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nister Constans und Guyot bei der Einweihung der Eisenbahn von Brives eine Aufsehen erregende Rede. Die Welt wisse, daß heute die französische Armee auf der Höhe ihrer Aufgabe stehe; der Empfang i« Kronstadt sei die höchste Würdigung der Wiedererhebung der Armee; die Einladung nach Portsmouth, rivalisierend mit Kronstadt, bestätige diesen Fortschritt, der Frankreich seinen alten Rang wiedergebe. Auf die Armee gestützt, werde Frankreich seinen jetzt wiedergewonnenen Rang zu wahren wissen. — Nach einer Meldung aus Mo ns ist ein 60 Meter Schornstein der Stahlfabrik Providance in Haumont eingestürzt und hat 18 Menschen unter seinen Trümmern begraben.
Aetersvurg, 4. August. Infolge Befehls des Zaren begleitet ein russisches Geschwader die französische Flotte auf ihrer Rückreise bis Dänemark. Die Abreise erfolgt am 7 . d. M.
— 600 russische Juden sind auf Kosten des Barons Hirsch am 29. mit dem Dampfer „Tijuca" nach Argentinien befördert worden. Ein neuer Massenzug steht bevor.
Aus Ilew-Aork wird gemeldet: Am Freitag Abend griffen 50 italienische Arbeiter der Nordwestbahngesellschaft in Wayne (Vir- ginien) ein alleinstehendes Haus an, ermordeten und verstümmelten ffämmtliche Bewohner und brannten deren Besitzungen nieder. Die Italiener waren von einem Gegner gedungen und vorher betrunken gemacht. Die Umwohnenden traten zusammen und lynchten viele -er Italiener.
Tntkrhaltrudks.
Werfehmt.
Nach amerik. Motiv frei bearbeitet v. A- Geiser.
(Fortsetzung.)
„Ja Vater — vor sechs Wochen wurden wir in Saratoga getraut."
„Und wie hieß die Dame, bevor sie Deine Gattin ward?"
„Katharina Dane — sie ist die einzige Tochter des Majors Dane!"
„Des Majors Dane? Doch nicht des Besitzers vom Weidenhof?" rief der alte Herr in atemloser Spannung.
„Doch, Vater — Katharina ist die Tochter eben jenes Mannes. Nimm sie freundlich auf, Vater — sic hat um meinetwillen viel erduldet I Ihr Vater hat sie verflucht und enterbt, weil sie die meine geworden— entschädige Du sie für die Vaterliebe, die sie verloren!"
Katharina hatte in angstvoller Spannung den Worten ihres jungen Gatten gelauscht; als Jerome sie jetzt seinem Vater entgegenführte, schlug sie die thränenfchweren Wimpern auf und streckte dem Freiherrn zaghaft die Rechte hin.
Aber der Freiherr beachtete ihre Bewegung nicht; ein böses Lächeln spielte um feine Appen und in seinen Augen glommen düstere Flammen, so daß mir, der ich regungslos im Winkel neben der Thür stand, nichts Gutes ahnte. Selisamerweise konnte ich den Blick nicht von den Pistolen wenden, die auf dem Nebentisch lagen und ich hätte viel darum gegeben, wenn die Erde sich geöffnet und die unseligen Waffen verschlungen hätte. — Als der alte Herr konscguent schwieg, trat Jerome näher an ihn heran und sagte leise und bittend:
„Vater, Du wirst es uns nickt entgelten
lasse», daß wir unsere Heirat ohne Dein Vorwissen geschlossen haben? Ich war Deiner Nachsicht und Liebe so sicher, bin ich dock Dein Einziger und hast Du mir doch stets bewiesen, daß Dir kein Opfer zu schwer ist, sobald es sich um mein Glück handelt! Nun, Vater — willst Du Deine Tochter nicht willkommen beißen — Katharina sehnt sich »ach Deiner Liebe!"
Immer noch schwieg der alte Freiherr; die junge Frau war bleick geworden, als sic sein versteinertes Gesicht beobachtet hatte, und sich ängstlich an ihren Gatten schmiegend, rief sie schluchzend:
„Jerome — bringe mich fort von hier — ich kann diese Verachtung nicht ertrage»! Komm, Jerome, laß uns gehen!"
„Nicht von der Stelle, bevor Ihr meine Meinung gehört," donnerte jetzt der alte Herr, indem er furchtbare Blicke auf die junge, zitternde Frau warf. „O," fuhr er dann höhnend fort, „Du bist ein würdiger Sprößling der gottverfluchten Dane's! Wie ein Dieb in der Nacht stahlst Du das Herz meines Sohnes — ich möchte Jerome lieber tot in der Gruft seiner Ahnen, als an Deiner Seite sehen!".'
„Vater," schrie Jerome in heißem Zorn, „bedenke es ist meine Galtin, die vor Dir steht! Jeder Schimpf, den Du ihr authust, fällt auf Dein eigen Haupt zurück, den» sie ist eine Rockwalb von Rockwaldei"
„Nimmermehr werde ich sic als eine Rockwald achten! Sie ist und bleibt eine Dane, und dies Haus soll eher in Flammen aufgehen, als daß es sie als seine Herrin bewillkommnet. Aber Gott Lob und Dank, noch giebt's Gerichtshöfe im Lande, und ich werde Himmel und Erde in Bewegung setzen, bis die mir verhaßte Ehe wieder getrennt worden ist!"
Katharina schrie laut auf.
