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Großherzo gs soll, wie verlautet, mindestens 2 Tage währen. Es dürfte sich nachher daran der Besuch der Reichslande, speziell des kais. Schlosses zu Urville knüpfen.
Areiöurg a. U., 2. April. Der Fonds für die Erbauung einer Turn- und Ruhmeshalle zur Erinnerung an Vater Jahn ist durch die bisherigen Sammlungen auf 10 000 angewachsen.
MÜrnberg, 7. April. Bei der Ziehung der Sebalduskirchenlose fielen auf Nr. 50 222 25 000 und auf Nr. 40 873 7000
(Schw. M.)
Berlin, 6. April. Die Nachrichten aus dem 19 hannov. Wahlkreise lassen die Wahl des Fürsten Bismarck zum Reichstag als gesichert erscheinen. Fürst Bismarck erklärte (übereinstimmend mit neulichen Mitteilungen in der Presse) seinen Geburtstagsgästen gegenüber, er werde die Wahl annehmen, aber nur bei besonders wichtigen Gelegenheiten, wo sein persönliches Eingreifen nützlich sein könne, im Reichstage erscheinen, z. B. bei dem östcrreich. Handelsvertrag.
— In der Frage des Wclfenfonds ist endlich eine amtliche Kundgebung erfolgt. Der „Reichsanzeiger teilt mit, daß im Schooße des preußischen Staatsministeriums schon seit längerer Zeit Erwägungen über anderweitige Regelung der Verwaltung des beschlagnahmten Vermögens der vormaligen hannoverschen Königssamilie gepflogen worden seien. Nunmehr habe das königliche Hausministerium beschlossen, dem Landtage in der nächsten Session einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher über die Verwendung der Revennen des Vermögens und über die Kontrolle derselben Bestimmungen treffe.
Armalt i. K., 29. März. Tolle Streiche hat ein Soldat des in Straßburg liegenden Württcmb. Infanterie-Regiments Nr. 126 ausgeführt, der sich von seinem Regiment jedenfalls in der Absicht entfernt hatte, zu desertieren und im Hinteren Breuschthale die Grenze zu erreichen. Derselbe suchte in den einzelnen Ortschaften, die er auf seiner Wanderung berührte, die Bürgermeister auf, gab sich als Quartiermacher aus und sagte für die nächsten Tage größere Einquartierungen an, wobei er natürlich ven Vorteil guter Verpflegung ausnutzte, und auf der anderen Seite keinerlei Verdacht erregte. Der erste Versuch glückte ihm vollkommen in Enzheim, worauf er die Reise über Altdorf fortsetzte und gestern vollständig durchnäßt hier eintraf. Hier begab er sich sogleich wieder aufs Bürgermeisteramt und sagte über die Osterfeiertage eine Einquartierung von 400 Mann Infanterie mit zahlreichen Offizieren an. Da der Mann sehr sicher auftrat und mit Seitengewehr und Helm vollständig ausgerüstet war, io wurde ihm natürlich geglaubt, und es herrschte in unserem kleinen Orte bald die größte Aufregung. Der Bürgermeister mit dem Ratsschreiber trafen in aller Eile die nötigen Vorbereitungen und begannen die Quartierbillete auszufertigen. Zufällig waren der Amtsrichter mit dem Ge- richtsschreiber von Molsheim hier anwesend, die im Gespräch mit dem Bürgermeister von der bevorstehenden großen Einquartierung erfuhren. Diesen Herren kam natürlich die Sache sofort verdächtig vor, und der Bürgermeister wurde zur vorläufigen Festnahme des Soldaten veranlaßt. Die Antwort auf eine telegraphische Anfrage bei der Militärbehörde ergab die Richtigkeit des Verdachts. Nunmehr erfolgte die Verhaftung durch Gensdar- men und die Abführung nach Molsheim beziehungsweise nach Straßburg zum Regiment. Der Mann hätte sicher noch einige kleinere
Ortschaften mobil gemacht, wenn er nicht zufällig hier entlarvt worden wäre.
Die Insel Kelgoland ist von jetzt an als eine Festung zu betrachten. Diesen neuen Charakter hat das Eiland durch die Ernennung des bisherigen Gouverneurs von Helgoland, Kapitäns z. S. Geiseler, zum Kommandanten der Insel erhalten. Bereits ist auch der erste Munitions-Transport vom Wilhelmshafener Artillerie-Depot aus Helgoland eingetroffen.
Luremöerg, 1. April. Die Postverwaltung hat neue Briefmarken mit dem Bilde des Großherzogs ausgegeben.
Baris, 4. April. Bei der gestrigen Versammlung der Bergarbeiter sprach Caumain für die Revolution, welche die Vereinigung der Staaten Europas herbeiführen würde. Schröder (bekanntlich s. Zt. einer der „Kaiser- delegirten der rhein. Bergleute) beglückwünschte die französischen Arbeiter, welche überall Jünger machen. Für die deutschen Sozialisten gebe es keine Grenzen. Das Vaterland sei, wo man große Freiheit gewesen könne. Die Sozialisten sollen arbeiten, um den Krieg aus der Welt zu schaffen.
niklchMkndes.
Derfehmt.
Nach amerik. Motiv frei bearbeitet v. A. Greisel.
(Nachdruck verboten.)
2j (Fortsetzung.)
