tet Wandlungen.
A Novelle
er- von
-,ch Adokpy Katsch.
^ «F-rts-tznng., (Nachdruck verboten.)
Bier Tage später, ich hatte kaum erst mich mit der Freude über mcmen unverhofften Reichthum auf einen vertraulichen Fuß gesetzt, kam ein zweiter Brief des Generals aus Berlin an mich. Er schrieb: ^ „Lieber Doktor! Tie Reise ist glücklich von Statten gegangen,
Dank Ihren Vorkehrungen, und ich glaube, meine Besserung macht Fortschritte. Möchte die Krücken so bald als möglich in die Ecke werfen, weiß aber augenblicklich nicht, wie ich mich ferner Verhalten soll. Mein alter Hausarzt, der Geheimrath Roder, ist am Tage vor meiner Rückkehr begraben worden. Sie wollen fort von Emmern, thun Sie mir den Gefallen und verlassen Sie das Nest augenblicklich. Ich kann Ihnen zwar nichts Anderes anbieten, als die bei mir erledigte Hausarztstelle; aber ich denke, es soll nicht lange dauern, bis Sie größere Praxis haben werden. Will nach Kräften dafür sorgen! Um eine Wohnung brauchen Sie sich nicht weiter zu bemühen. Mein Haus ist groß und ein paar unbewohnte Zimmer werden soeben für Ihren Gebrauch hergerichtet. Paßt Ihnen das, so packen Sie Ihre Siebensachen schleunigst. Ich erwarte Sie mit Ungeduld. Rexa läßt schönstens grüßen!"
Ob mir das paßte? Patienten hatte ich in diesem Augenblicke sehr wenige, schwer Erkrankte gar nicht. Kein Zeitpunkt als der gegen- — wärtige konnte günstiger sein, alle Beziehungen in Emmern abzubrechen.
Ich packte, machte meine Abschiedsbesuche, und drei Tage darauf hielt eine Droschke mit mir und meinem Gepäcke belastet, vor dem Hause des Generals.
Der alte Martin empfing mich mit freundlichem Schmunzeln unter dem Thorwege, hieß einen Diener meine Koffer forttragen und sagte, während wir die Treppe Hinanstiegen: „Seien Sie willkommen, Herr Doktor! Seine Excellenz haben große Freude gehabt, als gestern Ihr Zusagebrief ankam; sie halten große Stücke auf den Herrn Doktor — hier herein, wenn ich bitten darf!"
^ Ich fand den alten Herrn, der mich auf's Innigste, ich möchte
' >ast sagen mit Zärtlichkeit empfing, wirklich auf dem Wege der Besserung
or- vorgeschritten. Trotzdem aber vergingen noch Wochen, bevor er die
20 erste, und Monate, bevor er die zweite Krücke wegwerfen konnte. Das
m hwderte ihn indessen nicht, sich viel außerhalb des Hauses zu schaffen
zu machen, obschon es ihm ärgerlich war, dadurch von größeren Reisen abgehalten zu werden, die, wie er behauptete, ihm zur dringendsten ltothwendigkeit geworden seien.
Mir hatte man die Prächtig ausgestattete linke Hälfte des unteren Stockwerks zur Verfügung gestellt, mit fünf, sage fünf großen, ineinander gehenden Zimmern, in denen ich mit meinen zwei Koffern, einem Felleisen und einer Hutschachtel mich allerdings recht winzig ausnahm.
Dazu hatte man einen Diener zu meiner alleinigen Verfügung gestellt, nebst einem Pferde, das nach Belieben geritten oder in ein allerliebstes Kabriolet eingespannt werden konnte. Kurz, ich wurde behandelt wie ein junger Prinz, und am Ersten jedes Monats brachte Mr Martin eine höchst ansehnliche Summe zur Bestreitung meiner »einen Bedürfnisse in einem verschlossenen Couverte, als das verdiente ärztliche Honorar.
Merkwürdig war es, wie ich bald hier, bald dort in irgend eine hohe aristokratische Familie als ärztlicher Beistand berufen wurde, und ! meine lohnende Praxis von Tag zu Tag sich vermehrte. Der General ! aber liebte es, mich so viel als möglich um sich zu haben und war, als er erst wieder die Treppen zu steigen vermochte, auch ein häufiger l Gesuch» in meinen Zimmern. Sonst empfing ich, außer meinem treuen . Freunde Schrumm, keine Besuche in meiner Behausung.
/ In meiner freien Zeit beschäftigte ich mich fleißig mit wissenschaftlichen Arbeiten, und nun fand ich auch bald einen Verleger, der wich höchst anständig honorirte. Meine Schriften erregten Aufsehen
in wissenschaftlichen Kreisen, und nun konnte ich getrost auch daran denken, meinen Lieblingsplan zur Ausführung zu bringen und im nahenden Wintersemester als Privatdozent aufzutreten.
