Die Verwaltung der Stiftung geht hiernach an den Stadtrat über. 13 alte Leute aus allen Teilen des Landes haben ferner kein Recht mehr, in dem Stift zu bleiben. Die Kosten des Prozesses sind bedeutend.
In Kttkingen starb im Alter von 76 Jahren der dortige Bürgermeister Philipp Thi- baut, ein alter Kämpfer aus der Revolutionszeit von 1849, ein Mann von nicht unbedeutendem Verwaltungstalent.
— Der deutsche Kronprinz wird, wie amtlich mitgeteilt wird, auf den Wunsch der Aerzte während seiner Badekur in Ems sich möglichste Schonung auferlegen, nur der Wiederherstellung seiner Gesundheit leben und deshalb allen Geschäften fernbleiben, niemand empfangen und keinerlei Audienzen erteilen.
— An der Bergstraße (Heppenheim, Bens- Heim, Auerbach, Zwingenberg u. s. w.) blühen laut M. T. bereits Aprikosen, und anderes feines Frühobst, wie Pfirsiche, Mandeln u. s. w. folgt bald nach, während eine Meile von jenen Orten z. B. in Scidenbuch, Knoden im Odenwald der Schnee noch fußhoch liegt.
— Das Reichsgericht inLeipzig bekommt endlich sein eigenes Haus. Es kostet 6 Millionen Mark und die erste Anzahlung von 850000 Mark hat der Reichstag kurz vor seinen Ferien bewilligt.
— (Verstärkung von Metz und Straßburg.) Das Gesetzblatt für Elsaß- Lothringen veröffentlicht zwei gleichlautende kaiserliche Verordnungen »vom 12. März, durch welche die Verstärkung der Fortslinien in den Festungen Straßburg und Metz nach Maßgabe der unterm 27. Januar d. I. gebilligten Vorschläge der Landes-Verteidigungskommission als im öffentlichen Nutzen und als dringend erklärt und demgemäß die mit der Ausführung der Arbeiten betrauten Militärbehörden ermächtigt werden, die für diese Befestigungsarbeiten erforderlichen Bodenparzellen im Wegeder Zwangsenteignung zu erwerben.
— Der Reichstagsabgeordnete Antoine soll die Absicht haben, sich in Frankfurt a. M, niederzulaffen. Meint er, daß man ihm gestatten werde, von da aus dann weiter für Frankreich zu agitieren und gegen Deutschland zu Hetzen? Er wird sich verrechnen! In Straßburg ist in der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag der Reichstagsabgeordnete Kablä gestorben. Er war ursprünglich elsasser Autonomist, ging schließlich aber auch in das Lager der Protestler über.
— Nach dem Berl. Tayebl. wäre wiederum ein Attentat auf den Zar versucht und zum Glücke vereitelt wordene Mittwoch Nachm, sei auf der großen Morskaja ein Mordanschlag beabsichtigt gewesen mittelst Sprengbomben; die Verbrecher, ein junger Mann, anscheinend ein Student, und eine Frau, seien rechtzeitig verhaftet worden, da nur wenige Minuten später das Kaiserpaar im offenen Wagen die große Morskaja passierte.
— Die bekannten bulgarischen Flüchtlinge Gruew, Benderew, Stojanow, Guschew, Ma» sow und Nabokow sind am 6. d. in Petersburg eingetroffen. Das flämische Komitä lud sie Alle zu einer Sitzung ein, „um sie kmnen zu lernen."
ßttviLe i. Httzg., 5. April. Durch Herr Grubenbesitzer A. Reuß zu Geisenheim wurde in dem Vr Sunde von hier entfernten Wallfahrtsort« Kiedrich eine Salzquelle erbohrt. Die Quelle hat -f- 17° R. und liefert pro Stunde ca. 15 000 Liter Wasser, welches äußerst reich an Kohlensäure ist. Schon sitzt wird dasselbe von den Bewohnern von Kiedrich und Umgegend sehr gern zum Trinken
benutzt. Die vorläufige Analyse des Wassers ergab, daß es sich seiner Zusammensetzung nach als Heilmittel eignet. Die Bohrungen werden weiter fortgesetzt, hauptsächlich wird darauf gesehen, eine Quelle von noch größerer Wärme aufzufindcn, deren Wasser sich auch zum Baden eignet.
