sich das Grab über den irdischen Ueberresten des verewigten Königs Karl geschloffen. In dieser schweren Zeit wird das württ. Volk auch an Gedenktagen des Königshauses , die man in ungetrübter Freude begehen möchte, warmen Anteil nehmen und der jungen Königin die besten Wünsche für ihren
künftigen Lebensweg, für ihre neue, wirkungsreiche Stellung entgegenbringen.
Stuttgart, 10. Oktober. Laut einer Meldung des „Schwäbischen Merkur" erhielten das Großkrenz des Fricdrichsordens Generaladjutant Freiherr v. Molsberg, Ka- binetschef Dr. v. Griesinger, Hofkammerpräsident v. Tjcherning, Hofmarschall Freiherr v. Wöllwarth-Lautcrburg und Freiherr v. Plato, der Hofmarschall des Königs Wilhelm.
— Dem „N.T." zufolge hat der Finanz- ministcr Dr. von Renner sein Entlassuugs- gesuck eingereicht; als sein Nachfolger wird der Wirkliche Staatsrat v. Riccke genannt.
— Am Schluffe Oner Betrachtung über die Regierungszeit König Karls' und die durch feinen Tod geschaffene Lage lese» wir in der „Str. P.": Dre Trauer um das Hinscheideu des Fürsten erhöht noch diejenige um den Niedergang des Geschlechts, das nach dem Tode König Karls nur noch auf zwei Augen gestellt ist. Der nunmehrige König Wilhelm besitzt aus erster Ehe mit Prinzessin Marie von Waldeck und Pyrmont nur eine Tochter, seine jetzige Ehe ist bis jetzt kinderlos und nach menschlichem Ermessen ist die Hoffnuug auf einen männlichen Erben gering. Sollten männliche Nachkommen ihm versagt bleiben, so geht die Anwartschaft auf den Thron auf die herzogliche Linie katholischer Konfession über, deren Repräsentanten der 1828 geborene Herzog Wilhelm, kommandierender General des 3. östreichiichen Korps i» Graz, Feldmarschalllieutenant Herzog Nikolaus, geboren 1833, Herzog Philipp (geh. 1838) in Wien und seine -Löhne Albrechb (geb. 1865), Hauptmann im 1. württem- be> gische» Infanterieregiment, Robert und > Ulrich sind. Das sind Sorgen, mit denen der König, mit denen das Volk Württembergs in die Zukunft blicken. Die Sorge aber wild gehoben durch das Vertrauen, daß vorerst das Geschick von Volk und Land in guten Händen ruht und daß hoffentlich immerdar sich bewähren wird das alte Wort: „Hie gut Württemberg alle Wege." In Sachsen ist, schreibt die „Franks. Z'g.", der Regent katholisch geworden, ohne daß der Protestantismus den mindesten Schaden litt, und auch einem katholischen König von Württemberg könnte es nicht einfallen, die Katholiken zum Nachteil der Protestanten zu begünstigen. Der württembergrsche Staat hat ein so solides Fundament und ist so gut organisiert, daß ein Thronwechsel keine bedenkliche Erschütterung verursachen kann.
— Die Wasserkiaft des Neckars in Maröach hat die Statt Stuttgart um 270 000 Mk. gekauft.