„Recht so," sagte Excellenz, als ich ihm mein Vorhaben mit- theilte, „aber die Arbeit ist es nicht allein, lieber Doktor, die den Menschen bildet; dazu gehört auch der Umgang mit Menschen, und der darf nicht vernachlässigt werden. Besuchen Sie fleißig Theater, Konzerte, Oper und alle sonstigen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Sie müssen über Alles ein Urtheil gewinnen; und wenn die Zeit der Gesellschaften heranrückt, sollen Sie auch unsere Gesellschaften kennen und sich darin bewegen lernen."
Da hatte ich denn allerdings Manches zu lernen, wovon ich armer Kerl in meinen bisherigen Verhältnissen niemals eine Ahnung gehabt hatte; und da war es denn nun zu meinem Glücke die junge Com- teffe, welche sich die Mühe nicht verdrießen ließ, den ungelenken jungen Bären zum wohldressirten Tanz- und Gesellschaftsbären zurecht zu stutzen.
Auch sie hatte mich mit der alten Freundlichkeit empfangen, und als sie gelegentlich dahinter kam, daß ich eine ganz Passable Tenorstimme besitze, hatte sie nicht eher gerubt, als bis ich mit ihr ein Duett einstudirte. Das war der Anfang meiner Civilifirung. Ferner mußte auch meine verstaubte Geige wieder hervorgeholt werden, um ihr Klavierspiel zu begleiten, und dann machte sie mich auch noch sogar mit ihren Freundinnen bekannt. Denen mußte ich, wenn sie zum Besuche kamen, Auskunft ertheilen über Bücher, welche gelesen werden sollten, über Dichter rc. und als lebendiges Konversationslexikon dienen, sobald Auskunft über einen fremden Gegenstand verlangt wurde, oder ich mußte auch selbst wohl Gedichte machen für diese oder jene außerordentliche Gelegenheit. Dabei mag ich mich anfangs linkisch genug angestellt haben, aber mit der Zeit lernte ich doch mich in den Verkehr mit Damen finden und verlor bald mit der ersten Schüchternheit auch ein gutes Theil jener Blödigkeit und Eckigkeit, welche mir bisher eigen waren
Der General ließ keine Gesellschaft im Hause vorübergehen, ohne daß ich zu derselben eingeladen wurde, sväterhin auch Schrumm, den er bei mir kennen gelernt hatte und von dem er behauptete, er sei ein wahrer Prachtkerl, dieser junge Riese und Freiherr v. d. Nahe. Mitunter konnte es fast zweifelhaft erscheinen, wem er mehr gewogen war, seinem Schrumm oder mir."
Bis hierher war mein Freund Karl Bernard in seiner Erzählung gekommen, da trat ein Diener ein und meldete:
„Seine Excellenz, der Herr Staatsminister v. L."
Karl ging demselben bis an die Thüre entgegen und stellte mich ihm nach der ersten Begrüßung vor.
„Ich bedaure unendlich, Sie zu stören, mein lieber Graf!" sagte der Minister zu Karl, „und noch mehr habe ich bedauert, daß Sie heute morgen vergeblich sich zu mir bemüht haben. Von Jbrer Frau Gemahlin, die ich bei meiner Frau traf — die Damen hatten eine große Sitzung in Armenangelegenheiten — erfuhr ich, daß Sie schon morgen auf Ihre Güter reisen wollen, und da mochte ich Sie doch nicht scheiden lassen, ohne Ihnen eine glückliche Reise gewünscht zu haben. Die Frau Gräfin war so gütig, mir mitzutheilen, daß ich Sie bestimmt zu Hause treffen würde, und ich hatte die Ehre, sie heimbegleiten zu dürfen."
Der Herr Minister empfahl sich bald wieder; ich aber hatte in stummem Erstaunen den gewechselten Worten gelauscht, und als mein Freund von der Begleitung seines Besuches zurückkehrte, trat ich vor ihn hin und sagte:
„Ich habe still und ohne Dich zu unterbrechen, bisher der Erzählung Deines merkwürdigen Lebensganges zugehört; jetzt aber, Karl Bernard, seitdem ich Dich ,Herr Graf!' nennen hörte, kann ich es nicht mehr. Sage mir, wer oder was bist Du denn eigentlich?"
Karl Bernard lachte. „Eigentlich hat mir der Herr Minister die Ueberraschung verdorben, welche ich noch für Dich in petto hatte. Thut nichts! Ueberrascht bist Du doch! So höre denn: Für Dich, mein alter Fidelis, bin ich, was ich immer war, Dein treu ergebener Schul- und Universitätsfreund, der vootor mecktetnae Karl Eli Bernard. Für
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