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Amis- und Auzeigc-Dlatt für Wildba- und Umgebung.

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Uro. 1O8.

Samstag, 29. Wovember 1890

26 . talii'gang.

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Wochen-Rundschau.

Wildbad, 28. November.

Württemberg hat eine ausgeprägt po­litische Woche hinter sich. Die deutsche Partei hielt eine Vertrauensmännerversamm­lung ab und beriet einige Organisationsfragen. Bei Besprechung der Frage der Lebensläng- lichkeit der Ortsvorsteher stellte sich heraus, daß die große Mehrzahl des Parteidelegirten mit den diesbezüglichen Ansichten der Partei­organs durchaus nicht einverstanden sind. Um innere Partcizerwürfnisse sernzuhalten wurde deshalb beschlossen, gerade die brennendste Frage der Gegenwart von dem Parteipro­gramm auszuschließen und jedem Parteimit­glied zu überlassen, ob es sich dafür oder dagegen erklären wolle. Auch die Volks­partei hat eine Vertrauensmänner-Versamm- lung abgehalten und ihre Vorstandsmitglieder gewählt. Die bedeutenste politische Kundgeb­ung war aber der Ulmer Katholikentag, zu welchem trotz Sturm und Regen so zahl­reiche katholische Männer aus allen Landes- teilcn herbeiströmten, daß 9 verschiedene Ver­sammlungen abgehalten werden mußten, in welchen überall über dieselben Themen ge­sprochen wurde und gleichlautende Resolutio­nen zur Annahme gelangten. Beide, Reden und Resolutionen waren von äußerst versöhn­lichem Geiste gegenüber der evangelischen Kon­fession beseelt und bekunden außerordentlich viel politische Klugheit und Takt.. Der Fehde­handschuh, welche der Sozialistenkongreß zu Halle den Katholiken hingeworfen hatte, wurde allerdings auf dem Ulmer Katholikentag mit kräftiger Entschiedenheit aufgehoben, anderer­seits aber alles vermiede», was den konfessio­nellen Frieden im Lande stören könnte. Das Unwetter der letzten Tage hat in vielen Gegenden Deutschlands große U e b e r- schwemmungen zu Folge gehabt, welche da und dort bedeutenden Schaden anrichteten. Es wird eine Aufgabe aller deutschen Regie­rungen sein, durch systematische und gemein­

same Vorkehrungen nicht nur durch Uferbauten am Mittel- und Unterlauf der Flüsse, sondern auch durch Thalabsperrungcn an deren Ober­lauf, sowie durch Aufforstung geeigneter Höhen, künftigen Wasserschäden energisch vorzubeugc». In dem preußischen Landtag werden gegenwärtig die Steuerreformvorschläge des neuen Finanzministers Miguel beraten. Letzterer hat den Gewohnheitsörgler Eugen Richter, so gründlich abgeführt und seine Vorlagen so geschickt verteidigt, daß deren Annahme, wenigstens in der Hauptsache, schon heute als gesichert erscheint. Der deutsche Reichstag hält seine zweite Sitzung am 2. Dezember ab. Die Frage der Aufhebung des Jesuiten-Ausweisungsgesetzes dürfte alsbald zur Sprache kommen und von der Rcichsmehr- heit auch angenommen werden, da die Frei­sinnigen und Demokraten nicht wagen werden, dagegen zu stimmen. Der päbstliche Nuntius in Wien, Galimberti, soll im Auftrag des Vatikans persönlich nach Berlin kommen um die Regierung für die Aufhebung des Jesui- tenausweisungsgesetzcs geneigt zu machen. Der seit vielen Wochen mit dem Tode ringende König Wilhelm III. von Hol­land ist letzten Sonntag früh, im Alter von 73 Jahren auf seinem Schlosse Loo ge­storben. Er war ein streng konstitutioneller Fürst und kümmerte sich möglichst wenig um die Regierung weshalb er auch in Holland trotz mancherlei persönlicher Schwächen ziem­lich beliebt mar. Den Luxemburgern ist er persönlich möglichst fremd geblieben. Letztere nehmen deshalb ihren neuen Groß Herzog Adolf, den früheren Herzog von Nassau, um so freudiger auf, als dieser wegen seiner vorjährigen kurzen Regentschaft in Luxemburg sich äußerst beliebt zu machen verstand. Die niederländische Krone geht, weil in Holland die weibliche Erbfolge besteht, auf die zehn­jährige Tochter des verewigten Königs, Wil­helmine, über. Diese junge Majestät, für welche bis zu ihrer Großjährigkeit ihre.Mutter, die Königin-Witwe Einma (bekanntlich eine Schwägerin unseres Prinzen Wilhelm von Württemberg) die Regentschaft führt, ist immer­hin noch 6 Jahre älter als der junge König von Spanien. Der Königin-Negintin Emma steht ein neungliedriger Regentschaflsrat zur Seite. Durch die Ermordung desrussischen Generals Seliwerstow in Paris durch einen andern Russen namens Padlewski, wel­cher der französischen Polizei glücklich entkom­men zu sein scheint, ist den Franzosen eine peinliche Verlegenheit erwachsen. Die franzö­sische Republik kann unmöglich die russischen Flüchtlinge an Rußland ausliefern, während andererseits der von den Franzosen so viel umworbene Zar eine absolute Sicherheit seiner

