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Unternehmer verschiedener Provinzialbühnen sein Glück versucht hatte, wurde er durch den be­kannten Dänen Hansen, den er auf seinen Reisen durch Belgien und Holland begleitete, zu dem Hypnotismus geführt. Böllert kämpfte redlich für das Wohl und die Existenz seiner Familie, und jetzt, wo ein väterliches Erbe ihn in den glücklichen Stand gesetzt hatte, für die Seinen reichlich zu sorgen, warf ihn die Krankheit auf das Sterbelager, von dem er sich nicht mehr erheben sollte. Seine Bestattung durch Feuer soll in diesen Tagen in Gotha stattfinden.

Wamöerg, 20. Aug. (Uebersahren.) Der gestrige Abendpersonenzug nach Würzburg über­fuhr beim Hallstadter Uebergang eine Kutsche. Drei Personen sind tot, eine schwer verletzt. Der Bahnwärter hatte geschlafen; er ist ver­haftet worden. Eine weitere Meldung besagt, daß der Unfall, bei welchem auch das Pferd des Einspänners tot blieb, auf der Station Oberhard passierte.

In dem Dorfe Worbeck bei Essen schlug während eines furchtbaren Gewitters der Blitz in das mit vielen Hunderten von Menschen gefüllte Schützenzelt, tötete den Sohn eines Landwirts und betäubte eine größere Anzahl von Personen. Das Fest wurde na­türlich sofort eingestellt.

Werlin, 22. Aug. Nach derNat.-Ztg." darf als durchaus feststehend festgehalten wer­den, daß der Besuch des Zaren in den nächsten Wochen stattfinden wird. Die Wahl der Route wird offen gelassen. Es sind Vorbereitungen für drei Linien und mehr getroffen, was nicht sagen wolle, daß eine derselben benützt wird. Der Besuch selbst werde in Potsdam ab gestattet werden; militärische Schaustellungen dürfen keine stattfinden.

Lübeck, 22. Aug. Nach einer zuverläs­sigen Meldung derLübecker Zeitung" aus Kopenhagen reist der Zar am Samstag Nach­mittag mit seiner Familie von Petersburg nach Kopenhagen ab. (Fr. I.)

Leipzig, 18. Aug. (Verliebte Weiber.) DerN. Pr. Z." wird von hier vom 14. August geschrieben: Als gestern die Beduinen­truppe, welche bisher im Zoologischen Garten Vorstellungen gab, nach Magdeburg abreiste, kam es auf dem Bahnhofe zu skandalösen Auf­tritten. Eine Anzahl Frauenzimmer hatten sich im Wartesaal eingestellt, um sich von den Wüstensöhnen zu verabschieden. Trotzdem sie wiederholt hinausgewiesen wurden, fanden sie immer wieder Eingang. Die Afrikaner wur­den geradezu umlagert und umarmt, und das alles vor den Augen des Publikums und in einer mitunter ganz cynischen Weise. Vor den Eisenbahnwagen wiederholten sich die wider­lichen Abschiedsscenen auf's mue. Ein Frauen­zimmer soll den Beduinen sogar von Breslau aus nachgereist sein.

Straßüurg, 23. Aug. Der Huldigungs­zug der Vereine, woran gegen 100 Vereine mit 8000 Personen teilnahmen, verlief glän­zend und großartig. Der Kaiserpalast war vielfarbig erleuchtet. 400 Turner bildeten mir Fackeln ein riesiges IV und Die Sänger trugen mehrere Lieder vor. Der Bürgermeister brachte ein Hoch auf das Kaiserpaar aus. Die Majestäten dankten grüßend vielfach von dem Balkon des Kaiserpalastes aus. Die un­geheure Menschenmenge brachte begeisterte Hul­digungen dar.

