418

wirklich getroffen wäre, so wäre ein Krieg un­vermeidlich. Schon zur Aufrechterhaltung des Status guo und des Gleichgewichts der Macht­verhältnisse im Mittelmeer müßte England auch für seine Kriegsschiffe freie Durchfahrt nach dem schwarzen Meere verlangen und nötigenfalls erzwingen. Die Engländer hoffen indes den Franzosen bei ihrem letzten Besuch in Portsmouth durch Vorzeigung ihrer Flotte soviel Respekt eingeflößt zu haben, daß diese es wenigstens nicht auf einen Seekrieg mit England ankommen lassen wollen.

Die russische Regierung hat mit französischen Bankhäusern eine neue große An­leihe abgeschlossen und gleichzeitig ine russische Reichsoank zur Ausgabe von weiteren 25 Mill. Rubel in Banknoten ermächtigt. Die russischen Knegsrüstungen werden Hals über Kopf be­schleunigt und bereits werden auch deutsche Truppen beschuldigt, sie hätten bei Len letzten Manövern in der Provinz Posen die russische Grenze überschritten.

Der Bürgerkrieg in Chile ist zu Ende. Die Kongreßtruppen sind Sieger geblieben, der bisherige Präsident Balmaceda soll auf der Flucht von einem Maultiertreiber erschossen worden sein und Balmacedas Truppen sind von ihm abgefallen, nachdem sie ihre eigenen Offiziere erschossen hatten. Die Sieger üben eine sehr unrühmliche Grausamkeit an allen ihren Gegnern, die ihnen in die Hände fallen und die Kongreßtruppen erweisen sich als räuberische unv mordbrenncrische Horden. Hoffentlich wird die Ordnung in dem schwer­heimgesuchten Lande bald wieder hergestellt.

Württemberg.

Hestoröeu: 2 September zu Cannstatt Forstrat a. D. v. Holland, früher Revier­förster in Herrenalb, Forstmeister in Alleu- staig und Kirchheim u. T., Forstrat in Stuttgart, Ehrenritter des Ordens der württ. Krone, 68 I. a.

Den neu uniformirten Vsrkehrsbe- amten ist eine jährliche Entschädigungssumme von 75 Mk. für die Uniform und 20 o/o (50 M.) jährliche Jnstandhaltungskosten ver- willigt.

Bietigheim, 29. Aug. Die diesjährige Wandcrvcrsammlung der Gewcrbcvereine Würt­tembergs, welche in Bietigheim tagt und nach früherer Mitteilung auf den 7. Sept. fest­gesetzt war, ist auf den 14. Sept. verlegt worden.

Heraöronn, 2. Sept. In verflossener Nacht wurde auf dem Postbureau in Breit­heim Ungebrochen und sind daselbst nahezu 1000 M. aus der Kasse entwendet worden. Das Kgl. Amtsgericht Laugenburg wurde telegraphisch herbeigerufen und hat eine Untersuchung eingeleitet.

Rundschau.

Worms, 30. August. Während die Teilnehmer an dem uationalliberalen Pariei­fest auf dem Auerbachschlosse sich auf 3000, diejenigen auf dem Heidelberger Schlosse auf 5000 bezifferten, betrug die Zahl der Worm­ser Festgäste, einschließlich der hiesigen Par­teimitglieder an 7000; und über alles Er­warten war das Fest vom prächtigsten Wetter begünstigt. Schon bei dem gemein­schaftlichen Mahle im Festhause waren gegen 400 vereinigt und viele Hundert mußten vor den Thüren im Garten verbleiben. Die Hauptfestrede auf den Kaiser hielt Reichs­tagsabgeordneter Dr. Buhl. Auf die Ver­gangenheit zurückblickcnd, wie der Zukunft gedenkend, entwickelte derselbe die Ent­

stehungsgeschichte desReichs und betonte, wiei Deutschland nun zu einem Bollwerke des Friedens geworden; er berührte das, was zum inneren Ausbau des Reiches in den vergangenen 20 Jahren geschehen und wie nun gewissermaßen eine Pause eingctreten, um uns in die g gebenen Getetze erst eiuzu- lebcn. Er verhehlte dann nicht, daß wir in einer schweren Zeit lebten, vielleicht auch noch schwereren Zeit entgegenzingen, und gedachte der zu Merseburg erst kürzlich ge­sprochene» kaiserlichen Worte, welche die deutsche Politik kenuzeichnete»: wir wollten den Frieden, aber auch für den Kriegsfall werde man uns bereit finde». Unwandel­bare Treue zum Reich und zur Verfassung, das sei unser Gelöbnis. Der letzte offizielle Redner war Dr. Osann aus Darmstadt, dessen Worte dann unserem deutsche» Heere galten. Was es 1870/71 erkämpft, müsse von ihm nun auch gewahrt werden und wenn die schwere Rüstung auch drücke, so möge man sie doch geduldig weiter tragen. Disziplin und Manneszucht unseres deutschen Heeres, um das uns die ganze Welt beneide, möge allen aber ein Borbild sei». Zwischen­durch wurden patriotische Lieder gesungen. Der Verlauf des ganzen Festes war ein ganz außerorordentlich erhebender und hoch­befriedigender.

Arier. (Vom heiligen Rock). In der Rar. Ztg." lesen wir aus Trier:Wie sehr die Ausstellung des h. Rockes alle Verhält­nisse hier beherrscht, geht daraus hervor, daß für die Dauer derselben Konzerte und Lust­barkeiten jeder Art behördlich verboten sind. Auch die Feier des Sedantages ist nach einer heute veröffentlichten Erklärung des Komites mit Rücksicht auf die bevorstehenden Lokal - Verhältnisse für dieses Jahr aufgegeben worden.

