258
sehen die Karbinieri, die Polizeisoldaten, diesen Ausbrüchen der Verzweiflung zu, sie wissen, daß jeder bewaffnete Widerstand unabsehbare Folgen nach sich ziehen würde, daß das erste vergossene Blut die wilden im Volke noch schlummernden Leidenschaften wachrufen würde und dann Catania zu all den Leiden, die es schon heimgesucht haben, auch noch dem Schrecken eines Aufstandes, einer Plünderung preisgegeben sein würde.
Der Mangel an Lebensmitteln macht sich schon in Catania sehr fühlbar. Brot und Fleisch sind urplötzlich um das Doppelte im Preise gestiegen und sind für die armen Arbeiter schier unerschwinglich geworden. Denn nur schwer gelingt es den immer machtloseren Behörden, der Stadt die nötigen Lebensmittel zuzuführen. Die Landbewohner wagen es nicht, den Häusern Catanias sich auch nur auf eine Meile zu nähern, und mit Knitteln und Stöcken wird der Städter erschlagen, wie ein wütender Hund, der es wagen würde, in ein seuchenfreies Dorf der Umgebung Catanias zu kommen, und die Obrigkeiten dieser Dörfer stehen allzusehr selbst unter dem Eindrücke der Angst, als daß sie es versuchen würden, der blinden Wut der Bauern zu wehren.
Und trotz dieser Vorsicht macht die Cholera auf Sicilien immer größere und größere Fortschritte. Allüberall aus der Insel taucht die verheerende Krankheit auf und fordert unzählige Opfer und allüberall, wo sie erscheint, verbreitet sie Furcht und Schrecken, löst sie alle Bande der Treue und Liebe.
Württemberg.
Gestorben : 5. Aug. zu Reutlingen Joh. Jakob Hummel, Lederfabr.. 59 I. a.
Giengen a.lB-, 8- Aug. Der hiesige Gewerbeverein hat in seiner letzten Versammlung beschlossen, in der ersten Hälfte des Monats Septbr. einen Ausflug nach Ulm zu machen, um der dortigen kunstgewerblichen Ausstellung einen Besuch abzustatten. Allseitigem Interesse begegnete die in derselben Versammlung vom Vorstande Ad. Glatz vorgezeigte neue amerikanische Schreibmaschine, sowie ein neuer mechanischer Apparat zu Registrierung von Briefen, Fakturen rc.
Mberach, 5. Aug. Vor 8 Tagen wurde das liebliche 13jährige Töchterchen des evang. Stadtpfarrers M. hier, ein talentvolles Kind, von einem Insekt in den linken Arm gestochen, was zur Folge hatte, daß der Arm stark anschwoll. und heftige Schmerzen verursachte. Der rasch herbeigerufene Arzt konstatierte Blutvergiftung und wendete alles an, das Leben des Mädchens zu retten. Leider vergeblich; denn heute vormittag trat nach schmerzlichen Leiden der Tod ein.
R undschau Pforzheim, 7. August. Die auf Verwendung des Oberbürgermeisters Kraatz hier gegründete Haushaltungsschule gewinnt immer weitere Ausdehnung. Mit dem morgigen Tage nimmt wieder ein neuer Kochkurs seinen Anfang. derselbe soll sich auf 10 Wochen erstrecken und ist seine Aufgabe, zu unterweisen, wie eine einfache Mittagskost zubereitet werden soll. Außerdem wird in den Abendstunden Unterricht m der Haushaltung, in der Zubereitung von Abendessen und in einfachen weiblichen Arbeiten erteilt. — Gegenwärtig finden hier in Jmmans Riesenarena täglich Vorstellungen statt, welche lebhaft besucht werden. Die Leistungen derselben verdienen die höchste Anerkennung.