Das Kaiserpaar ist in Begleitung des Großherzogs von Baden und des Statthalters unter dem Glockengeläute des Münsters um 8Ve Uhr nach Metz abgereist. Auf der Fahrt zum Bahnhofe brachte eine dichtgedrängte,.Men- schenmenge den Majestäten erneute Huldigungen dar. Am Bahnhofe verabschiedeten sich die'

Majestäten aufs herzlichste und sprachen sich nochmals anerkennend und dankend über den Empfang in Straßburg aus

Aus Sonderburg auf Alfen wird be­richtet: Der Bischof Jörgen Hansen, Pastor zu Eken, ist im Alter von 87 Jahren gestor­ben. Er war zu Tandslet als Sohn des Schunds Christian Hansen geboren. 1848 wurde er zum Bischof über Alsen und Aerve ernannt. Er hat über 62 Jahre ununter­brochen im Amte gestanden.

Wien, 21. August. Ein furchtbares Hagel­wetter, bei dem Schloffen in Eigröße nieder­gingen, wütete gestern in Südmähren. Die Correspondance de l'Est meldet das Auftauchen von Jnsurgentenbanden in der Herzegowina; mehrfache Zusammenstöße mir Grenzpatrouillen sollen bereits stattgefunven haben.

Wern, 22. August. Das einstige große Kloster Muri im Aargau, jetzt Pfleganstalt für 200 arme Kranke, ist in der vergangenen Nacht niedergebrannt. Alle Kranken sind ge­rettet; die Kirche wurde erhalten.

Die Schweizer Anarchisten haben, wie aus Bern gemeldet wird, durch ihre Agenten ein Manifest verbreiten lassen, in dem der Bun­desrat mit der schmeichelhaften AnredeRe­gierungsbande" beehrt wird. Er, der Bun­desrat, sei/ so heißt es weiter, zum Gendarmen der benachbarten Regierungen herabgesunken und ein Spitzel Bismarcks geworden. Gegen den Bundesanwalt wird in aller Form Protest eingelegt. Die Polizei hat dieses Machwerk konfisziert, obwohl sie die Echtheit desselben bezweifeln soll.

Wrüssel, 21. August. In Luxemburg führte die Ankündigung der Verlobung der Prinzessin Margarethe mit dem Erbprinzen Wilhelm von Nassau eine antideutsche Kund­gebung herbei. In einem am Bahnhof gele­genen Kaffeehaus erschollen die Rufe:Hoch Frankreich! Nieder mit Deutschland!"

Waris, 20. Aug. Von 26000 Offizieren der aktiven Armee hatten sich 59 politisch mit Boulanger eingelassen; 2 derselben wurden pensioniert, 9 entlassen, 6 versetzt, 32 Land­wehr-Offiziere gestrichen; ferner wurden 31 Unteroffiziere des stehenden Heeres resp. der Reserve degradiert, entlassen, versetzt ober zu Haft verurteilt, 8 Gendarmen oder republi­kanische Garden kommen vor das Kriegsgericht; ein Zivilbeamter des Kriegsministeriums wurde entlassen. Ferner erklärte Freycinet dem Mini­sterrate, die bezüglich der Geheimfonds ge­nannten Beamten des Kriegsministeriums treffe kein Tadel.

Wom, 21. August. DieTribuna" will erfahren haben, die französische Regierung habe dem Papst Avignon als Residenz angeboren; als Gegenleistung solle der Papst sich ver­pflichten, Frankreich in dem unvermeidlichen Kriege gegen Italien zu unterstützen. Der Kardinal Lavigerie leite die Verhandlungen. Der Papst sei entschlossen, im Februar nach Avignon abzureisen, da der Ausbruch des Krieges im März zu erwarten sei. (Na, na, vielleicht wird sich die Sachs bis dahin noch abändern lassen). (Berl. Tgbl.)

Der König von Italien hat mit dem Kronprinzen auf seiner Reise nach den südlichen Provinzen auch der Felseninsel Caprera einen Besuch abgestattet und am Grab Garibaldis einen Kranz niedergelegt. Dieser Akt der Pietät wird dem König von der italienischen Presse sehr hoch angerechnet; dieRiforma" sagt, der König habe nochmals bewiesen, daß er der erste Bürger Italiens sei und die Gesinnungen ge­treu verdolmetsche.