Es war inzwischen völlig dunkel geworden und jetzt vernahm man draußen ganz deutlich das Rollen eines Wagens. Der Kranke versuchte sich aufzurichten, es gelang ihm indessen nicht, und Martin's stützende Hand ablehnend, flüsterte er hastig und eindringlich.-
„Jetzt endlich kommt er — zünde sämtliche Lampen an, führe ihn herein und laß uns dann allein — hast Du mich verstanden? Untersteh' Dich nicht, zu lauschen — was ich mit ihm zu sprechen habe, darf Niemand hören!"
Martin erfüllte schweigend die Befehle seines Herrn — bald strahlte das Zimmer im hellsten Lampenschein und jetzt fuhr der Wagen in raschem Trabe auf den Hof und hielt vor der Hausthür. Gleich darauf trat ein hochgewachsener hagerer Mann mit grauem Haar und eben solchem Bart in das Krankenzimmer ; der Leidende nickte ihm sehr mürrisch zu und sagte dann bitter:
„Kommst Du wirklich, Varley? Ich glaubte schon. Du hättest mich vergessen; früher besannst Du Dich nicht so lange, meinem Rufe Folge zu leisten."
„Verzeih, Rockwald," entgegnete der Andere ohne jede Spur von Empfindlichkeit. „Ich war nicht zu Hause, als Dein Boote eintraf und konnte folglich nicht eher kommen. Wie geht es Dir heute Abend?"
„Wie . wird mir's gehen — schlecht wie immer," lautete die in unverbindlichem Tone erteilte Antwort. Eigentlich geht's mir noch schlechter als sonst," schloß der Kranke, sich unruhig in den Kissen herumwerfend. „Die Wahngebilde nehmen überhand, und manchmal meine ich, ich müsse närrisch werden."
„Ich habe die Papiere und Dokumente, deren Du neulich erwähntest, mitgebracht," sagte der Fremde, indem er in seine Brusttasche griff.
„Hm — eigentlich bedürfen wir derselben wohl kaum," meinte der Kranke unruhig; „Martin und die Aerzte glauben, es gehe mit
mir zu Ende und so ließ ich mich überreden und beschloß, mein Testament zu machen, aber jetzt fühle ich mich wieder bedeutend wohler und so mags einstweilen unterbleiben."
„Und doch ists eine alte Geschichte, daß wir alle sterben müssen," versetzte Varley gleichmütig: „je eher wir unsere irdischen Angelegenheiten ordnen, um so besser ist's für uns. Mach immerhin Dein Testament, Alter — deshalb stirbst Du noch lange nicht."
„Wenn ich's recht überlege, Varley, so ist Dein Vorschlag gar nicht übel. Ihr Advokaten trefft immer das Richtige; also Du hast die Dokumente mitgebracht?"
„Jawohl — Du ließest mich ja darum bitten. Hier ist Dein altes Testament, welches Du vernichten willst," sagte der Advokat, indem er ein zusammengefaltetes Papier aus seiner Brusttasche nahm und es dem Kranken vor die Augen hielt."
„Wohlan — verbrenne das Testament, Varley und zwar jetzt gleich vor meinen Augen."
Varley trat zum Kamin, in welchem ein Helles Feuer prasselte und legte das Dokument auf die glühenden Kohlen. Im nächsten Augenblick leckten die feurigen Zungen gierig an dem Papier und nachdem dies in Hellen Flammen aufgeleuchtet, war es verschwunden.
Der Kranke seufzte wie erleichtert auf und der Advokat sagte scherzend:
„So — das alte Testament wäre abge- than — gehen wir jetzt zu dem neuen über."
Er ordnete die Papiere, welche er mitgebracht, auf dem Tische neben dem Bett, tauchte die Feder ein und bemerkte dann:
„So Alter — ich bin bereit."
„Auch ich, Varley. Aber horch — da tönt wieder jener entsetzliche Schrei, der gar nichts Menschliches an sich hat," unterbrach sich der Kranke, indem er angsterfüllt ins Ferne starrte. „Wenn ich nur taub wäre und keinen Laut mehr vernähme," schloß er verzweifelnd, „ihr Jammergeschrei tönt mir immer und ewigimOhr."
„Es war der Wind, der im Schornstein heulte," sagte der Advokat ruhig; die Bäume ächzen und biegen sich unter der Wucht des Sturmes und es braust in den Lüften, als ob das wilde Heer vorüberzöge."
„O, Du willst mich nur trösten, Varley, aber ich weiß doch, was ich sehe und höre!" murmelte der Kranke. „Horch — da tönt wiederum ver Schrei und jetzt — jetzt sehe ich sie ganz deutlich! Hinweg, Katharina — laß ab von mir — Du bist gekommen, um mich zu töten, aber ich will noch nicht sterben! Sieh — dort steht sie — sie hebt drohend die Hand — schütze mich, Varley. sie will mich umbringen!"
Varley strich sanft über die jetzt fieberheiße Stirn des Kranken, der sich allmählich wieder beruhigte und die Augen schloß. Der Advokat füllte einen neben dem Bett stehenden Becher mit Wasser, in welches er einige Tropfen einer stärkenden Essenz träufelte und hielt dann das Gefäß an die Lippen des Kranken, der in gierigen Zügen trank.
„Ah — nun ist mir wohl," flüsterte Rockwald tief aufatmend und einen dankbaren Blick auf den Freund richtend.
„Gut, so wollen wir denn die Zeit benutzen. Soll ich Dir den Entwurf des neuen Testaments vorlcsen?"
„Ja — thue das — das heißt — Du weißt doch —"
„Daß Du Dein Enkelkind enterben willst," ergänzte Varley traurig; „ja leider, weiß ich das nur zu gut! Aber noch ist's Zeit — be-' sinne Dich eines Besseren, Rockwald, ändere die fragliche Bestimmung."