— Die große Flachsgarnspinnerei von Gebrüder Rotier in Ampel bei Oberhohen- elbe, welche 800 Spindeln und 400 Arbeiter beschäftigt hat, ist am Donnerstag früh abgebrannt. Fünf Arbeiter werden vermißt. Die Fabrik war für 260 000 Gulden versichert.
Iraustadt, 8. April. Hier fand der Gasthofsbesitzer Kühner beim Graben einer Kalkgrube in seinem Gehöft einen kleinen Topf mit 100 Goldstücken, einfache und doppelte Dukaten, welche einen Wert von mindestens 1000 Mark repräsentieren. Diese Goldstücke tragen die Jahreszahl 1640 bis 1753 unds sind vorzüglich erhalten. Derartige Funde kommen hier öfter vor.
Altstädten, 6. April. Ueber den Brand in Büchel am Rhein berichtet die N. Züricher Z.: Von 65 Häusern sind 54 abgebrannt. Um 3 Uhr gestern Nachmittag brach das Feuer im „Grütli", einer Wirtschaft und Schreinerwerkstätte, aus und in einer halben Stunde standen alle 54 Häuser, darunter eine größere Stickfabrik, in Hellen Flammen. Bei dem rasenden Föhnsturme war keine Hilfe möglich, fast alles Mobiliar war unrettbar, viel Vieh ist im Stalle erstickt. Im Zeitraum von kaum einer Stunde lag mit Ausnahme einer einzigen Häusergruppe das ganze Dorf in Schutt und Asche. Ueber 200 Personen sind obdachslos. Nur einer veränderten Windrichtung ist die Rettung der wenigen Häuser zu verdanken. Die Versicherung der Häuser ist eine sehr niedrige und wird 150000 Fr. kaum übersteigen. Das Mobiliar war wahrscheinlich nur teilweise versichert. Daher ist die Not um so größer. Denn nicht blos ist kein Vermögen, sondern es ist auch kein Verdienst mehr vorhanden.
Straßöurg, 9. April. Nach dem Pariser Figaro wird die Protestpartei den früheren Bankier Stählin, Verfasser einer Geschichte von Straßburg von 1830—1870, als Kandidaten für die Nachwahl in Straßburg aufstellen.
Aaris, 10. April. Frankreich schickt ein zweites Kriegsschiff zum Schutz der französischen Unterthanen nach Hayti, weil Großbritanien gegen die Insel gewaltsam vorzugchen gedenkt. Die englische Regierung erhebt Ansprüche auf den Besitz der Tortugas-Jnsel und erklärt sich dagegen zur Zahlung einer Entschädigung von einer halben Million Dollars an die Republik Hayti bereit.
— Der französische Kriegsminister Bou- langer hat nach dem „Avenir militaire" Ende Februar an alle Infanterie-Truppenteile das Modell zu einem Apparat verteilt, welcher das in der französischen Armee eingeführte Gras« gewehr zu einem Schnelllader macht. Es handelt sich um ein aus Leder hergestelltes Zusatzstück zum Schloß des Gewehrs, welches, mit 8 Patronen geladen, nach Belieben an die Schußwaffe angebracht oder auch weggelaffen werden kann. Der „Avenir" spricht sich über diese Schnellladervorrichtung außerordentlich befriedigt aus. Natürlich ist in den Augen der Franzosen das französische Gewehr unserem umgeänderten Mausergewehr unstreitbar überlegen.
