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eintreffen. Prerau wird ohne Aufenthalt mit Eilzugsgeschwindigkeit pafsirt und auf dem Perron wird Niemand, nicht einmal einer der Stationsbeamten anwesend sein. Auch die Wartsäle und Hallen müssen zur selben Stunde vollständig menschenleer sein. Eine eigene Geleiseumlegung findet soeben statt, um den Zug des Zaren direkt auf die Hulleiner Lokalbahn abbiegen zu lassen. Die Stadt Kremfier wird vom Zaren nicht betreten, sondern sein Wagen wird außen herum nach einem Seitenthore des Parkes fahren, wo eine eigene Straße angelegt wird. Jetzt schon wim­melt es von Polizisten in dem Parke.

Die Cholera in Honkmg nimmt zu!" Welch grausige Aussichten eröffnet diese kurze Meldung des Generals de Courcy für die unglücklichen Bewohner jenes Landes, welches, entblößt von allen ärztlichen Hilfsmitteln, wehrlos der furchtbaren Seuche preisgegeben ist! Von einerOrganisation" Tsnkings kann unter diesen Umständen gar keine Rede sein. General de Courcy soll Maßregeln gegen die weitere Verbreitung" getroffen und die gesunden Truppen aus den verseuchten Orten entfernt haben Und wenn nun diegesunden" Truppen auch noch verseuchen? Und wie sollen dann dieMaßregeln" durchgeführt werden? Kurz, das Chaos taucht immer unheimlicher ausdiesem Ton­king" auf.

Aus Kalkutta wird derTimes" gemeldet, der Sohn des Emirs werde den Befehl über die Garnison von Herat, die aus 12 000 Mann Truppen aller Waffengattungen bestehen wird, übernehmen. Die Befestigung der Stadt mache rasche Fortschritte, und da alle Berichte darauf schließen lassen, daß ein russischer Angriff das Zeichen für die benachbarten Stämme sein würde, sich um die Fahne des Emirs zu schaaren, dürfte General Koma- roff, wenn er einen Angriff von Herat im Schilde führt, dessen Einnahme nicht leicht finden.

Pforzheim, 19. Aug. Die Feier des vom hiesigen Turn­verein am Sonntage begangenen 25jährigen Jubiläums nahm den schönsten Verlauf. Die Beteiligung hieran war eine außer­ordentlich lebhafte und zwar nicht bloß seitens hiesiger und aus­wärtiger Turner, sondern auch von seiten der Einwohnerschaft, welche dem Verein in jeder Beziehung ihre große Sympathie und Wertschätzung auszudrücken suchte. Aus württembergischen Orten waren Turnerabordnungen erschienen von Calw, Hirsau, Neuen­bürg, Vaihingen und Weil d. St., welche die freundlichste Auf­nahme fanden.

Konstanz. Der Rheinfall bei Schaffhausen wird jetzt tagtäglich elektrisch beleuchtet. In der Regel kurz vor 10 Uhr, ohne Rücksichtsnahme auf die Witterung, steigt im Hotel Schweizerhof als Signal für den Dirigenten der elektrischen Leitung eine Rakete ans. Die Erwiderung dieses Signal- schusses erfolgt sofort vom Schlosse Lanffen in Gestalt eines feurigen Geschosses. Dann nochmals ein Feuerstrahl vom Hotel Schweizerhof und die elektrischen Drähte beginnen ihre Thätigkeit, indem sie zunächst eine Anzahl von Raketen ent­zünden, die, versteckt auf den Felsen mitten im Rhein­fall, auf beiden Seiten desselben und beim Schlöffe Lauffen ihrer Entladung harren. Unmittelbar nach diesem Bombardement beginnt die Beleuchtung des Rheinfalls. Der elekrische Strom entzündete auf einen Schlag etwa 12 schlummernde Farbenfeuer und das Auge des staunen­den Zuschauers wird durch deren stets wechselnde Farbenpracht etwa 2 Minuten lang in Bewunderung und in Entzücken versetzt. Kaum daß diese Feuer fast gemeinsam erlöschten, so steht auch schon urplötzlich das Schloß Lauffen auf der Spitze des Bergkegels taghell erleuchtet und es wechselt das Farben­spiel ähnlich wie bei der Beleuchtung des tobenden Wasser­falls, bis zuletzt das Schloß in einem durchdringenden feurigen Roth erglänzt. Damit schließt das Schauspiel, das immerhin 10 Minuten hindurch allgemeines Staunen und Bewunderung erweckt.

Darmstadt. Durch den frevelhaften Leichtsinn eines neun­jährigen Buben ist am 16. d. Mts. in dem oberhessischen Dorfe Appenrod eine Feuersbrunst ausgebrochen, die in wenigen Stunden 46 Gebäude, darunter Kirche und Schule, in Asche legte und 30 Familien ihres Obdachs beraubte. In Gesellschaft anderer Buben hatte der jungendliche Brandstifter ein spanisches Röhrchen, welches ihm als Cigarre dienen sollte, angezündet und dasselbe noch glühend weggeworfen, so daß es das nahe Stroh und die eingebrachte Frucht entzündete. Der starke Wind fachte die Flammen an und verbreitete das Feuer mit einer solchen Ge­schwindigkeit, daß nnr wenige der Betroffenen nicht mehr als das nakte Leben retten konnten und die meisten derselben auf die Mildthätigkeit ihrer Mitmenschen angewiesen sind.

