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. Lebenskraft, zuweilen sogar die Bedingung des Gedeihens und der Entwicklung. Schädlich sind nur krankhafte erregte Wucherungen und Auswüchse, Unredlich­keit und Verläumdung, Hetzerei und Ver­ketzerung, Dünkel und Ueberschätzung der Parteipäpste und Genregröße. Möge das neue Jahr den Fanatikern echt deutsche tolerante Gesinnung, den begabten Führern etwas Selbstbeschränkung und Bescheiden­heit, den Heißspornen die erforderliche Ruhe, den Irrenden Erleuchtung, den Ver­führten Erkenntnis bringen, Verständnis auch für jene goldenen Worte unseres Kaisers, daß es genug große und gemein­same Aufgaben der Zeit giebt, bei deren Lösung wir Alle gemeinsam zum Wvhle des Vaterlandes zu arbeiten vermögen. Das bleibt des Kaisers Wunsch und wahrlich, einen besseren Neujahrs­wunsch vermögen wir auch nicht zu ver­künden. Wird er treu und redlich, in Nächstenliebe und mit Eifer erfüllt, so wird auch das neue Jahr ein gutes und segensreiches werden. In dieser Hoffnung ertönen unsere Wünsche: Prosit Neu­jahr'. Möge es nützen und Glück und Segen bringen! Fröhliche Feiertage!

Württemberg.

Gestorben : 27. Dez. zu Hechingen Axel, Graf von Schwerin, köngl. Oberamtmann in den Hohenzollern'schen Landen, Lieut. a. D., Inhaber des eisernen Kreuzes, 38 I. a.

Stuttgart, 28. Dezbr. Das Haus in der Neckarstraße, in welchem Baron v. Wood- cock-Savage und M. Hendryks wohnten, ist von dem bisherigen Besitzer Herrn Karl Hall­berger (Direktor der Deutschen Verlagsanstalt) an Herrn Dr. Nachtigal um 200 000 ver­kauft worden. Was die Einrichtungen des Hauses anbelangt, die allerdings vornehm und geschmackvoll, aber keineswegs von jener feen­haften Pracht war, wie man sie in übertrie­benen Schilderungen darzustellen beliebte, so ist dieselbe im alten Schloß untergebracht.

" I Weuenöürg, 27. Dezbr. Gestern abend verunglückte ein Mann von Dobel dadurch, 1» er auf der Station Rothenbach aus dem Zvereits im Gang befindlichen Zug heraussprang und so unglücklich zwischen die Rampe und den Wagen kam, daß er eine starke Quetsch­ung des Oberschenkels erlitt. Auch der hinzu­kommende Condukteur, welcher energisch An­griff, wurde hiebei verwundet. Dieser be­dauerliche Vorfall wurde also wieder, wie schon so oft, durch Herausspringen aus dem fahrenden Eisenbahnzug verursacht. Man sollte meinen, ein jeder Passagier sollte sich der stets drohenden Gefahr bewußt sein und in keinem Fall das strenge Verbot überschreiten. Im vorliegenden Fall befand sich der Verunglückte " im 7 Uhr Zug von Pforzheim her uud wurde, weil schlafend, noch auf der Station Roten­bach von einem Kameraden geweckt, worauf er noch dem sich bereits bewegenden Zug ent­kommen wollte, um den Heimweg anzutreten. Hr. Oberamtswundarzt Dr. Süßkind telegra­phisch berufen, legte dem Verunglückten den ersten Verband an und ließ ihn noch auf seinen Wunsch nach Hause befördern. (Enzth.)

Metigheim, 26. Dez. Ein empörender Akt viehischster Verrohrung, wie er vor weni­gen Tagen in unserem Nachbarort Metter­zimmern vorgekommen ist, hält jedes sittliche Gefühl in natürlicher Erregung. Zwei junge Burschen, Brüder, von denen der eine erst kürzlich nach 2jähriger Dienstzeit vom

Militär entlassen wurde, lockten ein kaum der Schule entwachsenes Mädchen in ihre Scheuer und vergewaltigten und mißhandelten dasselbe derart, daß es schwer krank darniederliegt, so daß der zu Hilfe gerufene Wundarzt die Bei­ziehung des Oberamtsarztes für nötig erachtete. Am Montag wurde der Hauptbeschuldigte an das Bezirksgericht eingeliefert.

