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Wisch, 14. Nov. Die serbischen Truppen haben in der vergangenen Nacht um 1 Uhr die bulgarische Grenze an drei Stellen, im Norden bei Bregova, weiter südlich bei Zavibrod und bei Klisura überschritten. Es verlautet gerüchtweise, daß die bulgarischen Truppen zunächst überrascht zurückgewlchen seien, daß es dann aber bei Blasina (?) auf der Straße nach Köstendil zu einem Zusammenstoß gekommen sei.

Welgrad, 16. Nov. Die Donau-Division steht bei Zari- brod, die Morava-Division gegenüber Trn, die Schumadja-Division in der ^Richtung gegen Sofia und die Kavallerie-Division bei Odorovci, dieselben rücken mit Umgehung des Dragoman-Passes von drei Seiten konzentrirt gegen Sofia vor. Der König befin­det sich bei dem rechten Flügel der Timok-Armee. General Lesch- janin hatte in dem Abendgefecht bei Zaribrod nicht unbedeutende Verluste.

Sofia, 16. Nov. Die Serben haben nach erbittertem Kampfe die Positionen von Trn über Rapscha umgangen und halten in diesem Augenblick den Weg von Trn nach Bresnik besetzt. Dragoman wurde nach tapferer Verteidigung definitiv aufgegeben; die Bulgaren konzentriren sich bei Slivnitza, wo heute ein Angriff der Serben erwartet wird. Letztere rücken mit großen Streitkräften vor.

Sofia, 16. Nov. Ueber das gestrige Artilleriegefecht bei Dragoman wird weiter gemeldet: Die bulgarischen Truppen, welche Dragoman besetzt hatten, betrugen 3000 Mann. Dieselben hatten den Artillerieangriff des an Zahl sehr überlegenen Feindes aus­zuhalten und leisteten bis zum Einbruch der Nacht Widerstand. In diesem Augenblick wurde bekannt, daß ein serbisches Korps eine Umgebung des linken Flügels der Bulgaren ins Werk setze. Man hofft, daß rechtzeitige Verstärkungen nach diesem wichtigen Defilv geworfen werden können. Weitere Nachrichten liegen noch nicht vor.

London, 14. Nov. Die große Baumwollen-Spinnerei der Herren Richard Harwood u. Son, Brownlow-Fold, Bolton ward gestern durch eine Feuersbrunst gänzlich zerstört Der angerich­tete Schaden wird auf 40 000 Lstrl. geschätzt. Die Fabrik ent­hielt 38 000 Spindeln. Die Werkleute hatten um 6 Uhr die Arbeit begonnen und 20 Minuten später ward das Feuer entdeckt.

(halveston in Texas (Nordamerika), 14. Nov. Eine große Feucrsbrunst hat einen Theil der Stadt zerstört. Zweiundfünf­zig Häusercomplexe, welche dreihundert hölzerne, zumeist Wohn­häuser umfaßten, sind niedergebrannt; fünfhundert Familien sind obdachlos. Der Schaden wird auf I V- Mill. Dollars geschätzt.

Galvestou, 13. Nov. Heute früh 11-2 Uhr brach hier, wie bereits gemeldet, eine Feuersbrunst aus, welche, ehe man ihr Herr wurde, einen großen und wertvollen Teil hiesiger Stadt ein­geäschert und Hunderte von Leuten ruinirt hat. Entstanden in einer kleinen Gießerei im östlichen Teile der Stadt griffen die Flammen, angefacht durch einen starken Wind, der schließlich zum Sturme ausartete, mit rasender Schnelligkeit um sich, und be­deckten bald bei einem Lauf in südlicher Richtung ein großes Hüuser- gebiet, drei Häusergevierte fielen dem tobenden Element zuerst zum Opfer, und dann dehnte sich der Brand gleich einer großen Feuerwoge in der Breite von drei Squares fast über die ganze Häuscrmasse zwischen jenem Theile der Stadt und der See aus, und machte endlich Halt, als die brennenden Ruinen nur noch 2 Hüuserblöcke vom Gestade entfernt waren. Alle Anstrengungen der Feuerwehr wurden lange Zeit durch die reißende Ausdehn­ung des Feuers und den erstickenden Rauch in allen Straßen vereitelt. Als man endlich die Flammen bemeistert halte, fand man, daß 53 Häusergevierte und ewa 300 aus Holz gebaute und von 500 Familien bewohnte Häuser eingeäschcrt worden waren. Hundert dieser Häuser waren schöne Herrschaftsgebäude. Mit Ausnahme von einigen kleinen Läden und der Gießerei, wo das Feuer zum Ausbruch kam, sind keine Geschäftslokale nieder­gebrannt; alle übrigen zerstörten Gebäude sind Privathäuser. Der Verlust an Gebäuden allein wird auf 1500 000 Dollar veran­schlagt, wovon nur 800000 durch Versicherung gedeckt sind. Glücklicherweise ist kein Lebensverlust zu beklagen, aber das durch das Feuer verursachte Elend ist schrecklich. Viele Leute haben Alles verloren, was sie besaßen. Hunderte von Familien sind obdachlos und die Hotels sind mit Unglücklichen überfüllt, die kein Heim haben. Es werden energische Anstrengungen zur Unter­stützung der Bedürftigen und Obdachlosen gemacht.