London, 19. Aug. (Große Geschenke.) 'Vor einigen Tagen langte im Palais des

Thronfolgers, Marlborough House ein regi­strierter Brief an, der Lstr. 10 000 (200000 Mark) in englischen Banknoten enthielt. Die Sendung stammte von einer unbekannten Dame, welche um Entschuldigung für das Geschenk bat, da ihr Einkommen ihre Bedürfnisse weit übersteige.

London, 22. August. Das gegen Frau Maybrick wegen Giftmordes gefällte Todes­urteil wurde in lebenslängliche Einschließung umgewandelt.

In verschiedenen Teilen Englands wütete am 20. ein überaus heftiger Sturm, der zahlreiche Schiffsunfälle, gepaart mit Le­bensverlust, verursachte. Auf der Höhe von Southport kenterte ein Fischerboot und dessen Mannschaft ertrank. Andere Boote werden vermißt. An der nordwalli fischen Küste ken­terte eine Jacht, deren Mannschaft ein Wellen­grab fand.

Der Zustand des Großfürsten Kon­stantin Nikolajewitsch von Rußland wird als ein völlig hoffnungsloser geschildert. Der Kranke leide so schwer, daß man ihm nur eine baldige Erlösung wünschen könne. Die vollständige Unmöglichkeit, sich verständigen u. seine Wünsche äußern zu können, soll den Kranken furchtbar erregen und auch für seine Umgebung sehr peinlich sein.

20. Aug. (Explosion.) Aus Shan­ghai wird gemeldet, daß auf einem Dampfer, dessen Maschinen in China konstruiert waren, während der Probefahrt desselben der Dampf­kessel explodierte, wodurch von der eingeborenen Mannschaft 30 Personen getötet wurden.

Unterhaltendes.

Deutsch oöev Ircrnzösrsch?

Eine Erzählung aus den Reichslanden von Hugo von Rittburg.

(Nachdruck verboten.)

Ein köstlicher Abend, an dem der Chevalier de Hautepied in Begleitung seiner Tochter Gertrud sich durch die Allen seines Parkes wieder seiner Villa näherte, senkte sich herab. Die Sonne sandte ihre letzten Blicke wie eine scheidende Geliebte der Erde zu, Alles ver­goldend, was sie berührte und so auch das Paar, das ihr abgewandt nun die Terrasse zu dem kleinen Schlößchen hinanschritt.

Die Gestalt des Chevaliers hatte etwas Ritterliches, sie war groß und ebenmäßig; das Gesicht trug den französischen Charakter, die gebogene Nase und der Bart, wie ihn die Franzosen vom Jahre 1870 sich wachsen ließen. Der Teint des Antlitzes war gebräunt, Hand und Bart zeigten sich weiß.

Gertrud besaß dagegen den deutschen Charak­ter schon im Antlitz, sie war blond und blau­äugig, ihr Blick nicht herausfordernd kühn, aber von jener Milde, die ihres' Sieges gewiß ist. Dieselbe Zartheit spiegelte sich in der Reinheit der Form, die Nase eben und gerade, nicht gebogen, erinnerte mehr an Hellas als an Rom. Sie war groß, erschien jedoch kleiner, als sie war, schön und graziös in ihren B. wegungen.

Sie war erst seit wenigen Wochen in die väterlichen Hallen aus der Pension heimge­kehrt, und es fiel ihr heute zu, den Vater aufzuheitern; denn der Zug einer tiefen Trauer zeigte sich auf seinem Antlitz, war es doch heut der Tag, an dem er seine innig geliebte Gat­tin beerdigt chatte. Die Beiden kamen eben von der Stätte, wohin man sie gebettet hatte: eine Art Erbbegräbnis in dem Parke.

Väterchen sagte jetzt das junge Mädchen, erzähle mir doch, wie Du die gute Mama, fandest."