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berufen. Die Ernennung des Generals von Pfaff zum Kommandeur der 51. Infanterie- Brigade wird amtlich bestätigt. Major von Neidhardt, unser Militärbevollmächtigter in Berlin, wurde zum Oberstlieutenant und Flü­geladjutanten ernannt.

Am letzten Sonntag wurde das neue Arbeiterheim in der Heusteigstraße eröff­net. Dasselbe ist mit Hilfe des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen aus dem ehemaligen Arbeiterbildungsverein hervorqe- gangen. Es enthält außer einem großen Fest­saal, Restourationsräumen rc. auch Wohnungen mit 160 Betten, einfach aber nett eingerichtet, wo den Arbeitern Gelegenheit gegebeu ist, für 5 Mark monatlich Unterkunft zu finden. 138 Betten sind jetzt schon besetzt. Auch sehr zweck­mäßig eingerichtete, für den Fortbildungsunter­richt der Arbeiter bestimmte Räume sind vor­handen, ferner Lese- und Spielzimmer. Alle Räume sind elektrisch erleuchtet. Dem Ein­weihungsakt wohnten zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten bei. Auch der Minister v. Schmid war anwesend. Die Festrede hielt Hofrat Pfeiffer, welcher neben dem Reichstagsabge­ordneten Geh. Com.-Rat Gustav Siegle u. A. einer der Hauptstifter des Arbeiterheims ist, welches seinen Zweck, das sittliche und mate­rielle Wohl der Arbeiter zu fördern, zweifel­los in vollem Masse erfüllen wird.

Aiiöingeil, 25. Nov. Die in den hie­sigen Universitätskliniken unternommenen Ver­suche mit dem Koch'schen Heilmittel haben im Rahmen der von Koch selbst angegebenen Gren­zen eine sehr befriedigende Wirkung gehabt. Für die bisher oft so schwere Diagnose ist das Kochsche Mittel von unbezweifelbar höchstem Wert. Weniger bestimmt läßt sich etwas über seine Heilwirkung sagen. Letztere tritt bei Lupus noch am deutlichsten hervor, dann bei äußerer Tuberkulose, am wenigsten bei innerer Schwindsucht. Hier wird es erst geraumer Zeit bedürfen, bis ein abschließendes Urteil gefällt werden kann. Der Jmpfstopf, welcher aus dem Koch'schen Laboratorium hier eintraf, ist eine Helle bräunliche Flüssigkeit in einem 3 Ctm. hohen Gläschen, das zu 100 Injek­tionen reicht und mit 25 berechnet wird, ein Preis, der nicht über der Apothekertaxe teurer Arzneimittel steht.

Tübingen, 26. Nov. Ein eigentümlicher Fall von Kindesmord liegt der hiesigen Staats­anwalt vor. In der Papierfabrik Dettingen, O.A. Urach, kamen von werschiedenen Seiten Ladungen Lumpen an. In einer derselben fand man eine in Leinwand eingehüllte Kin­desleiche. Die gerichtsärztliche Sektion ergab nach den Eindrücken auf das Gehirn gewaltsame Tötung. Der Leichnam ist jedoch eine voll­ständige Mumie, so daß der Zeitpunkt des Mords nicht festzustellen ist.

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Der Reichsanzeiger veröffentlicht die kaiserl. Verordnung, welche das Attersver- sicherungsgksetz von Neujahr 1801 ab in vollem Umfange in Kraft setzt.