In Koboken ist am 1. Nov. Eugen Lisvre, einer der ältesten in Amerika eingewanderten Deutschen, der seiner Zeit als Hotelwirt einer großen Anzahl der aus Deutschland gekom­menen 1848er als Helfer in der Not erschien, gestorben. Lisvre wurde im Jahre 1817 zu Kirchheim - Bolanden in der bayrischen Pfalz geboren.

Untktchalkkndks.^S

Deir Schein trügt.

Novelle von Alfred Friedmann.

(Fortsetzung.)

Das geht nicht. Da mußt Du mehr als angemelvet sein! Ich mürde seine Kundschaft verlieren. Doch die werde ich nicht mehr lange haben.

Wiegand weinte, die Thränen standen ihm in den Augen. Der gute alte Herr, sterben! Es schien ihm unfaßbar. Er er­zählte dem Doktor den Vorfall mit dem Pfeifenkopf und schloß: Nimm mich nur mit. Sage ihm, er brauche einen Diener, einen barmherzigen Bruder. Ich will's ihm sein!"

Du?"

Ja ich! Hat er denn keine Bedienung?"

Die Leute, bei denen er wohnt! Das ist gewiß wieder so einer Deiner närrischen Autoreneinfälle. Du gehörtest eigentlich zwei mal in's Beobachtungszimmer. Als Narr und als Beschau­licher. Als Kranker und als Helfer. Doch komm mit!"

Ein enger Hausflur, dessen rothe Sandsteinfließen wackelten und klapperten. Eine dunkle enge Holztreppe, von der die Bei­den nur zwei oder drei Stufen zu ersteigen hatten. Der Arzt klopfte an einer mit weißer Oelfarbe getünchten Thüre und legte die Hand aus die Messingklinke.

Herein!" rief es auf sein Klopfen, so passivgleichgültig, wie dasDanke" gelautet hatte.

Warte!" sagte der Arzt und trat ein.

Wiegand fühlte sein Herz pochen und pochen.

Einige peinliche Minuten der Erwartung verstrichen und dehnten sich für Albrecht zur Ewigkeit aus. Da öffnete sich die weiße Thüre wieder und Dr. Eberhardt zog Wiegand bei der Hand herein.

Der Greis lag auf einem einfachen Feldbette, das aber mit schneeweißen Tüchern uud Kissen bedeckt war. Sein weißes, wal­lendes Kopfhaar, sein Bart vermischten ihre Tinten mit diesen und als Albrecht eintrat und sein Blick sofort auf das der Thüre gegenüberstehende Bett fiel, glaubte er beim Scheine der Carcel- lampe eine Glorie um das Haupt des Kranken zu erblicken. Keine Miene bewegte sich auf dessen Antlitz. Dr. Eberhardt führte den Freund bei der Hand bis an den Stuhl vor dem Bettrand und sprach:

Guter Herford, dieser Mann, mein Jugendfreund"

Ah, der Mann vom Pfeifenkopf!" sagte der Alte mit selt­samer Ruhe.

Der Mann mit dem Pfeifenkopf also nimmt den innigsten Anteil an Ihnen, ohne Sie zu kennen. Ihre Heiligenmine muß es ihm angethau haben. Wenn Sie es zugeben, wird er Ihnen ein paar Eisaufschläge über die Stirn breiten, die Füße hübsch warm halten helfen. Unterwerfen Sie sich geduldig und diätvoll meinen Anordnungen, so werden Sie in ein paar Tagen wieder die blauen Dampfwolken Ihres Maryland mit dem alten Epheu um die Wette an der Ziegelbrandmauer hinauf steigen sehen. Ich lasse Euch meine Freunde, und somit Gott befohlen!" -

Der Doktor gab dem Hilfreichen noch einen bedeutsamen Wink und flüsterte ihm zu:Wenn sich der Anfall nicht wieder­holt, geben wir ihm morgen ein Bad oder einen Aderlaß. Gute Nacht!" und drückte leise die Messingklinke hinter sich in's Schloß.

Albrecht Wiegand war mit seiner Sphinx allein. Wer Sphinx­rätsel rieth, dem ging's im Alterthum schlecht. Armer Osckipus! Wer sie nicht riet, der mußte sich in den Abgrund Hinabstürzen!

Wie werde ich bestehen!" dachte Albrecht.

Verzeihen Sie, Herr Herford", begann er schüchtern, wenn ich Sie belästige. Sie lieben die Einsamkeit, das ist begreiflich. Ich liebe Sie auch über Alles. Aber ich liebe auch Sie, Herr Herford!"

Des Alten Augen glänzten milde und ein Anflug zu freund­lichem Lächeln erschien auf seinem rosigen Gesichte.

Sie lieben mich. Sie kennen mich ja gar nicht", sagte der Kranke mit seinem fremdartigen Accent.Und ich habe Ihnen ja gar keinen Dienst geleistet!"

Sie müssen bittre Erfahrungen gemacht haben", sagte Al­brecht, wenn Sie glauben, Liebe und Freundschaft sei nur eine Folge empfangener Wohlthaten.

Der Ausspruch des Alten befremdete ihn, er stimmte gar gar nicht zu seinem gütigen Ausdruck.

Und doch haben Sie mir wohlgethan!" fuhr Albrecht fort Sie haben mich durch Ihre sympathische Erscheinung beschäftigt nnd aus trüber Stimmung herausgerissen. Sie sehen"