„Fort aus diesem Haufe", rief sie außer sich, „habe ich darum meines Vaters Fluch erduldet, um hier beschimpft zu werden! Wir haben übereilt gehandelt, aber solche Schmach ist unverdient, und ich will nicht leben, wenn man .mich wie eine Dirne behandelt!"
Sie strebte der Thür zu, und ich sah, daß ihr Blick wie unbewußt auf den blitzenden Waffen haftete. Auch der alte Freiherr hatte dies bemerkt und er stachelte die Verzweifelnde mit giftigem Hohn.
„Geh' immerhin", rief er finster. „Deine Gegenwart besudelt mein Haus! Nun weshalb zögerst Du — Du meinst wohl, Jerome werde Dich auf Deinen Irrfahrten begleiten? Geh' nur allein — Jerome ist der Sohn dieses Hauses — sobald er Dich nicht mehr sieht, wird er dich vergessen, und je eher Du den Staub von Rockwalde von Deinen Füßen schüttelst, um so lieber wird's ihm und mir sein!"
„Du irrst, Vater", sagte Jerome tiefernst, indem er den Arm um Katharina legte, die halb ohnmächtig an dem Nähtisch lehnte, auf welchem die Pistole» lagen, „in Armut und Reichtum, in Not und Tod, in Krankheit und Gesundheit bleiben wir vereint, bis der Tod uns scheidet, und so wahr Gott mir helfe, ich werde Katharina nie verlassen!"
Hoch aufgerichtet stand Jerome seinem Vater gegenüber, der offenbar nicht erwartet hatte, so energischem Widerspruch zu begegnen. In ohnmächtiger Wut hantirte der alte Freiherr mit ven Pistolen; er nahm eine derselben auf, untersuchte den Lauf und behielt die Waffe wie spielend in der Hand.
„ Er will mich verlassen — seinen Vater verlassen", stöhnte der alte Herr endlich; „Vas Lärvchen einer Dirne hat ihn geblendet
— er vergißt, was er mir schuldig ist, und schleift seine Ehre durch den Kot!"
Wie von einer Natter gestochen, fuhr die junge Frau auf, und das andere Pistol ergreifend, rief sie verzweifelt:
„Nein, Jerome — durch mich sollst Du nicht unglücklich werden — ich weiß, was ich zu thnn habe!" und dabei untersuchte sie den Lauf der Waffe und richtete dieselbe auf ihr eigenes Herz!
Wie ich bereits gesagt, hatte ich mich in den Winkel neben der Thür gedrückt; ick war wie gelähmt vor entsetzen und diese Empfindung steigerte sich, als ich den alten Freiherrn, welchem die junge Frau den Rücken kehrte, gleichfalls die Waffe erheben und auf seine Schwiegertochter richten sah. Jc- rome hatte inzwischen seiner Gattin die Pistole aus der Hand gewunden — im gleichen Moment krachte ein Schuß und der unglückliche Jerome stürzte entseelt zu Boden, während der alte Freiherr einen Wutschrei ausstieß und sein noch rauchendes Pistol von sich schleuderte. — Katharina war, als sie ihren Gatten znianunenstürzen sah, ohnmächtig über ihn gesunken — sein Herzblut rieselte auf ihre weißen Hände und auf ihre goldenen Haare, welche weithin über de» Teppich fluteten.
Als ich die Beiden regungslos daliegcn sah, kroch ich aus meinem Winkel hervor und nahm die Pistolen auf, wobei ich gewahrte, daß diejenige, welche die junge Frau noch mit der Rechten umklammert hielt, nicht abgeschossen war. . . . Der alte Freiherr hatte wie blödsinnig auf die L-iche seines Sohnes geblickt; als er jetzt gewahrte, daß ich die Waffen untersuchte, richtete er sich entschtoßen auf, legte mir die Hand auf die Schulter und sagte mit hohler Stimme:
„Martin ich habe meinen Sohn erschossen
— Gott weiß, daß ich es nicht gewollt, aber der Böse muß den Lauf meiner Waffe gelenkt haben! Du bist der einzige Zeuge der entsetzlichen That — nieder auf Deine Kniee und schwöre mir, daß Du das Geheimnis dieser Stunde Dein Lebenlang be» wahren willst!"
Ich leistete denSchwur, den er mir langsam vorsprach — ich glaubte damals nicht anders, als daß er nur seine Missethat verheimlichen wollte, und da er ohnedies durch seines Sohnes Tod schwer genung gestraft war, hielt ich es nicht für Sünde, sein Gebot zu erfüllen. Erst nachdem es zu spät war, erfuhr ich, in welcher Weise er seine Macht benutzte, um die arme junge Frau zu vernichten; nachdem ich geschworen, wollte ich versuchen, der Ohnmächtigen beizustehen, aber er litt es nicht. —
„Sie wird schon wieder zu sich kommen," sagte er hart. „Unkraut verdirbt nicht! Komm jetzt mit mir, es ist viel zu ordnen!"
Ich folgte ihm — war er doch mein Herr, dem ich seit meinem fünfzehnten Jahre gedient.
Der Freiherr führte mich in ein a» sein Badezimmer stoßendes Kabinet, in welchem allerlei herrenloses Gerümpel aufgcstapelt war und befahl mir, hier das Feldbett, welches im Badezimmer stand aufzuschlagen. Ich wunderte mich über den seltsamen Auftrag, wagte aber keine Wiederrede — ich glaubte anfänglich, der Schrecken habe den Freiherrn verwirrt, und erst viel später begriff ich, daß er nie klarer und schärfer kom- binirt hatte, als in jener Stunde. (F. flg.)