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folgreiche Thätigkeit die deutsche Exportindustrie in Australien entwickelt hat, wird die Bedeutung jenes Gebietes für den deutschen Handel nicht leugnen können, zumal das afrikanische Binnenland mehr nnd mehr seinen exclusiven wirtschaftlichen Charakter zu verlieren beginnt. Der in Deutschland herrschenden übermächtigen Concurrenz und dadurch bedingten Ueberproduktion werden damit neue Bahnen und Wege geöffnet, und es liegt im Interesse der exportfähigen Fabrikanten, sich dem rentablen Unternehmen anzuschließen.
In Wien ist am Sonnabend, 56 Jahre alt, ber bekannte Maler Alfred v. Canon gestorben. Er war früher Offizier und hieß eigentlich v. Straschiripka. Im Jahr 1858 erregte eines seiner Bilder, „das Fischermädchen", zum ersten Mal größeres Aufsehen. Dann siedelte er nach Karlsruhe über, wo besonders Dechcken- und Wandgemälde Zeugisse seines Fleißes und seines Talentes bilden. Eines seiner besten Bilder „Eromwell vor der Leiche Karls I." befindet sich im Besitz des Herzogs von Coburg.
— Dem Kaiser von Oesterreich hat der Besuch des Kaisers Alexander von Rußland in Kremsicr gewiß große Freude gemacht, aber hinter den Ohren soll er sich trotzdem im Stillen gekratzt haben, denn die Kosten betragen 500 000 Gulden, was auch ein Kaiser nicht alle Jahre aushalten kann.
H^aris, 16. Sept. Aus London wird telegraphirt: China werde gegen die Absetzung des Königs von Anam als Verletzung des Friedensvertrags, der Chinas Zustimmung nothwendig mache, protestiren.
Inaris, 16. Sept. Nachrichten aus Saigun von gestern zufolge herrscht in Kambodscha Ruhe. In Folge der Christenmorde in Anam sind mehrere 1000 Christen hieher geflüchtet.
— (Zur Karolinen-Frage.) Wie man hier glaubt, wird die Angelegenheit der Karolinen schließlich ihre Lösung dahin finden, daß die Souveränetät Spaniens anerkannt, dagegen Deutschland die Freiheit des Handels und der Schifffahrt daselbst eingeräumt wird, analog dem Abkommen mit England, betreffs der Zulu-Inseln. Danach scheint auch England bereits in Madrid auf seine Theilnahme an diesen geplanten Vergünstigungen zu dringen.
— Die erste Guillo tine, welche der Erfinder, Herr Guillotin nach dem sie ihren Namen führt, selbst konstruV^ hat, ist, wie viele andere Raritäten, während der Tage der Pariser Komune auf den Markt gekommen und schließlich für 20,000 Mk. von dem Besitzer eines Raritäten-Jnstitus erworben worden. Unter dem Beil des ziemlich roh gezimmerten Instruments sielen in der französischen Revolution die Häupter des Königs und der Königin, sowie von Taufenden der Edelsten des Landes. Die öffentliche Schaustellung des schauerlichen Apparats ist dem jetzigen Besitzer jedoch nicht gestattet worden.
Madrid. Einer der ersten Stierfechter, Mazzantini, hat sich bereit erklärt, ohne Honorar in jeder Hauptstadt der Provinzen Spaniens je 6 Stiere, also in Summa etwa 250, zum Besten der nationalen Sammlung für eine große Kriegsflotte zu töten?
— Was für Begriffe der Polizei in Madrid wegen des Angriffs auf die deutsche Gesandtschaft inne wohnen, darüber ist dem Jmparcial Folgendes zu entnehmen: Canovas de Castillo beklagte sich beim Minister des Innern, Villaverde, und dieser antwortete: „Mein Präsident, ich habe keine Schuld, ich habe alle möglichen Weisungen betreffs der Verteidigung der Gesandtschaft gegeben. Wenn der Gouverneur sie nicht erfüllt hat, so hat er die Verantwortung " Der Gouverneur antwortete dem Herrn Villaverde: „Mich trist nicht die geringste Schuld, denn ich habe die genauesten Weisungen dem Obersten Oliver gegeben." Der Oberst Oliver antwortete dem Gouverneur, daß er die wirksamsten Mittel anordnete und ein Kapitän mit der Verteidigung der Gesandtschaft beauftragt war. Der Kapitän gibt dem Obersten an, daß er die ihm zur Verfügung gestellten Polizisten vor der Gesandtschaft postirt habe, daher sei der einzige Schuldige derjenige Polizist, der in der Nähe des Wappens stand. Der Polizist schließlich antwortete dem Kapitän: „Was ist denn solch' Wappen wert? Vielleicht 4 Duros. Mein Kapitän regen Sie sich nicht auf, ich werde sie bezahlen."
— Nach einer Meldung des Gaulois treiben die Madrider einen blühenden Handel mit aus den halbverkohlten Ueberresten der Fahnenstange und des deutschen Wappens vom Gesandtschaftshotel verfertigten „Reliquien".
— Infolge Nachlassens der Cholera sind in Madrid zwei Choleraspitäler geschloffen worden. Zum Theil sind die Geflüchteten zurückgekehrt.
— InWindsorin England war kürzlich großer Jammer; die Lieblingskuh der Königin hatte das Bein gebrochen und sollte getötet werden. Statt sie zu töten, nahm ihr der Arzt das Bein
ab und machte ihr einen Stelzfuß, mit dem sie nun auf die Weide geht. Er wäre beinahe Ritter des Hosenbandordens dafür geworden.