Würtingen, 26. Dez. Der in Stutt­gart wohnhafte, ledige Hilfskondukteur Stinzerle verunglückte gestern Abend bei Zug 62 da­durch, daß er bei der Abfahrt von der Sta­tin» Nürtingen vom Wagen stürzte, wobei er überfahren und getötet wurde; er kam, wie es scheint, im Begriffe, die Signalleine in Ordnung zu bringen, unter den rollenden Zug und fand augenblicklich den Tod; der Körper wurde schrecklich zugerichtet.

Köngen, 28. Dez. Ein schon viel be­strafter, von hier gebürtiger Landstreicher stach am Stephansfeiertag einen hiesigen Bürger aus geringfügiger Veranlassung in die Brust. Die Verletzung ist glücklicherweise nicht gefähr­lich. Bei seiner Verhaftung geberdete sich der Thäter wie ein Rasender, weshalb er geschlossen an das Kgl. Amtsgericht Eßlingen eingeliefert wurde. Unsere 5 Schulklassen mußten heute auf oberamtlichen Befehl abermals (zum dritten­mal innerhalb eines Jahres) geschlossen werden, da leider die Diphteritis immer noch unter unserer Kinderwelt herrscht. Erst kürzlich sind derselben wieder mehrere blühende Kinder zum Opfer gefallen.

Wieder hat ein würdiger Sohn Schwabens in der Fremde sein Auge geschlossen, Chri­stian Cammerer aus Eßlingen, seit dem Jahre 1847 Hausvater und Hauslehrer der evangel. Armen- und Waisenschule in Moskau. Gegen 700 Knaben und 500 Mädchen evang. Glau­bens, deutscher und russischer Nationalität, er­warben sich unter seiner, von christlichem Sinne beseelten Leitung die erforderlichen Kenntnisse und den nötigen sittlichen Halt, um sich ihren Weg durchs Leben zu bahnen, und viele seiner früheren Schüler sind jetzt angesehene Kauf­leute, Fabrikanten, Gewerbtreibende rc. in Mos­kau und anderen Orten des weiten russischen Reiches. Im verflossenen Sommer gab das Komite der Anstalt dem von Alter und Krank­heit heimgesuchten Hausvater das verdiente Ruhegehalt, und Cammcrer hatte die Freude seinen Schwiegersohn zu seinem Nachfolger ernannt zu sehen. Dagegen war es ihm nicht mehr vergönnt, an der Feier des 50jährigen Bestehens der Anstalt teilzunehmen, wenige Tage zuvor schied er aus der Mitte der Sei- nigen und wurde unter überaus zahlreichem Leichengefolge zur Erde bestattet.

Rundschau

Mannheim, 28. Dez. Die zur neuen Neckarbrücke erforderlichen Arbeiten wurden vom Stadtrate aus freier Hand vergeben. Der Unterbau wurde der hiesigen Firma Bernatz und Grün, der eiserne Oberbau der Maschinen­bau-Aktiengesellschaft Nürnberg, Filiale Gustavs­burg, übertragen.

Hjfenburg, 28. Dez. Gestern Abend brannte es hier in einem Hause der Ritter­straße, unweit der Geck'schen Druckerei. Dank unserer neuen Wasserleitung, die sich bei dieser Gelegenheit vorzüglich bewährte, konnten die mächtig emporschlagenden Flammen bald ge­löscht werden. Leider ist ein 4jähriges Kind bei dem Brande umgekommen.

Metz, 28. Dez. Der Gemeinderat be­schloß in seiner heutigen Sitzung, zu dem hie­sigen Kaiser-Wilhelm-Denkmal die Summe von 40 000 beizutragen. Der Denkmalssonds erreicht damit nahezu die Höhe von 100 000 ^

Altenöurg, 27. Dezbr. Soebe,. sich die angeblich geistesgestörte Gattin hochgeachteten Bürgers von dem sechzig st... hohen Rathausturm und fand einen jähen Tod.