Wadeil'Aaden, 8. Aug. Zu den vom Ü1. bis 28. d. M. stattfindenden Pserde-
wettrennen sind nur für die größeren Preise folgende Nennungen erfolgt: Fürstenbergpreis 3000 Mk. k. Hauptgestüt Graditz' „Hartenfels" und „Pumpernickel", Herrn Arnulls „Economy", Hrn. Bukofzers „Baritone", Hrn. L. von Döry's „Kanasz", Herrn Hamms „Grayling", Hrn. Graf Henkels osn. „Sita Aaron", Hrn. Capt. Joös „Holla und „Fo- ckenzie", Hrn. Graf Zd. Kinskys „Corvinus", Hrn. O. Oehlschlägers „Freiherr", Hrn. Frhr Ed. v. Oppenheims „Jacobiner", Hrn. A. v. Pechys „Alba", Hrn. Ulrichs „Lucretia" Von diesen Pfexden sind teilweise um den Preis von 1000 bis 10 000 Mk. käuflich
Nürnberg, 1. Aug. Ein Postdiebstahl, sonderbar durch seine schier unglaubliche Plumpheit, wurde dieser Tage hier verübt. An einer Postfiliale war ein Geldbrief mit 1200 Mk. Inhalt eingeliefert worden. Kurz darauf erschien am Postschalter ein junges Bürstchen, welches vorher der Einlieferung als zufälliger Zeuge beigewohnt hatte und erbat sich im angeblichen Aufträge des Absenders den Brief zurück, da an dem Inhalt des Schreibens noch etwas abgeändert werden solle. Der Postbeamte — händigte den Brief unbedenklich aus. Bursche und Brief aber kam nicht wieder. Erst zwei Tage später wurde der junge Dieb in einem benachbarten Städtchen aufgegriffen; an der entwendeten Geldsumme fehlte indessen schon ein beträchtlicher Teil.
Straßöurg, 8. Aug. Die französ. Behörden gestatteten der Firma Weisbach die Wiedereröffnung ihrer Puppenfabrik in Em- bermeml.
Essen, 6. August. Der verstorbene Alfred Krupp hat 1 Mill. Mark zur Gründung einer milden Stiftung für seine Arbeiter bestimmt.
Essen, 6. August. Die Stadtverordneten beschlossen, für den Kostenbetrag von 60 000 ^ auf dem Marktplatze der Stadt ein Standbild des verstorbenen Alfred Krupp zu errichten. In der Sitzung der Stadtverordneten wurde ferner ein Schreiben des Sohnes verlesen, wonach der Verwaltung für gemeinnützige Zwecke 500 000 zur Verfügung gestellt werden.
Aarmstadt, 7. Aug. Der in weiteren Kreisen als Pyrotechniker bekannte Feuerwerker Bürstlein war heute damit beschäftigt, ein Feuerwerk zusammenzustellen, als eine Explosion stattfand, welche das ganze von demselben bewohnte Haus zerstörte und in Brand setzte. Bürstlein wurde schwer verletzt nach dem Hospital verbracht. Die Feuerwehr war rasch zur Stelle, doch konnte sie erst spät eingreifen, weil fortwährend Explosionen folgten. Von dem Haus stehen nur noch die Mauern
Aus Mainz, 8. Aug. wird dem Fr. I. gemeldet: Seit 3 Uhr ist hier Großfeuer ausgebrochen, und zwar in einem Zimmergeschäft (Neustadt), genährt durch ein daneben befindliches Asfaltgeschäft-; etwa 6 Neubauten sind schwer beschädigt, eine Reihe von Schuppen sind niedergebrannt. Jetzt ist die Gefahr in der Hauptsache bewältigt.
Grier, 5. Aug. In der kürzlich zu Köln erfolgten Lotterieziehung der Peterskirche (Bril- lanten-Lotterie) fiel der 'erste Hauptgewinn, 25 000 Mk., auf Nr. 47 850 an einen Kaufmannssohn in Trier. Wie man der „Kobl. Volksz." mitteilt, wird der schöne Gewinn jedoch unerhoben bleiben, weil der Trierer Inhaber sein Los, welches ihm geschenkt worden war, verloren oder verbrannt hat, der Gewinn aber nur gegen Ueberreichung des Loses verabfolgt wird.
Auisburg, 8. Aug. Auf der Lintorfer Strecke bei Duisburg fand ein Zusammenstoß zwischen einem Güterzug Lahnstein-Duisburg und einem Kieszug Hoch'feh-Burgensteinfurt
statt. 2 Lokomotiven und 28 Güterwagen sind zertrümmert, 2 Beamte verletzt.
