452

nach der Tanzmusik vom Sonntag blauen Montag, als das Unglück hereinbrach. Die Verunglückten sind meistens Familienväter.

Dublin. 1. Dez, In der heutigen Ver­sammlung der der nationalistischen Partei angehö­renden Mitglieder der Munizipalität wurde mit 29 gegen 12 Stimmen eine Resolution ange­nommen, welche erklärt, daß Parnell der Chef der nationalistischen Partei bleiben solle.

Petersburg, 1. Dez. Nachrichten aus Wladiwostock zufolge wird aus Tientsin ge­meldet, daß es unter der Bevölkerung gäre. Durch Ueberschwemmung brotlos geworden, drohe der Pöbel, die Europäer umzubringen und dann nach Peking zu ziehen, um mit dem Kaiser abzurechnen. Uebrigens ankerten gegen­wärtig vor Tientsin zum Schutze der Europäer vier chinesische, je ein französisches und ein amerikanisches Kriegsschiff.

Janzibar, 30. Nov. Neichskommissar v. Wißmann nebst seiner Begleitung ist soeben hier eingetroffen.

LoAates.

Wilöbad, 30. Nov. Gestern Abend fand sich eine Versammlung der hiesigen Aerzte unv der für den Gegenstand der Ta­gesordnung Teilnahme zeigenden Einwohner im Lokale von Funk zusammen, um einen Vortrag von Geh. Hosrat vr. v. Me uz über seinen Besuch bei Or. Koch in Berlin anzuhören. Die mitgeteilten Wahrnehmungen des Hrn. I)r. v. Renz in Beziehung auf die Wirk­samkeit der Koch'schen Lymphe stimmten mit denen so vieler Augenzeugen u. deren Berichten in den Tagesblättecn überein. Was aber den lebendi­gen Vortrag des gewandten Redners besonders anziehend machte, war, daß er, vom k Mini­sterium zu seiner Berliner Reise veranlaßt, das Glück hatte, vr. Koch persönlich vorgestellt zu werden. Redner schilderte den berühmten Arzt als sehr ernst und angegriffen aussehend. Er habe Koch gegenüber seine Freude darüber ausgesprochen, Rom nicht verlassen zu müssen, ohne den Papst gesehen zu haben, welche Verbindlichkeit Koch mit unverändertem Ernst entgegengenommen habe. Seine Züge hätten sich erst etwas aufgeheitert, als vr. v. Renz seiner Genugthuung darüber Ausdruck gab, daß der große Erfinder aus den Reihen der praktischen Aerzte hervorgegangcn sei, indem er den Nachdruck auf das Wort .praktisch" legte. Im Verlaufe der Unterredung habe der Plan des Redners, die Wirkungen der Lymphe mit denen des Thermalwassers zu verbinden, den Beifall Kochs gefunden. Red­ner verbreitet sich des weiteren über die Not­wendigkeit der Einrichtung einer Versuchsstation für tuberkulöse Kranke während der jetzigen Wintermonate in dem hiesigen Landeshospital des K. Katharinenstifts, der zur Zeit wie all­jährlich vollständig leer steht und zu diesem Zweck sich vorzüglich eignen würde. Er ging davon aus, daß es ein in der Wildbader Praxis häufig vorkommender Fall ist, daß Kranke mit Gelenks- und Knochentuberkulose als Rheumatiker nach Wildbad geschickt wer­den. Die Koch'sche Lymphe bietet nun ein treffliches Mittel dar, diesen Krankheitskreis von dem rheumatischen mit Sicherheit zu tren­nen. Es wäre von nicht zu verkennender Wichtigkeit für die hiesigen Aerzte, vor Ein­tritt der kommenden Badezeit sich mit den Erscheinungen der Impfung durch Koch'sche Lymphe vertraut zu machen und die Einwir­kung des Thermalwassers auf die so behandel­ten Kranken zu beobachten. Zu gleicher Zeit mit Redner habe sich der großherzoglich bad. Badearzt aus Baden-Baden in Berlin befun­den, der mit ihm die gleichen Zwecke im Auge

hatte. Aus dem dem Redner gespendeten Beifall und aus der sich entwickelnden Bespre­chung der Fachmänner war der Eindruck zu gewinnen, daß sämtliche hiesigen Aerzte eine Versuchsstation für Wildbad im Renz'schen Sinne für dringlich erachteten.