Julius Lies ke, der wegen Mords des Polizeirats Rumpfs zum Tode Verurteilte, befindet sich in der Strafanstalt zu Wehl­heiden bei Kassel. Die Bewachung des Verbrechers ist die denkbar strengste. Wie derHannov. Kur." erfährt, ist Lieske durchaus nicht gedrückt; er ißt, trinkt und schläft gut und trägt überhaupt ein Wesen zur Schau, als ob es ihn wenig kümmere, ob er begnadigt oder hingerichtet werde.

Merlin, 19 Aug. Einer Reuter'schen Depesche aus San­sibar vom 18. Aug. zufolge ist dort gemeldet worden, daß vr. Reichardt, bisher der einzige Ueberlebende der deutsch­internationalen Forschungsexpedition, im Kampfe mit Eingeborenen in Ugoge getötet worden sei.

Köln. (Häusereinsturz.) Am 20. Aug. Vormittags 11 Uhr stürzten auf dem kleinen Griechenmarkt zwei Häuser ein; die Ein­wohner, durch verdächtiges Knistern gewarnt, flüchteten rechtzeitig, so daß außer der Zertrümmerung des Hausraths kein Schaden zu beklagen ist.

Antwerpen. Den von Hrn. Prof. Dr. Jäger konzessio- nirten Fabrikanten wurde bei der hiesigen internationalen Welt- Ausstellung die höchste Auszeichnung, nämlich das Ehrendiplom, zuerkannt. Diese Auszeichnung verdient in den weitesten Kreisen bekannt zu werden.

Der Winter rückt schon ein und der Herbst hat dem Kalender nach noch nicht begonnen. Im schönen Schottland sind seit einigen Tagen die Spitzen der höchsten Berge mit dem winter­lichen Weiß bedeckt. Die Vergnügungsreisenden flüchten in Massen aus Schottland, denn unter solchen klimatischen Verhältnissen hört das Reisen auf, ein Vergnügen zu sein.

Marseille, 19. August. (Cholerafälle auf einem Kriegs­schiffe.) Dem den Leichnam des Admirals Courbet tragenden KriegsschiffBayard" wurde wegen Cholerafällen an Bord die Einfahrt in Toulon verweigert und dasselbe unter Beobachtung gestellt.

Marseille, 19. Aug. Heute 23 Choleratote; in Toulon 1 Choleratodesfall im Marinehospital.

Foulon, 19. August. Ein Choleratodesfall im Marine- Hospital wird wieder gemeldet.

Madrid. (Die Cholera.) Vom Beginn ihres Ausbruchs bis heute hat die Epidemie 56,699 Todesfälle unter 145,000 erkrankten Personen verursacht. Einer ungefähren Schätzung zu­folge sind 60,000 Spanier aus dem Königreiche geflüchtet. Viele andere flüchteten nach den nicht angesteckten Provinzen.

Madrid, 19. Aug. In Spanien sind gestern 4758 Er­krankungen und 1365 Choleratodesfälle angemeldet, davon 33 Erkrankungen und 26 Sterbefälle in Madrid.

Aew-Aork, 19. August. Eine Depesche aus Lima meldet, die Regierungstruppen, welche Canta besetzt hielten, seien am 15. August von den Aufständischen überfallen und geschlagen worden. Der peruanische General Bustamente habe sich durch einen Revolver­schuß getötet, als er das Gefecht für verloren angesehen habe. Depeschen aus Guatemala melden, die Regierung sei in Folge der großen Kriegsausgaben genötigt gewesen, die Zinsenzahlung für die innere und äußere Schuld vom 1. August ab einzustellen.

Wm zwei Jutz Zu lang.

Eine Sedangeschichte von H. Trebort.

(Nachdruck verboten.)

Gabriele von der Hautrapp, die hübsche Tochter des Land­raths Hautrapp, war allgemein als der allerliebste Schalk des Kreises bekannt. Unzählige Herzen, die teils unter glänzenden Uniformen, teils unter modernen Fracks von Assessoren, Referen­daren und so weiter für sie im geheimen oder in offener Weise schlugen, brachte sie zur Verzweiflung, wenn sie erklärte, außer Papa, Mama. Bruder Udo, ihrem Schockt, dem Papagei, sei ihrem Herzen Alles ziemlich gleichgiltig. Machte ihr die Mutter eifrig Vorstellungen, daß es ihr sehnlicher Wunsch wäre, sie einem braven biedern Manne ihres weit ausgebreiteten Bekanntenkreises als Gattin zu geben da lachte sie herzlich, umarmte ihre Mutter und meinte:Willst Du mich denn gar zu gern los sein? Sieh', Mamachen, ich habe ja selbst auch schon darüber nachge­dacht hielt dann Revue ab über all die schönen und nicht schönen Herren, denen ich ein ganzes Bändchen abgeschmackter Phrasen danke, bei jedem aber trat mir groß und deutlich das WörtchenAber" entgegen."

Was hättest Du an Herrn von Bredow, dem Gesandschafts- Sekretär, auszusetzen? Er entstammt einer alten Familie, bekleidet eine ansehnliche Stellung, ist eine stattliche Erscheinung, geistreich

vermögend"

In allen diesen Stücken gebe ich Dir recht, Mama, aber

Herr von Bredow würde seine Diplomatcnkunststücklein, die