Kmdeu, 3. Sept. DieEms-Zig." meldet, der revidirende Regierungsbaumeister fand unter den 300 aus Böckum für die rechtsrheinische Bahn gelieferten Schienen 72 geflickte. Sämtliche Schienen waren ge­stempelt.

Merlin, 2. Sept. Der Kaiser ist mittels Sonderzngs in Begleitung des Reichskanzlers v. Caprivi, des Generaladjutanten und des übrigen Gefolges heute abend um 6'/s Uhr zu den östreichischen Manövern abqereist. Die Kaiserin begleitete den Kaiser auf den Bahnhof, wo ein großer Teil der Hofgesell­schaft anwesend war.

Versuche mit Hafer-Roggenbrod wer­den jetzt angesichts der hohen Roggenpreise vielfach in großem Umfange gemacht. Ein Gemisch von halb Roggenmehl und halb Haferschrot soll ein sehr wohlschmeckendes Bros abgeben, daß dem Brod aus einer Mischung von Waizenmehl und Roggenmehl selbst vorgezogen wird. Hafermehl ist bedeu­tend nahrhafter als Waizen, und Haferroggen- brod hält sich gut 10 Tage genießbar.

Danzig, 3. Sept. Der Katholikentag nahm eine Resolution an, welche die Arbeiter­schutzgesetzgebung beifällig begrüßt und Be­schlüsse, betreffend die streng konfessionelle Ge­staltung der Volksschule, Erteilung des Reli­gionsunterrichts in der Muttersprache. Die Versammlung empfahl den Bau guter Ar­beiterwohnungen, die Errichtung katholischer Meister- Gesellen-, und Lehrlingsvereine.

Hlew-äForK, z Sept. DerHerald" meldet >aus Valparaiso: Zwei Regimenter Regierungstruppen, welche von Coquimbo nach Talcahuano verlegt, waren, revoltirten, als sie Nachrichten von der Niederlage Bal­

macedas ^erhielten, töteten sämtliche Offiziere, setzten sich, unterstützt von etwa 4000 Koh- leuarbeiter», in den Besitz der Stadt, be­gingen die gröbsten Ausschreitungen, plün­derten Häuser und Verkaufsläden und steckten dieselben in Brand.

London, 25. Aug. Ein Telegramm meldet, daß Emin Pascha die Mahdisten be­siegt und die Provinz Wadelai wieder ge­wonnen habe mit 6000 Elefantenzähnen, welche dort lagern.

Lokales.

Wikdöad, 3. Sept. Der 21jährige G e- denktag der Schlacht von Sedan wurde gestern abend durch ein sehr zahlreich besuchtes Bankett imGasth. z. gold. Löwen" in wür­diger Weise begangen. Herr Stadtschultheiß Bätz nereröffnete die Feier durch eine treffliche Ansprache über die Bedeutung des nationalen Festtages und schloß mit einem begeistert auf- genommenen Hoch auf Kaiser Wilhelm und König Karl, worauf die N üionalhymne stehend gesungen wurde. Der Kgl. Badkommissär, Hr. v. K a r a ß, Ooersta. 2., gedachte hierauf in markigen Worten der großen Verdienste des dahingegangenen Schlachtenlenkers Moltke, dessen Scharfblick und strategischem Genie wir größtenteils die ruhmvollen Siege zu verdanken haben und forderte die Anwesenden auf, dem Andenken dieses großen Feldherrn ein stilles Glas zu weihen. Hierauf folgte ein Toast auf den Fürsten Bismark, aufgebracht von einem Stuttgarter Kurgaste. Herr Prof. Haupt aus Halle feierte in einer schwung­vollen Rede die deutschen Frauen und deren erhabenes Vorbild, die Kaiserin Augusta Vik­toria. Herr Stadtpfarrer Glau » er toa- stierte auf die nach schweren Kämpfen errun­gene deutsche Einheit, sowie auf die Vete­ranen und Invaliden, und ermrhnte die An­wesenden stets treu zu Kaiser und Reich zu stehen. Hr. M. Ringe hob die nationale Gesinnung der Württemberger rühmend her­vor und schloß mit einem Hoch aus Seine Majestät den König. Ein langjähriger Kur­gast Wildbads toastirte noch auf Hrn. von Kar, welcher sich während der kurzen Zeit seines Hierseins die Sympathie der Kurgäste wie auch der Einwohner Wildbads schon in so hohem Maße erworben habe und auf Hrn. Stadtschultheiß Bätzner, welcher stets bestrebt sei, den Wünschen der Kurgäste mög­lichst gerecht zu werden, und ihnen den Aufent­halt so angenehm wie möglich zu gestalten. Herr Vikar Hofmann teilte den Anwesen­den in beredten Worten mit, welch her­vorragenden Anteil Herr v. Kar an dem Feldzuge genommen und schloß mit einem Hcxch auf denselben und die deutsche Kavallerie. Zum Schluß sprach Herr Magirus aus Ulm dem Herrn Stadcvorstand als dem Ver­anstalter des festlichen Abends seine Aner- kcnnnung aus und dankte für de» schönen Verlauf desselben. Zahlreiche patriotische Lieder, welche in den Zwischenpausen teils von den Anwesenden gesungen, teils von der Kurkapelle vorgetragen wurden, verschönten die erhebende, so wohl­gelungene Feier und trugen viel zur Erhö­hung der festlichen Stimmung bei.

Ueber die Hungersnot in Rußland

gelangen immer grauenerregendere Einzel­heiten zu uns. So berichtet neuerdings ein Priester namens Filomannow über das von ihm im Gouvernement Kasan gesehene Elend, und feine Berichte erregen überall da»