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Uro. 10S.

Sarnstag, 5. Septernbsr 1891

27. latii'gang.

Wochen-Rrmdschau.

Die Nachrichten aus Friedrichshofen über das Befinden Se.Maj. des Königs lauten in dieser Woche recht befriedigend; das Fieber ist nicht mehr aufgetreten und die Krankheits- erschcinungen des Unterleibes sind ohne wei­teren Rückfall abermals zurückgcgangen, wes­halb der hohe Patient den größten Teil des Tages außerhalb des Bettes zubringen und an den gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen kann. Der Staatsminister des Innern hat am Donnerstag, der Finanzminister am Diens­tag seine Amtsgeschäfte wieder übernommen. Die S ed a nfeie r ist wie fast überall im Reiche auch in vielen Städten Württembergs, namentlich in Stuttgart, in herkömmlicher Weise festlich begangen worden. Aber während man sich in früheren Jahren aufrichtig darüber freuen konnte, daß das wiedererstandene deutsche Reich nicht nur selbst keinen Nachbar bedrohe, sondern auch den Friedensfeinden so­viel Respekt einflöße, daß sie einen Angriff auf uns nicht wagen können, klang diesmal ein ziemlich ernster Ton durch alle Festreden. Nach wie vor sind wir Deutsche fest ent­schlossen, mit dem Enkel des ruhmreichen ersten deutschen Kaisers für die Güter des Friedens, der inneren Wohlfahrt und Gesittung einzu­stehen, aber niemand kann heute mehr leugnen, daß der politische Horizont schwer umdüstert ist. Dank der weisen Fürsorge unserer Heer­führer, welche die Gefahr seit Jahren näher kommen sahen, und dank der Opferwilligkeit des Reichstags, haben wir Deutsche rechtzeitig unsere Vorbereitungen getroffen, um, wenn wir angegriffen werden, mit kräftiger Faust die Macht und Ehre des Reiches zu vertei­digen und während wir selbst unsere Pflicht opsermutig erfüllen, dürfen wir hoffen, daß Gott mit uns und mit unserer gerechten Sache sein werde. In dieser Zuversicht sehen wir den kommenden Ereignissen ohne Selbstüber­hebung aber auch ohne Furcht entgegen. Der Vorstand der Stuttgarter Landespro­duktenbörse hat eine Zusammenstellung der diesjährigen Ernteergebnisse in Würt­temberg aus Grund von zahlreichen Schätzungen hervorragender Landwirte veröffentlicht. Hier­nach bleibt der heurige Körncrcrtrag mit Aus­nahme des Habers, welcher ein Mchrer- trägnis ergiebt, hinter der vorjährigen Ernte Lei den Wintersaaten um 20 Proz., bei den Sommersaaten um 3 bis 6 Pro;, zurück; da­gegen gleicht die vorzügliche Qualität der fast durchweg bei sgünstigcm Wetter eingeheimsten Früchte den Abmangel größtenteils wieder aus, so daß wir ziemlich ruhig dem Winter entgegensetzen können. Kirschen, Zwetschgen und Birnen sind Heuer gut geraten, Aepfel

ergeben nur eine mittelmäßige Ernte, weshalb der Obstmost sich ziemlich teuer stellen wird. Unsere geplagten Weingärtner haben dagegen wiederum ein Fehljahr zu verzeichnen, was sehr bedauerlich ist. Die Weinstöcke haben durch den langen und strengen Winter schwer gelitten und während der Traubenblüte herrschte naßkaltes und regnerisches Wetter.