Die Köln. Ztg. berichtet über einen ganz unglaublich klingenden Vorfall. Ein in Davos weilender Kranker habe sich an Dr. W. Leoy in Berlin mit dem Ersuchen um Aufnahme in dessen Klinik gewandt. Die Frage nach den Kosten sei ihm mit der Be­merkung beantwortet worden, die Behandlung werde etwa 1000 wöchentlich erfordern. In der Annahme, die Dep.sche sei verstüm­melt, habe sich der Kranke nochmals brieflich an Dr. Levy gewandt und darauf den Be­scheid erhalten, daß an eine Aufnahme in die

Klinik augenblicklich nicht zu denken sei, der Patient sich aber von Dr. Levy privatim be­handeln lassen könne. Wegen der außerordent­lich geringen Menge Lymphe sei es dem Hrn. Doktor aber nicht möglich, eine Einspritzung unter 300 zu machen. Das genannte Blatt weist darauf hin, daß Koch ein Fläschchen sei­ner Lymphe zu 25 abgibt und daß man mit dem Inhalt desselben mehrere Tausend Impfungen vornehmen könne.

Jena, 26. Nov. In den Nachbarorten Wenigenjena und Kampsdorf find durch Hoch­wasser 15 Häuser zerstört worden. In We­nigenjena sind 9 Personen umgekommen. Der Eisenbahndamm der Saalebahn ist bei Löbstedt 50 Meter weit weggespült.

Aaris, 24. Nov. Die russische Botschaft leugnet den politischen Charakter des Mordes an General Seliverskoff. Letzterer schickte üb­rigens, solange er im Amte war, 15,000 Nihilisten nach Sibirien.

Mailand, 24. Novbr. Gestern wurde unsere Stadt durch ein unerhörtes Verbrechen in die größte Aufregung versetzt. Am Hellen Tage um 10 Uhr Vormittags wurde in einer der belebtesten Straßen ein Raubmord verübt; eins noch junge Frau, Besitzerin eines Gold- und Juwelenladcns, wurde auf eine ganz bar­barische Weise ermordet. Die Thäter müssen den Augenblick abgepaßt haben, wo ihr Opfer allein im Laden war. Bis jetzt hat man der Mörder noch nicht habhaft werden können.

Der Jndianerkrieg hat wirklich begonnen. Aus Newyork wird gemeldet, daß 6000 Indianer die Reservation in westlicher Richtung verlassen haben. Oberst Forsyth ist mit 800 Mann und einer Batterie von vier Kanonen nach dem Pine Ridge-Hauptquartier abgegangen. Auch Buffalo Bill soll im Auf­träge der Regierung nach dem Jndianergebiete abgereist sein. DerNewyork Herald" berich­tet, daß Buffalo Bill's Indianer, die nach ihrer erfolgreichen Reise durch Europa nach Amerika zurückgekehrt sind, sich zur Pine-Ridge- Niederlassung begeben haben und von dort aus sozusagen als Beschwichtig­ungshofräte den blutdürstigen Sioux entgegen­ziehen wollen. Die Ausfalls Bill - Indianer wollen ihren grausamen Brüdern weise Rat­schläge geben und sind davon überzeugt, daß es ihrer Beredtsamkeit gelingen wird, Blut­vergießen hintanzuhalten.

TnikrhMrndrs.

Von C. Marold.

Die Tochter der Verstoßenen

(Nachdruck verboten). f3j (Fortsetzung.)

Der junge Mann, der seiner Schwester auffallend glich, hatte sich nachlässig in einen Sessel geworfen.Die Geschichte scheint Papa sehr erregt zu haben," sagte er,ich glaube nicht liebe Mutter, daß Du diesmal in seinen Entschließungen etwas ändern wirst. Er hat schon alles bestimmt angeordnet: Friedrich soll in Hamburg, ich hier auf dem Bahnhof die ! Cousine abholen, die heute über vier Wochen schon hier sein kann." Er schüttelte sich la­chend.Hu," fuhr er fort,wenn ich mir vorstelle, daß hier neben mir dann die ame­rikanische Kousine sitzt mit ihren dreißig Jah­ren und emanzipirten Gewohnheiten, wird mir schon jetzt bange. Und ist sie vielleicht kein Blaustrumpf, sondern extravagiert nach der andern Seite, so dürfte das wieder weniger i nach Euerem Geschmack sein, nicht war, Asta?" ! Asta schwieg. Sie dachte an die nie ge­