Leipzig, 2. August. Wegen Beschimpfung der evang. Kirche war der kath. Pfarrer Harrer in Kirchberg zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Derselbe hatte in einer Predigt am Peter-Paulstage vor. Jahres u. a. gesagt: die Protestant. Kirche sei Menschenwerk, aufgebaut auf 'Lug und Trug. Die von ihm gegen dieses Urteil eingelegte Revision ist gestern vom Reichsgericht verworfen worden. (Sch. Mrk.)
— Zur Luxemburger Erbfolgefrage, j die neuerdings wieder in den Vordergrund ge- s treten ist, wird der „Frankfurter Zeitung" von : gutunterrichteter Seite mitgeteilt: Die Diplo- ! matie hat sich bereits mit der Eventualität des ! Todes des Königs der Niederlande beschäftigt ! und einen Gedankenaustausch zwischen den europäischen Mächten mit Bezug auf die Luxemburger Thronfolge herbeigeführt. Es besteht s nunmehr ein vollständiges Einverständnis zwischen den Mächten, daß der Herzog Adolf von Nassau sofort nach dem Tod des Königs Wilhelm III. zum Großherzog von Luxemburg proclamiert werde und den Luxemburgischen Thron besteige. Das Erbsolgerecht des Herzogs von Nassau gilt als unanfechtbar. Da mit König Wilhelm die ottonische Linie des Hauses Nassau in ihrem Mannesstamm erlischt und in Luxem- ^ bürg die weibliche Erbfolge ausgeschlossen ist, so succediert die wallramische Linie Nassau. Die Selbständigkeit des Großherzogtums wird dessen Neutralisierung zur Folge haben. Die meisten europäischen Mächte geben sich der Er- ! Wartung hin, daß die Frage ihre naturgemäße Lösung in aller Ruhe finden werde: sollten sich jedoch wider Erwarten irgendwelche äußere Einflüsse geltend machen, würde der Herzog von Nassau auf die Unterstützung der Centralmächte mit Sicherheit rechnen können.
Wien, 6. August. Einer Meldung aus Belgrad zufolge wurden der Unterpräfekt, der Bürgermeister und der Grenadierkommandant von Pozaropaz wegen Anstiftung zum politischen Morde, begangen an dem Kaufmann Miljevojevics, verhaftet. — Königin Natalie reist nächstens nach Franzensbad.
Wien, 6. August. Leird und Gastein sind überfüllt. Anläßlich der Entrevue kamen riesige Menschenmassen in beiden Orten an.
Die erste Frage des Kaisers Franz Joseph bei dem Eintreffen in Lend an den Oberpostdirektor war die Erkundigung nach dem Befinden des deutschen Kaisers; die Antwort lautete, dasselbe sei vortrefflich.
Gastein, 6. Aug. Von Mittag an war der Straubingerplatz von einer dichtgedrängten, die Kaiserbegegnung erwartenden Menschenmenge gefüllt. Um 1 Uhr stellte sich das Gefolge des deutschen Kaisers links auf der Freitreppe des Badeschlosses, angethan mit Frack, Orden und Ordensbändern auf; auf der untersten Stufe der Statthalter Graf Thun in Galauniform. Die anderen österreichischen Herrschaften, General Ritter und Landeshauptmann Ehorinsky harrten vor dem Eingang des Hotels Straubinger. Längs den Straßen, die der Kaiser Franz Joseph durchfuhr, waren Schulkinder aufgestellt. Um 1 Uhr 40 Min. verkündete Glockengeläute die Ankunft des österreichischen Kaisers. Gleichzeitig hörte man aus der Ferne näher kommende Hochrufe. Um 1 Uhr 45 Min. erschien der vierspännige Kaiserwagen, geführt vom Postmeister Rieser. Der Platz hallte von brausenden Hochrufen wider und die Kapelle stimmte die österreichische ! Nationalhymne an. Der Kaiser Franz Joseph, einen einfachen, schwarzen Zivilanzug tragend, entstieg rasch dem Wagen, begrüßte nacheinander den Grafen Thun, sowie sämtliche