Kalle a. d. Saake, 28. Dez. Vorgestern Abeno hat in Eilenburg der Former Braun einen auf Urlaub weilenden Soldaten aus Eifersucht ermordet.

Kamburg, 28. Dez. Der Mörder des Hausknechts Werner, der Bierführer Heider­mann aus Havighorst bei Steinbeck, ist heute Morgen 9 Uhr bei einer Razzia auf Vaga­bunden in einer Baubude auf oer Veddel er­griffen worden. Er ist der Thal geständig.

Fürst Bismarck hat von den Papierindustriellen Deutschlands einen . > schönen und kostbaren Schreibtisch mit was dazu gehört, zum Geschenk erhalte: soll eine wahre Freude sein, daran zu arbei­ten, und hoffentlich macht auch das, was ge­schrieben wird, Deutschland Freude. Zu Weih­nacht haben sich Fürst und Fürstin mit Pel­zen beschenkt; die Fürstin erhielt einen leichten und doch sehr warmen Fahrmantel von Blau­fuchs und revanchierte sich mit einem leichten Gehpelz mit echtem Kamtschatka-Biberkragen, beide aus Leipzig.

Die deutsche Unterrichtssprache wir vom 1. April nächsten Jahrs ab für alle Lesr- gegenstände in den Volksschulen Nordschl-'s- migs nach einer Verordnung des Oberprffi- denten eingeführt werden. Ausnahmen sind von diesem Zeitpunktt-^n nur noch für den Religionsunterricht gestattet

Der praktsch -"-tö­richt tritt von Jahr , .

Vordergrund. Sachsen h Mark jährlich für denselben n-. gaben emgestellt, Dänemark 20,000, Schwe­den 120 000 Mk. Preußen wird in den näch­sten Jahren Nachfolgen.

Für die Solinger Waffenfabrikation scheint jetzt ein günstiger Zeitabschnitt einge­treten zu sein. Nachdem erst kürzlich die preußische Regierung einen Auftrag von 20 000 Klingen in Arbeit gegeben hat, hat nun die italienische Regierung 60 000 Seitengewehre bestellt, die innerhalb eines Jahres geliefert werden sollen. Weitere bedeutende Aufträge der italienischen Regierung sollen in Aussicht stehen.

Wie man der Times aus Zanzibar telegraphiert, hat die deutsche Fregatte Leipzig wiederum ein Sklavenschiff genommen, auf welchem sich 140 Sklaven befanden; es wurden gleichzeitig viele Araber gefangen genommen. Der deutsche Generalkonsul errichtet unweit Dar-es-Salem eine große Missionar-Nieder­lassung für die befreiten Sklaven.

Daß die Verfolgung der Protestanten im 16. und 17. Jahrh. vielfach unter dem Namen von Zauberern und Hexen betrieben worden ist, haben Soldan und andere Gelehrte bereits bemerkt und sehr wahrscheinlich gemacht. Einen direkten Beweis dafür liefert ein Rund­schreiben des Bischofs von Straßburg (Leopolds von Oeitereich, eines Jesuitenzöglings) aus dem Anfang des 17. Jahrh., worin er den Be­amten seines Stifts Weisungen erteilt, was alsIndizien der Hexerei" anzusehen seien. (Abgedruckt bei Dagob. Fischer, Gesch. d. Stadt Zabern in E., 1874, S. 43.) Dort lautet das Indizium Nr. 19:wann Eine (Frau) kein Agnus Dei, Rosenkranz oder sonsten nichts Geweihtes oder Heiliges bei sich tragend". Also jede Protestantin, welche dergleichen ja natürlich nicht trug, war ohne Weiteres der Hexerei verdächtig, damit der Folter verfallen und dann auch unrettbar dem Tode. Unter diesem Bischof und seinem Nachfolger, Erzher­zog Leopold Wilhelm von Oesterreich, sind denn