kannte Verstorbene, welche Heimat, Vater und Mutter verlassen hatte, weil die Allgewalt der Liebe sie hingezogen zu dem Manne ihrer Wahl. Wie mußte sie ihn geliebt haben, daß sie ihm treu geblieben war, als er schwer ge­fehlt hatte und Alle ihn verließen, daß sie ihm gefolgt war in Armut und Verbannung, treu bis in den Tod in Asta's jungem Herzen begann leise und langsam eins Ahnung von der Opferfähigkeit treuer Liebe sich zu regen.

Als die Familie zum Mittagessen sich ein­fand, hatte der Kommerzienrath mit wenigen Worten seiner Gattin den Sachverhalt mitge­teilt und ihre Einwendungen mit der bestimm­ten Erklärung abgeschnitten, daß vas seine Angelegenheit fei, in die ihm Niemand Hinein­reden dürfe. Er erwarte von seiner Frau sowohl wie von seinen Kindern, daß sie der neuen Verwandten mit gebührender Höflichkeit begegnen würden, damit ihr kürzerer oder längerer Aufenthalt in seinem Hause der Welt keine Veranlassung zu böswilligen Bemerkungen gäbe. Damit war das Thema beendet, und Frau Dalburg und ihre Kinder mußten sich zufrieden geben.

3.

Die Worte sollen nicht Dornen sein. Das bange Herz zu verwunden.

Es wird ja doch so selten ein Strauß Von Rosen dem Leben gebunden.

Stelter.

In der Bahnhofshalle hastete und drängte es von allen Seiten. Soeben war der Ham­burger Zug angekommen, und Hunderte von Reisenden stiegen aus den geöffneten Wagen. Alles suchte nach dem befreundeten oder ver­wandten Gesichte, das in der Menge entdeckt werden sollte, und manches begrüßende, herz­liche Wort tönte aus dem Stimmgewirre her­vor.

An einer Säule des Bahnhofsgebäudes standen zwei junge Leute, welche sich die vor­überziehenden Leute vergnügt ansahen und mit witzigen Bemerkungen über einzelne da­runter nicht zu sparen schienen.

Sieh', Eberhard," sagte der eine, indem er auf eine auffallend häßliche kleine Dame zeigte,ist das vielleicht Deine kleine Ameri­kanerin? O Du Glückspilz, ein so reizendes Wesen einst die Deine nennen zu dürfen."

Er schien in dieser Weise schon öfter über die Kousine gesprochen zu haben', denn dieser wandte sich ärgerlich zu ihm und antwortete: Ich weiß nicht, Vetter Hochheim, wodurch ich Veranlassung zu dieser fortwährenden Neckerei gegeben habe. Daß die Kousine auf Papas ausdrücklichen Wunsch in unser Haus kommt, weißt Du, und daß wir schon um seinetwillen ihr mit der gebührenden Höflichkeit begegnen werden, ist selbstverständlich. Daß ich mich aber in sie verlieben könnte, auch wenn sie keine solche Vogelscheuche wäre, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Meine Ansichten über Standesehre sind zu fest mit mir ver­wachsen, als daß es mir jemals einfallen könnte, an der Tochter eines Abenteurers, ei- nes Betrügers, Gefallen zu finden."

Vermischtes.

Ein schweres Unglück ist wie dieN. Fr. Pr." berichtet, am 24. ds. über die Stadt Karlsbad hereingebrochen. Eine Hochfluth, wie sie seit Menschengedenken daselbst nicht mehr erlebt wurde, hat fürchterliche Zer­störungen angerichtet. Durch den anhaltenden Regen stieg am Montag früh die Tepl plötzlich so heftig, daß innerhalb einer Stunde alle niedrig gelegenen Straßen einem reißenden Strom glichen. Die Verkaufsbuden standen bis zum