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n Hamburg und Altona ziehen mit scharfen Patronen auf.
Göttinger», 23. April. Der hiesigen städtischen Altertumssammlung ist kürzlich ein Gegenstand einverleibt worden, der wohl allein in seiner Art darsteht. Es ist dies die Thür des ehemaligen Universitätskarzers, auf welcher der stuck. jur. v. Bismarck im Jahre 1833, während er eine Karzerhast abbüßte, seinen Namen in großen Buchstaben eingeschrieben hat.
Wien, 28. April. Betreffs der Aufstellung von Truppen am 1. Mai sind genaue Anordnungen getroffen. In der inneren Stadt werden an mehreren öffentlichen Gebäuden zum Schutze der öffentlichen Gebäude und Banken größere Abteilungen stehen; im Prater in der Nähe der Rotunde am Trabrennplatz und in den Vororten sind Einquartierungen bereits durchgeführt.
Brüssel, 27. April. Ein bei Gelegenheit des Aktendiebstahls an Frankreich ausgeliefertes Dokument betrifft einen Geheimbericht über Belgiens Haltung im Falle eines deutsch-französischen Krieges.
Baris, 23. April. Exkönig Milan von Serbien, der zur Zeit hier weilt, giebt seiner Umgebung Anlaß zu lebhafter Besorgnis hinsichtlich seines geistigen Zustandes. Die Exzentrizitäten des Exkönigs werden geradezu zum Skandal. Gestern abend hat sich Milan in Gegenwart zweier Damen auf offener Straße vor dem Duval'schen Restaurant derartig betragen, daß sogar die Polizei hat einschreiten müssen. Nur seinem Range hat er es zu verdanken, daß er wieder sreigelassen wurde.
Wom, 28. April. In allen Industriestädten agitirt die sozialistische Partei eifrigst für Demonstrationen zum ersten Mai. Die Römische Arbeiterliga beschloß, am genannten Tage die Arbeit auszusetzen. Eine ähnliche Agitation ist in Faenza, Neapel, Turin im Gange, wo große Straßen-Umzüge geplant find. Die Behörden verboten jedoch streng jede öffentliche Kundgebung und trafen große polizeiliche und militärische Maßnahmen.
London, 23. April In Guadalajara (Mexiko) stürzte während eines Stiergefechts das Amphitheater ein, wodurch Hunderte von Personen verletzt wurden.
— Die deutsche Viktoria-Nyanza-Expedition unter der Leitung Emin Pascha's hat am Freitag ihren Marsch von Bagamayo aus angetreten. Fünf deutsche Offiziere und eine starke Abteilung nubischer Soldaten (Sudanesen) bilden den militärischen Teil der Expedition, welche außerdem etwa 600 Lastträger zählt. Die Expedition soll bekanntlich das Hinterland des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes näher erforschen und hierbei überall »die deutschen Interessen wahren, eventuell die deutsche Flagge am Viktoriasee aufpflanzen. Die Dauer des Unternehmens ist auf 10 Monate berechnet.
TnitchalknLts. Zwei Spieler.
Von Lothar Hort.
(Schluß.)
Ich stand da, keinen Kreuzer in der Tasche, und hatte tausend Gulden ärarischen Geldes verspielt.
Mein Puls hämmerte, Mund und Kehle waren mir ausgetrocknet, und mein Kopf war ganz wüst, aber so viel war mir doch klar — auf dieser Erde war kein Räum mehr für mich.
Noch ein Gedanke hielt mich aufrecht. Wie
meinen Eltern das Schrecklichste verbergen? Das viele Wasser, das mich heute so entzückt hatte, mußte mir behilflich sein. Man würde meinen Leichnam finden — das Geld allerdings, das würde fehlen, doch dafür fand sich leicht eine Erklärung. Nur Wenige hatten mich hier gesehen, und die Kameraden verrieten mich sicher nicht. Unter solch trostlosen Erwägungen wandte ich dem Unglückstische den Rücken, — da — ich glaubte, das Blut gerinne mir — stand gerade der Mann vor mir, dem ich in dieser Stunde nicht begegnen durfte. Unsere Augen begegneten sich und blieben lange ineinander haften. Es war der Rechnungsrat M . . . . Wie er dorthin gelangt war, weiß ich nicht. Unter den Spielern hatte ich ihn nicht gesehen; allerdings war ich zu sehr mit meinen Angelegenheiten beschäftigt gewesen.
Nun war alles verloren, denn dieser Mann kannte mein Geheimnis.
Die gelbe Leinwand entfiel meiner Hand und mir schwand das Bewußtsein.
Irgend Jemand führte mich in's Freie, und an der frischen Luft erholte ich mich alsbald. Doch ein Blick auf meinen Begleiter brachte mir das Entsetzliche meiner verzweifelten Lage wieder vor Augen. ^
Der Rechnungsrat ließ meinen Arm los. „Was gedenken Sie nun zu thun?' fragte er; die Worte kamen langsam, fast ängstlich hervor.
„Mich erschießen!" sagte ich trotzig. „Was denn sonst?"
Er sah eine Weile sinnend vor sich hin, dann legte er seine Rechte auf meine Schulter. „Thun sie das nicht! ... Sie sind ja fast ein Kind noch — da ist der Leichtsinn zu verzeihen und auch zu bessern." Seine Stimme bebte. „Ganz anders ist's bei einem alten Manne — einem Familienvater — Ihnen steht die Welt offen ..."