in Frankreich lebenden Günstlinge verlangt. Ob übrigens Seliwerstow aus politischen Grün­den ermordet wurde ist noch gar nicht ausge­macht; er könnte auch, da er in moralischer Hinsicht sehr gesunken war, leicht einer Privat­rache zum Opfer gefallen sein. Letzter Tage ist das englische Parlament wieder zusammengetreten. Der in so häßlicher Weise als ehr- und gewissenloser Don Juan blosge- stellte Jrenführer Parnell, zeigt bisher keine Lust auf sein Abgeordnetenmandat und auf seine Führerrolle zu verzichten, da ihn die irischen Abgeordneten einstimmig wieder zu ihrem Führer gewählt haben. Um so größer ist die Verlegenheit in der liberalen Partei des englischen Unterhauses und deren Führer Gladstone hat öffentlich erklärt, er werde gänzlich vom politischen Schauplatze zurück­treten, wenn Parnell Abgeordneter bleibe. Wenn der Ministerpräsident Salisbury im nächsten Frühjahr das englische Parlament auflöst, so wird der Parnellskandal der konser­vativen Partei bei den Neuwahlen sehr förder­lich sein. Der Ausfall der italienischen Parlamentswahlen hat die Hoffnungen des Ministerpräsidenten Crispi, welcher selbst in 4 sizilischen Wahlkreisen gewählt wurde, bei weitem übertroffen. Die Anhänger der Regierung haben in dem neuen italienischen Parlament eine gewaltige Mehrheit. Das italienische Volk hat durch diese Wahlen gezeigt, daß es von den Franzosen nichts wissen, aber im Interesse des europäischen Friedens um so entschlossener den Dreibund erhalten will. Für die Franzosen bedeutet dieser Wahlaus- sall einen empfindlichen Schlag und da ein Unglück selten allein kommt, hat auch noch de, Papst die republikanische Kundgebung des Kardinals Lavigerie in Algier desavouiert. Die serbische Exkönigin Natalie hat ihr Projekt, der serbischen Skuplschina ein Memonandum bezüglich ihrer Ehescheidung vorzulegen, wieder aufgegeben, nachdem ihr die serbische Regierung energisch den Stand­punkt klar gemacht hat. Die intriguante Frau scheint demnach doch ihre politische Rolle in Serbien ausgespielt zu haben.

Württemberg.

Stuttgart, 27. Nov. Seine Königliche Majestät haben heute den aus Enlangd zu­rückgekehrten Prinzen Hermann zu Sachsen- Weimar-Eisenach, Hoheit in Audienz empfangen. Gestern nahmen Se. Maj. den Bericht des wieder von Berlin hier eingetrcffenen Leibarztes Obermedizinalrats Dr. von Fetzer über das Koch'jche Heilverfahren entgegen.

Stuttgart, 26. Nov. General v. Fal­kenstein wurde bis zu seiner Verwendung als D Visionskommandeur ins Kriegsministerium