— Seitdem die öffentlichen Schulen ihres religiösen Karakters entkleidet worden sind, ist in Frankreich die Zahl der Zöglinge der freien
kirchlichen Schulen von 600 000 auf mehr als eine Million gestiegen. Selbstverständlich sind die Unterhaltungskosten dieser kirchl. Schulen sehr bedeutend. Im Dep. Ardöche wurden beispielsweise 119 öffentliche Schulen verweltlicht, aber ebenso viele kirchliche Schulen neu gegründet, ! deren Unterhaltung 213 000 Fr. kostet, welche gänzlich durch freiwillige Beiträge in dem nicht besonders reichen Departement aufgebracht werden müssen.
Die DcrrnrnstäöLev kirrnnre!
Humoreske von L- Will ich.
Die Schlacht von Sedan war geschlagen; in schier endlosen Kolonnen zog die entwaff- nete französische Armee in die Kriegsgefangenschaft und Pioniere waren damit beschäftigt, auf den Schlachtfeldern die Trümmer aufzu- rüumen; die Toten und Verwundeten waren natürlich längst weggeschafft, da entdeckte man an einem zerschossenen französischen Gepäckwagen angebunden einen verlassenen vereinsamten Maulesel. Das arme Tier mußte wohl schon drei Tage und drei Nächte ohne Futter und Wasser da gestanden haben, mitleidig band es daher einer der Pioniere los, um es mitzunehmen, wo es Hafer, Heu und Wasser gab. Nun hätte man denken sollen, daß der Maulesel ein freudiges „Ja!" ausstoßen würde und fidel seinem Retter gefolgt wäre. Aber nichts von Dem! Weder Zureden noch Schläge halfen. Je mehr man ihn durch Worte oder Hiebe zu überreden suchte, desto störrischer wurde er. Er regte sich nicht vom Platz, als man ihn an einen bespannten Wagen band und die Pferde anzogen, stemmte er sich mit den Vorderfüßen gegen die Vorwärtsbewegung, wie auf dem bekannten Bild, die Schlußszene der Schlacht von Waterloo darstellend, der Schimmel Napoleon's, so daß die Halfter riß. Das eigensinnige Tier fing die Pioniere zu interessieren an, und mit einem Hebezeug, das sie zum Ausladen schwerer Geschützrohre mit sich führten, hoben sie das französische Langohr, wie es stand, auf einen leeren Wagen und brachten es dann im Triumph, wie einst die Trojaner das verhängnißvolle hölzerne Pferd der hinterlistigen Griechen, ins Lager. Aber schon Tags darauf ging es nach Paris zu wieder weiter, und da es doch nicht anging, das störrige Tier auf einem besonderen zwei- spännigen Wagen mitzuführen, überließen es die Soldaten für ein paar Flaschen Wein einem Bürger von Sedan.
In Sedan wurde der Esel natürlich verhätschelt und verehrt, dieses „uobls animal", das zu stolz war, „äs sulvrs oss olüsns äs krussisns". Natürlich ging die Geschichte von dem vierbeinigen, unversöhnlichen Preußenfeind auch durch die ganze französische Presse ; man sprach bereits davon, ihm eine Pension auszusetzen und den Orden der Ehrenlegion zu verleihen, als Renz, der berühmte Zirkusmann in Berlin, davon hörte und der, da er gerade seinm „Trick-Mule" durch den Tod verloren hatte, das Tier für 1000 Francs erstand. Er machte im Zirkus Furore. Die erfahrensten Reitkünstler, professionelle aus der Zirkus- gesellschaft und Dilettanten von der Gallerie, bemühten sich Abend für Abend mit Reitpeitschen, Sporen, Zurufen und allen der Wissenschaft bekannten Mitteln, das störrige Tier zum Gehm zu bringen, um die von Renz für diese Leistung ausgesetzten hundert Thaler zu verdienen. Keiner brachte «s auch nur eines Schritt vom Platz und starr wie Lot'S EW> weib wurde es an jedem Abend auf dem niederen Rollwagen, auf dem es in den Zirkus gezogen wurde, wieder hinaus gerollt.