— Wer Lust und Geld dazu hat, der kann inRußland eine ganze Stadt kaufen. Dieselbe liegt in Wolhynien, gehört dem Fürsten Abamelek und trägt den Namen Starokonstantineff. Ihr Besitzer ist in Koncurs geraten und nun läßt eine russische Bank, welcher der Fürst ein Viertel Million Rubel schuldet, die Stadt von Gerichtswegen verauktioniren. Dörfer und Güter sind und werden wohl auch in Deutschland unter den Hammer gebracht, aber ganze Städte, das ist doch wohl nur in Rußland möglich.
Aus dem Innern des chinesischen Reiches werden mehxere Aufstände gemeldet. In Ringpo haben ernste Unruhen stattgefunden: 500 Soldaten wurden gegen die Rebellen ausgeschickt, jedoch mit Verlust von vierzig Mann zurückgeschlagen. In der Provinz Jlli haben sich die Soldaten gegen ihre Offizie.e erhoben. Nachdem sie mehrere Lager zerstört und sich in Banden gegen die Grenze zurückgezogen hatten, haben sie sich unter einem Anführer vereinigt und den kaiserl. Truppen mehrere Niederlagen beigebracht.
Der Kaffee-Schwindel.
Wohl zu keiner Zeit ist ein größerer Schwindel getrieben worden, als in den letzten Jahren mit Kaffee und name ilich in Süddeutschland. — Hunderte von Annoncen erscheinen täglich in den Zeitungen und laden zum Bezug von Kaffee durch die Post ein. Die Summen, welche diese sog. „Versandt-Geschäfte" für Reklamen, Drucksachen, Provisionen rc. ausgeben, sind ganz enorm und müssen alle, nebst dem sehr bedeutenden, nicht kontrollierbaren Nutzen, den der Versender in die Tasche steckt, von dem beziehenden Publikum getragen werden.
Diese Versandt-Geschäfte, meistens Firmen mindern, oft zweifelhaften, Ranges versenden jedoch nur unter Nachnahme. Der Käufer muß, wenn er das Packet erhält, den Betrag zuvor bezahlen, ehe er es öffnen und die Ware prüfen kann. Diese Vertrauensseligkeit des Publikums nützen die Versender in einer Weise aus, daß die Geprellten sich hüten, ein zweites Mal auf den Zauber hereinzufallen. In Norddeutschland hat diese Methode nie recht verfangen und auch in Süddeutschland, wo das Geschäft einige Zeit brillant ging, will die Sache nicht mehr ziehen. Es mußten deßhalb andere Hebel in Bewegung gesetzt werden, um dem Publikum das Geld aus der Tasche zu locken. Man sucht nun Agenten zum Verkauf von Kaffee an Private, selbst auf kleinen Plätzen, gegen festes Gehalt von 300 bis 1000 Mark und eine Provision von 10 Prozent vom Verkauf. Beamte, Geistliche, Lehrer, überhaupt Leute in einflußreicher Stellung erhalten den Vorzug. In der Pfalz soll es schon vorgekommcn sein, daß ganze Ballen Kaffee in der Schule ausgewogen und den Kindern 1—2 Pfund mitgegeben wurden, mit der Aufforderung, am anderen Tage das Geld dafür mitzubringen. Vorgesetzte treten an Untergebene, „um ihnen Vorteil zukommen zu lassen," einige Pfund Kaffee ab, am Wirtstisch, im Kasino, der Kegelbahn sucht der Freund dem Freund ein Pöstchen Kaffee zu verkaufen — ja in einer Kaffeegesellschaft stellte es sich heraus, daß von acht anwesenden Damen bloß sieben Agentinnen für Kaffee waren, jede wollte der anderen verkaufen und behauptete, die beste Vertretung zu haben.
Bei Kaffee zu 1 Mark das Pfund bekommt der Agent 10 Pfennig, die Post 6 Vs Pfennig, also zusammen 16 Vs Pfennig pro Pfund, alsdann muß der Versender noch das Gehalt des Agenten bezahlen und will selbst auch noch verdienen, so daß er auf jedes Pfund 30—35 Pfennig Nutzen nehmen muß. Durch genaue Vergleichung haben wir gefunden, daß Kaffees, für welche sich die Schwindelfirmen 1 Mark bis 1 Mark 20 Pfennig bezahlen lassen, bei jedem Krämer zu 80—90 Pfennig pfundweise erhältlich sind. Feinere Sorten, die man in besseren Läden zu 1 Mark 20 Pfennig bis 1 Mark 60 Pfennig kauft, werden von diesen Versandtgeschäften fast gar nicht geliefert. Bei Kaffee zu 1 Mark 50 Pfennig würde sich Provision und Porto auf 21 Vs Pfennig per Pfund belaufen; es liegt auf der Hand, daß diese Versender 50 Prozent auf den Ankaufspreis schlagen müssen, um herauszukommen Wenn in dem Publikum nicht ein riesiges Vorurteil für das Fremde, weitherkommende vorhanden wäre, welches die Reklamenmacher nebst ihren Agenten geschickt zu nähren verstehen, wäre es kaum möglich, daß so viele Leute, die sonst so vorsichtig sind und auf jeden Pfennig sehen, auf solchen Schwindel hereinfallen.
Kaffee ist eben schwer zu taxieren, schwerer als alle andern Artikel. Warum beglücken uns diese Versandt-Geschäfte nicht