„Aber was soll ich thun?" unterbrach ich ihn. Morgen weiß es die ganze Welt — meine Eltern ..." und Thränen traten mir in die Augen.
„Niemand braucht es zu erfahren," ent- gegnete er. „Wann geht Ihr Transport ab?"
„Um acht Uhr Früh."
„Es ist ein Uhr jetzt. Gehen Sie schlafen; um sechs Uhr kommen Sie in mein Bureau. Sie finden mich dort allein, ich will Ihnen den Betrag nochmals auszahlen."
„Aber wie können Sie das?!"
„Das geht ohne Anstand; da seien Sie unbesorgt!"
„Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll!" rief ich glückselig. „Ich will gleich von Verona an meine Eltern schreiben und den Betrag ersetzen."
„Das machen Sie, wie Sie wollen. Auf Wiedersehen denn um sechs Uhr — und machen Sie keine Dummheiten!"
Ich war so glücklich, so dankbar! Ich gab ihm mein Ehrenwort, nie wieder zu spielen.
„Glaub Ihnen gern; werden's wohl bleiben lassen."
Damit schieden wir.
Natürlich schloß ich kein Auge und schon um 5 Uhr fand ich mich beim Kriegscommis- sariate ein. Es war auch schon Heller Tag geworden.
Kurz vor der anberaumten Zeit erschien der Rat.
Er warernstundgemessen, erwidertenurflüchtig meinen Gruß und schritt an mir vorüber. Ich folgte ihm mit klopfendem Herzen.
In sein Bureau gelangt, öffnete er ein Pult und entnahm derselben mehrere Noten, die er nach flüchtiger Durchsicht mir einhändigte. ,
Diesmal ließ ich das Ueberzählen sein und schob die Noten in meine Tasche, doch konnte ich mich eines peinlichen Gefühls nicht erwehren.
„Quittung?" stammelte ich.
„Nicht nötig."
Ich wollte danken.
„Lassen Sie das! Schon gut und glückliche Reise!"
Ich bot ihm die Hand. Er drückte sie mit einem frohen Ausdrucke im Gesichte und schob mich sanft zur Thür hinaus . . .
Mit welchen Gefühlen ich zwei Stunden später in meinem Coupö saß — davon, meine Herren, können Sie sich keine Vorstellung machen. Ein dem Tode und der Schand, Entronnener! Diesmal war ich herzlich frohe daß ich ohne Gesellschaft blieb.
In Verona legte ich meine Rechnung ab und wurde für die gute Führung des Transportes speziell belobt; wie sehr ich dieses Lob verdiente, wußte ich nur zu gut . . .
Noch ein schwerer Schritt stand mir bevor: die Beschaffung der tausend Gulden, die ich meinem Retter so rasch wie möglich zusenden wollte. Ich schrieb nach Hause, legte ein unumwundenes Geständnis ab und bat um das Geld, wiewohl ich wußte, daß ich ein großes Opfer verlangte.
Zwei Tage nach meiner Ankunft in Verona — mein Brief befand sich schon unterwegs, saß ich nach Tisch im Cafü Grande auf dem Hauptplatze. Die Zeitungen waren eben eingelangt, doch konnte ich nicht sogleich einer habhaft werden; ich horchte darum auf den Nachbartisch, wo ein Kamerad einige interessante Nachrichten ven andern vorlas.
Plötzlich hölte ich einen Ausruf der Entrüstung, ein häßliches Wort — jetzt sahen einige der Herren in das Blatt und so hielt jener im Vorlesen inne. Aber den Namen M . . . . hatte ich deutlich vernommen.
Ich fühlte mich nicht wohl und verließ das Lokal. In einem Cigarrenladen kaufte ich das Blatt, das ich in den Händen der Herren gesehen hatte, um es zu Hause zu durchforschen.
Ich brauchte nicht lange zu suchen; es war eine kurze Notiz, die mich zu Boden schmetterte. „Am 8. Mai" — das war jener Tag, an dem ich den bewußten Betrag zum zweitenmal ausbezahlt erhielt — „hat sich der Rechnungsrat M . . . .in dem Augenblicke erschossen, als die Revisions-Commission, die sich tagsvorher angesagt hatte, dessen Bureau betrat. Der Beamte stand in dem Rufe hoher Rechtschaffenheit und genoß die allgemeine Achtung, doch soll er in den letzten Monaten dem Spiele gefrönt haben. Die Scondirung ergab ein Deficit von 12 000 Gulden."
Die Nachricht erschütterte mich derart, daß ich in ein Nervenfieber verfiel; mein Leben hing an einem Faden.
Ich genas und meine ersten Schritte lenkte ich zum Obersten, dem ich die ganze Angelegenheit vortrug und die tausend Gulden, die mittlerweile angelangt waren, übergab.
In Anbetracht meiner Jugend, meines Zustandes und meines reumütigen Geständnisses kam ich mit einer scharfen Rüge davon.
Meine Eltern und die Kameraden verziehen mir erst, als ich im nächstfolgenden Jahre in Folge einer Waffenthat den Orden und eine schwere Wunde davontrug.
Meinem Retter aber bewahrte ich ein dankbares Andenken, und nach Jahren — ich war durch eine Erbschaft ein reicher Mann geworden — tilgte ich das Aeußerliche seiner Schuld und ließ ihm einen Denkstein setzen. Als ich die Nachricht von dessen Vollendung erhielt, reiste ich nach Venedig, um das Werk