Im Monat November wurde im hiesi­gen Schlachthause geschlachtet: 9 Stück Och­sen, 4 Stück Kühe, 55 Stück Schweine, 34 Stück Kälber, 12 Stück Schaafe, 2 Stück Ziegen; zusammen 116 Stück. Von Aus­wärts wurden 1553 Pfund Fleisch eingeführt.

UntkehMlidks.

Die Tochter-erVerstoßenen

Von C. Marold.

(Nachdruck verbot). f5j (Fortsetzung.)

Dalburg strich sanft über ihr erregtes Ge­sicht:Was De ne Thätigkeit anbetrifft, mein Kind, so wirst Du, wenn Dir daran gelegen ist, auch in meinem Hause eine passende Be­schäftigung finden; nur im ersten Augenblick erscheint es Dir unmöglich. Dich hier nützlich zu machen. Deine Befürchtung meinetwegen aber schlage Dir aus dem Sinn. Was ich will, das vertrete ich auch, und wenn Du meinst, daß meine Frau und Asta Dir nicht herzlich genug entgegengekommen sind, so kann ich Dir nicht ganz Unrecht geben, bitte Dich aber, ihnen dieses nicht allzu hart anzurech­nen. Es kann nicht jeder in gleicher Weise herzlich sein, und Deine Tante hat Dich ge­wiß nicht durch ihre Worte kränken wollen. Asta war nur befangen, Du wirst sie bald liebgewinnen, und über Eberhard hoffe ich, wirst Du gar nicht zu klagen haben.

Abgesehen davon, daß ich ihn mir etwas ernster wünschte, kann ich ihn nur loben. Er ist ein herzensguter Mensch, der Dir jeden Wunsch, den Du etwa haben solltest, mit Vergnügen erfüllen wird."

Getruds Gesicht war bei den Worten des Onkels immer finsterer geworden; bei der Er­wähnung Eberhards bedeckte es dunke Röte und ihre Zähne preßten heftig die roten Lip­pen. Unbekümmert darum fuhr der Kommer­zienrat fort:

Du wirst an den Mal-und Musikstunden Astas teilnehmen, wirst überhaupt immer mit ihr zusammen sein. Damit Du auch eine ge­wisse Selbstständigkeit habest,- werde ich Dir monatlich ein bestimmtes Taschengeld geben, das zu der Bestreitung Deiner Garderobe und sonstiger kleiner Ausgaben ausreichen wird. Wenn ich nun dafür meinerseits einen Dienst von Dir verlange, so wäre es der, mir alle Morgen diese Stunde zu opfern und ich hoffe, es soll Dir die Erfüllung die­ses Wunsches nicht allzu schwer werden."

In Gertruds Augen traten Thränen; sie küßte warm die Hand des gütigen Mannes und dankte ihm mit herzlichen Worten.Nun, da Du es befiehlst, Onkel," sprach sie dann, so muß ich wohl hier bleiben und muß ver­suchen, ob ich mich über das schwere Loos hinwegsetzen kann, als unliebsamer Eindring­ling in Deiner Familie angesehen zu werden."

Dalburg ging nicht weiter auf diesen Gegenstand ein; er erkundigte sich nach seiner verstorbenen Schwester, und tiefe Wemut er­griff ihn bei Gertruds Erzählung. Von ihrem Vater wußte sie nicht mehr viel, er war einem schleichenden Fieber erlegen, als sie kaum 4 Jahre alt gewesen, aber sie schilderte der Mutter treues Andenken an den Mann, den sie mit aller Kraft ihrer Seele geliebt