Der deutsche Kaiser ist von den Thü­ringer Manövern nach Potsdam zurückge- kchrt und wird sich anfangs nächster Woche nach Bayern zu den dortigen Manövern be­geben. Die bayerische Bevölkerung wurde amtlich ersucht, das Pferd des Kaisers durch Blumenwerfcn und Fahnenwehcn nicht zu be­unruhigen, weil der Kaiser beim Reiten noch Vorsicht gebrauchen müsse. Die Folgen seines Unfalles am Knie erscheinen also noch nicht/ ganz überwunden zu sein. Bevor das russische Roggenausfuhrverbot in Kraft trat, sind bedeutende Mengen an russi­schem Roggen, sowohl zu Schiff, als mittels der Eisenbahn nach Deutschland eingcführt /worden. Die vorher schon starke Roggenein­suhr betrug in der Zeck vom 2l.27. Aug. allein über die Station Eydtkuhnen 14 260 000 Kilogr. Hiedurch, sowie infolge der immer günstiger lautenden Ernteberichte aus allen Teilen des deutschen Reiches, sowie aus Oesterreich-Ungarn und nicht minder aus Amerika, sind die Getreidepreise erheblich zu- rückgegangcn. Die Tonne Weizen fiel in Berlin an einem Tage um 9 Mark. Der voll­ständig gelungene Versuch einer elektrischen Kraftübertragung auf die weite Ent­fernung von Lauffen a. N. nach Frankfurt a. M. erregt in ganz Deutschland und weit darüber hinaus großes Aufsehen. Der Kraft­verlust ist zwar noch ziemlich bedeutend, ca. 66 Proz.; aber es ist nur eine Frage der Zeit, daß dieser Verlust auf ein Minimum reduziert wird. Die Hauptsache ist eben die, daß man die Wasserkraft ziemlich weit ent­fernter Gebirgsbäche mittelst Uebcrsetzung in elektrische Kraft nach den Städten und nach den Jndustrieorten leiten kann, damit sie dort Maschinen treibt und elektrisches Licht erzeugt, also große Kohlenmengen erspart. Die vor kurzem in Frankfurt versammelten Vertreter zahlreicher deutscher Städte haben ohne Zweifel die enorme Wichtigkeit dieser neuesten deutschen Erfindung, um deren Ehre uns das Ausland beneidet, richtig erkannt und lange wird es nicht mehr dauern, bis in den meisten deutschen Städten elektrisches Licht erglänzt.

Der Kaiser von Oesterreich hat sich nun doch noch entschlossen, den «zechen und ihrer Ausstellung in Prag nach Be­endigung der Manöver im Wiener Walde,

bei welchem bekanntlich auch der deutsche Kaiser erscheinen wird, einen mehrtägigen Be­such abzustatten. Die Prager Czechen em­pfinden das Bedürfnis, ihrem Monarchen zu zeigen, daß sie trotz ihres Deutschenhasses immer noch gute Oesterreicher seien. Sie wollen deshalb dem Kaiser Franz Joseph großartige Ovationen darbringen und gleich­zeitig mit diesem, in möglichst großer Anzahl in der Prager Ausstellung erscheinen, ebenso in allen öffentlichen Lokalen Prags freiwillige Loyalitätskundgebungen veranstalten. Sie hoffen dadurch den Kaiser bewegen zu können, daß er sich als König von Böhmen krönen lasse und ein besonderes böhmisches Staatsrecht anerkennen werde, unter welchem natürlich die Deutschen vollends geknebelt würden. Ein un­bekannter Verfasser hat eine Broschüre mili­tärischen Inhalts veröffentlicht, worin derselbe nachweist, daß ein Verteidigungskrieg Oester­reichs gegen Rußland in nicht langer Zeit zur absoluten Notwendigkeit werde, weshalb Oesterreich seine Rüstungen beschleunigen, seine Armee und namentlich das Offizierskorps ver­mehren müsse und zwar bald. Man glaubt in Oesterreich-Ungarn, der gemeinsame Kriegs­minister werde den Delegationen noch in diesem Herbst eine größere Militärkreditvorlage unter­breiten.

Die Franzosen schwimmen noch immer in dulci jubilo über das russische Bündnis. Bemerkenswert ist, daß der russische Botschafter Mohrenhrim, der soeben aus Petersburg nach Frankreich zurückackehrt ist, also die An­sichten des Zaren genau kennt, im Bade Cauteres eine schwungvolle Rede über das russisch-französische Bündnis hielt und dabei kein Wort davon erwähnte, daß dies Bündnis blos zur Erhaltung des Friedens geschlossen worden sei, wie die Franzosen anfänglich immer versichert hatten. Wenn oic russischen Diplo­maten einmal anfangcn, ihre Masken abzu- legen, dann ist es in der Regel zum Kriege nicht mehr weit. Den äußeren Anlaß zu letzterem suchen die verbündeten Russen und Franzosen offenbar in der Aufrollung der orientalischen Frage.

In dieser Beziehung hat der Londoner Standard, das Organ des Ministerpräsidenten Salisbury, letzter Tage einen AlarmsLuß ab- gefcuert, der ganz Europa in Aufregung ver­setzte. Der Standard behauptet nämlich, Rußland habe die Türkei bewogen, den Ar­tikel des Pariser Friedens und der Berliner Konferenz, welcher die Pforte ermächtigt, die Dardanellen für alle fremden Kriegsschiffe zu verschließen, zu den alleinigen Gunsten Ruß­lands aufzuhcben. Ein solches Abkommen könnten aber weder England noch die Drei- bundmächte jemals gutheißen und wenn eS