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das xrokauum vulgus aber bin ich Graf Karl Eli Bernard v. Zabern, Erb- und Majoratsherr eines der bedeutendsten Güterkomplexe, Schwiegersohn und Neffe Seiner Excellenz des Herrn Generals Grafen v. Zabern, der leider schon vor fünf Jahren das Zeitliche segnete, und der hochbeglückte Gatte seiner Tochter Rexa, die ich Dir heute als meine Frau Regina bereits voraestellt Habel"
Staunend erwrederte ich: „Mir wird von alledem so dumm, als ging' mir ein Mühlrad im Kopf herum! Wie ist es denn möglich, daß Du, der Franzose, den Namen eines der ältesten deutschen Adels- geschlechler tragen kannst?"
„Das ist leicht begreiflich ," erwiederte jener, „denn ich bin. gar kein Franzose, und auch meine Eltern waren keine Franzosen, sondern Deutsche."
„Oho!" sagte ich überrascht. „Wie aber gelangtest Du zu dieser Entdeckung?"
„Auch das sollst Du erfahren I Bitte, setze Dich und höre weiter:
Nahezu ein Jahr war verstrichen, seitdem ich in dem Hause des Generals lebte; und von Tag zu Tag hatte die Zuneigung des alten Herrn zu mir sich vermehrt. Ich machte meine Krankenvifiten, las mein Colleg, woran der alte Herr seine ganz besondere Freude hatte, besuchte Bälle, Konzerte und sah, was irgend sehenswerth war; ich geigte und sang mit Regina, wurde ein- geladen zu Soupers und Diners, kurz, ich führte ein paradiesisches Leben und hatte nur die eine Furcht, unversehens einmal ausgetrieben zu werden aus dem Paradiese; denn ich konnte mir endlich nicht mehr verhehlen, daß ich Regina liebte mit allen Kräften meiner Seele.
Mochte ich mir auch Vorhalten, wie groß, wie unübersteiglich groß die Kluft sei zwischen ihr und mir, mein Herz ließ sich nicht zwingen.
— Daß die Geliebte mir nicht abgeneigt sei, lag in ihrem ganzen Verkehre mit mir ausgesprochen; zugleich aber auch, daß sie noch nicht wie ich zum klaren Bewußtsein durchgedrungen war.
Darin lag einerseits eine Beruhigung, an-
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dererseits aber auch die gefahrdrohendste Klippe für mich. Konnte ich mit dem Aufgebote aller Willenskraft es Wohl verhüten, daß nicht unversehens einmal ihre unbefangene Vertraulichkeit mich die würde durchbrechen lassen, die ich einzuhalteu mir fest gelobt hatte? Was dann? Schmach und Schande wäre mein wohl- verdrentes Loos geworden. Ich wollte meinem Wohlthäter nicht mit Undank lohnen. Ich mußte mein thörichtes Herz bändigen, und dazu gab es nur erneu Weg - Trennung I
Der Schluß des Semesters und meiner Vorlesungen stand in wenigen Wochen bevor. Ich beschloß, meine Stellung aufzugeben und mich in irgend erner anderen Universitätsstadt niederzulafsen.
Der alte General, dem man einen scharfen Blick für Alles, was ihn umgab, nicht absprechen konnte, schien nicht zu bemerken, wie es um mich und seine Tochter stand, sondern im Gegentheil Freude an unserem Beisammensein zu haben. Als ich ihm eines Tages meinen Entschluß ankündigte, Berlin zu verlassen, und ihm alle möglichen Gründe anführte, welche mich dazu-bestimmten, außer dem Einen, den ich ihm doch nicht eröffnen konnte, blickte er mir sehr scharf in das Gesicht und sagte dann mit großer Seelenruhe: „Mein lieber Doktor, Alles, was Sie mir da erzählen, find faule Fische. Nehmen Sie mir's nicht übel! Ich möchte nichts weiter hören als das, was Sie gr-
flissentlich verschweigen und nicht vorgebracht haben!"
Ich protestirte lebhaft gegen die Annahme, daß ich irgend etwas zu verschweigen habe, und er sagte ganz einfach: „Na, na, junger Herr, Ihr Wort in Ehren! — Aber wissen Sie, die Sache pressirt nicht. In drei Wochen werden Sie Ihr Colleg schließen, sagten Sie nicht so? - Lou. In drei Wochen Werde ich Sie nochmals gefragt haben, nicht warum Sie fort wollen, sondern ob Sie überhaupt noch fort Wollen? Bis dahin wollen wir die Sache ruhen lassen. Jetzt kommen Sie mit hinüber zu Rexa, und dann fingt mir etwas vor: z. B. .Schönes Mädchen, wirst mich hassen', oder: .Mir Pocht, mir pocht es hier im Herzen'. Höre das gar zu gern!"
Von meinen Ringen und Medaillons war nicht wieder die Rede gewesen. Der General schwieg darüber, und ich hatte die Sache nicht wieder berührt. Hätte er etwas Näheres in Erfahrung gebracht so würde er es mir sicherlich mitgetheilt haben. Im klebrigen waren ja meine Kleinode gut bei ihm aufgehoben. Erst wenn ich Berlin verließ, wollte ich mir dieselben zurück erbitten.
Der alte Herr war jetzt vollkommen wieder hergestellt, hatte auch in jüngster Zeit verschiedene längere oder kürzere Reisen gemacht und mit dem Justizrath H. mehrere Sitzungen gehalten, bei denen er durchaus nicht gestört werden durfte. Das war auch noch am heutigen Tage der Fall gewesen, und nach dem Fortgange des Justizraths hatte Excellenz mit großem Interesse verschiedene, wie es schien, höchst wichtige Dokumente durchgesehen, die er, als ich zu ihm eintrat, mit anderen Papieren schleunigst bedeckte.
„Guten Morgen, Doktorchen l" rief er mir entgegen, stand auf und bot mir freundlich die Hand. Als wir ein halbes Stündchen über gleichgiltige Dinge geplaudert hatten, und ich mich empfehlen wollig sagte er: „Na, das hätt' ich beinahe vergessen! — Thun Sie mir doch den Gefallen, sich morgen so einzurichten, daß Sie um elf Uhr sm von Geschäften sind. Hab' da ein kleines Herrenfrühstück, nur ein M