Meta erfaßte das zerknitterte Papier.
„Es ist seine Handschrift," sprach sie mit tonloser Stimme.
„Das gesteht er selbst ein, weil es nicht zu leugnen ist," fuhr Eschebach fort. „Er behauptet, den Brief hier gefunden und abgeschrie ben zu haben."
„Er lügt!" ruf Meta mit schwacher Stimme.
„Darf rch den Brief selbst lesen?" fragte Eschebach.
Meta nickte zusiimmend mit dem Kopfe.
Efchebach öffnete das Couvert und prüfte den Brief auf das Genaueste.
„Er hat auch diesen Brief selbst geschrieben," sprach er. „So geschickt er feine Handschrift auch verstellt hat, so kann kein Kenner darüber im Zweifel sein, es ist dasselbe Papier, wie das des Entwurfes, dieselbe Tinte — überzeugen Sie sich selbst."
Er hielt Meta beide Schreiben vor.
Die Unglückliche war zu erregt, um sich selbst überzeugen zu können, sie zweifelte auch nicht mehr. Ihre Brust rang nach Athem.
„Und der Inhalt?" brachte sie endlich mit Mühe hervor.
„Enthält auch nicht ein wahres Wort."
„O Gott!" rief Meta und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen.
„Sie haben dem Briefe geglaubt?" fragte Eschebach.
Meta antwortete nicht, aber die Thränen tropften unter ihren Händen hervor, sie weinte leidenschaftlich.
„Wollen Sie mir eine Frage noch beantworten?" fuhr der Kommissär fort.
Die Weinende nickte bejahend.
„Weil Sie diesem Briefe glaubten, deshalb — deshalb haben Sie meine Briefe nicht beantwortet?"
Wieder nickte Meta zustimmend; sie schluchzte heftiger.
Eschebach hätte aufjubeln mögen. Jetzt wußte er mit voller Bestimmtheit, weshalb Meta auf das Glück verzichtet hatte.
„Haben Sie Dank für diese Antwort, sie löst mir ein Räthsel, welches mir manche Nacht den Schlaf geraubt hall" sprach er. „Ich wußte ja nicht, weshalb Sie mir zürnten, und ich hatte nicht dm Muth, Sie zu fragen!"
„Wie gering müssen Sie von mir denken!" rief Meta, noch immer das Gesicht mit den Händen bedeckend.
„Nein, nein, ich denke noch ebenso wie früher." sprach Eschelach mit weicher Stimme. „Jetzt erfüllen Sie mir die eine Bitte und suchen Sie zu vergessen, was Ihnen durch die Bosheit jenes Menschen zugefügt ist. Sie sind nicht die Einzige, die er getäuscht hat."
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Triiffrlsucher. (S. 144 )
„Ich Werde nie vergessen, vor welchem Abgründe ich gestanden habe, ich zittere, wenn ich daran denke," entgegnete Meta.
„Sie werden es vergessen, sobald das Glück wieder bei Ihnen einkehrt," versicherte der Kommissär. „Sehen Sie, auch ich habe trübe, trübe Stunden durchlebt, der Himmel meines ganzen Lebens schien umwölkt zu sein, ich hoffte auf Glück nicht mehr — und heute schon ist ein Sonnenstrahl wieder durch die Wolken gedrungen. Jetzt schonen Sie sich und denken Sie nur an sich, gönnen Sie sich Ruhe!"
Er wollte sich entfernen. Meta ließ die Hände niedersinken.
„Und Sie können mir verzeihen?" fragte sie, ihm die Rechte entgegenstreckend.
Mit beiden Händen erfaßte Eschebach dieselbe, er hätte dem geliebten Mädchen zu Füßen sinken und ihr gestehen mögen, daß er sie noch ebenso aufrichtig und innig liebe.
„Ich habe Ihnen nichts zu verzeihen, weil ich Ihnen nie gezürnt habe!" rief er und stürmte fort aus dem Zimmer.
Erstaunt blickte die kleine Frau ihm nach, denn sie wußte ja nicht, was ihn und Meta so mächtig erregte. Meta's geröthete Wangen ver- riethen cs ihr.
„Meta - Meta, Du liebst ihn!" rief sie.
Die Gefragte antwortete nicht, als Ullu sie indessen mit beiden
Armen umschloß, fest an sich preßte und küßte, da erwiederte sie leise: „Ihm hat mein Herz längst gehört!"
„Nun, nun wird Alles wieder gut!" jubelte die kleine Frau auf und hätte die frohe Botschaft am liebsten sofort Jedermann verkündet.
Als Meta sie indeß fast ängstlich bat, das ihr anvertrauie Ge- heimniß streng zu bewahren, da versprach sie es und sie hat ihr Wort auch später nicht gebrochen.
Glückseliger noch war Efchebach. Wie ein Träumender kehrte er zur Stadt zrrück, denn seine Gedanken waren bei Meta geblieben, konnte er doch nicht mehr im Zweifel sein, ob sie ihn liebte. Eme heitere, sonnige Zukunft baute sich vor ihm auf, er vergaß sogar, M viel er gelitten hatte.
Sein Arzt begegnete ihm und hielt ihn auf.
„Sie sind doch meiner ausdrücklichen Verordnung nicht gefolgt! rief er. „Sie sollten Ihr Zimmer noch nicht verlassen!"
„Weshalb nicht?" warf Efchebach ein. Er dachte gar nicht daran, daß er verwundet war.
Der Arzt blickte ihn erstaunt und prüfend an, dann glitt ein Lächeln über sein Gesicht hin, denn des Kommissärs Augen leuchteten, seine Wangen hatten sich schwach geröthet, aus seinen Zügen sprach die Verklärung des Glückes.