! hatte, dem sie gefolgt war in Verbannung und Not, und dessen Gedächtnis in Ehren zu halten sie der Tochter noch auf dem Sterbe­bette an's Herz .'legte. Ohne auf Dalburgs Stirnrunzeln zu achten, fuhr sie unbeirrt fort: So lange mein Vater lebte, war meine Mutter glücklich, denn über das Unrecht, das ihre nächsten Verwandten ihr und ihrem Manne zugefügt hatten, tröstete sie seine innige Liebe. Als er aber starb und sie mit dem kleinen Kinde in Dürftigkeit zurücktieß, da er­griff sie oft eine heiße Sehnsucht nach der Heimat und nach den Ihrigen. Sie war zu stolz, um da zu bitten, wo mau sie ungehört verstoßen hatte, aber sie konnte mir nicht genug erzählen von ihrer liebevollen, sanften Mutter, von dem verehrten, streng rechtlichen Vater, von Dir, dem geliebten Bruder.

Ich kannte dieses Zimmer, ehe ich es be­trat, ich könnte glauben, daß ich mit ihr hier gelebt habe, und wenn ich dann an ihr lang­sames Hinsiechen in den letzten Jahren.denke, wie Sehnsucht hierher sie fast verzehrte, dann ruft mein Herz schmerzlich aus:O, ihr fehlerlosen Gerechten, kam euch denn nie der Gedanke, daß ihr auch einmal einen Un­schuldigen verdammt habt, daß ihr d i e in Jammer und Elend hinausgestoßen habt, die eine Zierde eures Geschlechts gewesen wäre's"

Der Kommerzienrat erhob sich.Das geht zu weit, Gertrud," sagte er streng.Ich kann es begreifen, wenn Dein Kinscsherz ent­schuldigt, wo Andere anklagen; daß Du aber für falsch erklärst, was klar daliegt, muß ich zurückweisen. Du weißt, daß mein Schwager, Graf Hochheim, in den Geschäftsbüchern, die Dein Vater führte, noch emize der falschen Wechsel fand, die Hermes wohl rasch hinein­gelegt haben mochte, als mein Vater ihn rasch aus dem Zimmer rief. Ich selbst riet ihm damals zur Flucht, weil ich ihn gerne hatte und des Vaters Jähzorn ihm gegenüber fürch­tete. Ich hoffte, er werde von Amerika aus sich rechtfertigen, zum Mindesten sich entschul­digen können. Aber nichts dergleichen geschah; nur meine arme Schwester riß er noch mit sich ins Verderden und sündigte so doppelt schwer an Denen, die von Kindheit an seine Wohlthäter gewesen waren. Doch lassen wir das, Gertrud; er ist tot, und ihm sei verge­ben. Du aber klage nicht die an, die ein Recht hatten, erbittert und hart zu sein."

Hochaufgerichtet hatte das Mädchen vor dem Onkel gestanden, ihre Lippen hatten sich zum Reden öffnen wollen, aber sie bezwang sich, und dabei legte sich langsam ihre Erreg­ung. Sie durfte nicht sprechen; sollte ihre erste Handlung hier sein, den zu kränken­den ihre Mutter so geliebt hatte, und der sie, die arme Fremde, soeben mit seiner Güte über­schüttet hatte. Sie sah gen Himmel.Mutter ich kann es nicht," sagten ihre Augen. Dal­burg schien auch keine Antwort erwartet zu haben; er nahm die vor ihm liegenden Briefe und begann sie durchzusehen. Mit den Worten Ich komme morgen wieder, lieber Onkel," verließ Gertrud das Zimmer.

Vermischtes.

Eine interessante Gerichtsverhandlung steht in Gotha bevor. In derselben soll darüber entschieden werden, ob es einen Mann beleidigt, wenn ein Mädchen in ohne seinen Willen küßt. Ein Gothaer Rentier ist beim Skat neulich in die Lage geraten, daß eine Kellnerin im Uebermut ihm einen herzhaften Kuß auf die Wange gegeben hat. Obwohl allseitig die Sache als ein harmloser Scherz aufgefaßt wurde, so hat der biedere Rentier auch in Anbetracht der Szene, die ihm seine