WMader Chronik.
Amtsblatt für: die Stadt Wildbad.
Anzeiger und Unterhaltungs-Blatt für Wildbad und Umgebung.
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Uro. S7.
Samstag, den 22 . August
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Württemberg
Stuttgart. Die Kaisermanöver im Armeekorps, welche heute schon das Interesse des Publikums in so hohem Maße in Anspruch nehmen, werden voraussichtlich gewaltige Menschenmassen als Zuschauer herbeiführen. Damit nicht, wie es z. B. 1874 bei Hcilbronn aus Anlaß der Anwesenheit Sr. Kais. Hoh. des deutschen Kronprinzen der Fall gewesen, der Gang der Kriegsübung geradezu gestört wird, sollen dem zuschauenden Publikum Plätze angewiesen werden, von denen aus der Gang des Kampfes ohne Gefahr für die Person und ohne Störung der Bewegung der Truppen, mit Ruhe beobachtet werden kann. Der erste Kampftag, Montag 21. September, wird in das Terrain zwischen der Glems und dem Strudelbach fallen. An den beiden folgenden Tagen werden die Manöver etwas, aber nur wenig mehr nach Osten vorrücken.
— Mit Kaiser Wilhelm werden zu den Kaisermanövern auch der Kronprinz sowie erstmals Prinz Wilhelm von Preußen hier eintreffen. Von fremdländischen Offizieren erwartet man solche aus Oesterreich, England Frankreich, Rußland, Italien, der Schweiz, aus Japan und China. Es wird eine glänzende Suite sein, welche den greisen Heldenkaiser bigleitet. Im speziellen Gefolge des Kaisers befinden sich Generalfeldmarschall Graf Moltke, der Chef des Militärkabinets von Albedyll, Kriegsminister Bronsart von Schellendorf und Fürst Dolgorucki.
tzakw, 18. August. (Ein lljähriger Selbstmörder.) Am Sonntag den 16. ds. Mts. erhängte sich in Ottenbronn ein elfjähriger Knabe in einem Holzschuppen. Am Montag sollte die Schule wieder beginnen. Drohungen seitens der Eltern für den Fall, daß er bei der Lokation wieder hinuntergesetzt werde, mögen den unglücklichen Knaben veranlaßt haben, den schrecklichen Gedanken, den er schon lange in sich trug, zur Ausführung zu bringen. Als sich vor etwa 1 Vr Jahren ein Onkel desselben erhängte, äußerte er Kameraden gegenüber, das Hängen sei gar nichts Arges, er werde es auch einmal thun und seitdem soll er es in Gegenwart anderer Knaben verschiedenem«! spaßweise probirt haben. Leider ist es nun zur schrecklichen Wirklichkeit geworden.
Wom Weckar, 19. August. (Mord.) In abgelaufener Nacht wurde zwischen Heilbronn und Bückingen der Frau K. aus Böckingen durch ruchlose Hand der Bauch aufgeschlitzt. Man fand sie tot im Wiesenthale auf. Sie arbeitete in Heilbronn und kam gewöhnlich spät nach Hause. Von ihrem Mann lebte sie getrennt und hinterläßt einen Sohn von 13 Jahren.
Keikbronn, 19. Aug. (Mord.) Heute früh wurde auf einer Wiese rechts neben der Straße von Heilbronn nach Böckingen, einige Minuten vor Böckingen, die 40 Jahre alte Rosine Keller von Böckingen ermordet aufgefunden. Sie verließ gestern ,abend 10 Uhr Heilbronn und wurde gegen halb 11 Uhr auf der Straße durch zahlreiche Messerstiche getötet, sodann über die Straße 18 Schritte seitwärts in die Wiese geschleift und dort geschändet. Der Thäter muß, da er seinem Opfer 29 zum Teil furchtbare Wunden beigebracht hat, bei dem bestialischen Akte mit Blut ganz überzogen und mamentlich auch der untere Teil seines Hemds, sowie die innere Seite der Beinkleider mit Blut befleckt worden sein. Die tödlichen Wunden sind 2 ein breit; dem entsprechend muß die Klinge des Messers gewesen, auch muß sie spitz verlaufen sein. Die blutige Spur des Thäters konnte noch eine kurze Strecke durch Böckingen verfolgt werden, ohne daß sich aber die weitere Richtung, die er eingeschlagen, verfolgen ließ. Ungefähr eine Stunde vor der That wurde auf der betreffenden Straße ein Mensch beobachtet, der eine abgetragene Juppe und einen niedern, runden, abgeschossenen Filzhut trug. Die König!.
Staatsanwaltschaft erläßt einen Steckbrief gegen den dev That verdächtigen Michael Böhringer von Michelbach, Oberamts Oehringen, bis vor Kurzem Arbeiter in der chemischen Fabrik hier. Derselbe ist 36 bis 40 Jahre alt, mittelgroß, untersetzter Statur, trug kurzen dunklen Vollbart, niederen schwarzen, steifen Filzhut, blaue, ziemlich lange Blouse, auffallend enge Beinkleider und Stiefel und hat eine Glaze auf dem Vorderkopf.
Köingen, 18. August. Ein schreckliches Verbrechen wurde kürzlich in dem benachbarten Thailfingen verübt. Zwei junge Bursche, Brüder, beide Tricotweber, gingen gegen 12 Uhr vom Wirtstisch nach Hause; im bierseligen Uebermuth kamen sie auf den Gedanken, ihrem Nachbar, dem Corsettweber Jakob Conzel- mann, mit dem sie schon länger auf schlechtem Fuße stehen, die Fenster einzuschlagen. Gedacht, gethan. Der Geschädigte eilte auf den Lärm zum Haus hinaus den Burschen nach. Vor ihrem elterlichen Haus scheint er sie erreicht und diese ihn erwartet zu haben, sie traten ihm entgegen und kaum, daß er sichs versah, ward ihm mit einem Axthieb der Kops zerschmettert, so daß ein Theil des Gehirns auf der Gasse umhergespritzt wurde, wo es nachher aufgesammelt und auf einem Plättchen nach dem Rathhaus verbracht wurde. Nach anderer Version habe sich Conzel- mann seinerseits ebenfalls durch Einschlagen der Fenster rächen wollen und sei es darüber zu dem unheilvollen Zusammenstoß gekommen, wobei man aus dem Hause der Thäter den Zuruf einer weiblichen Stimme vernommen haben will: „Schlagt ihn nur tot!" worüber die bereits eingeleitete Untersuchung ohne Zweifel bald Sicheres feststellen dürfte. Der Unglückliche lebt zwar in diesem noch, sein Ende ist aber stündlich zu erwarten. Derselbe steht erst in Mitte der dreißiger Jahre und ist Vater von fünf Kindern. Die Teilnahme mit dem allseitig gut prädizirten Mann und seiner Familie ist eben so groß, als die Entrüstung über die rohe Gewaltthat, deren Urheber bereits dem Gerichte übergeben sind.
Iriedrichssiafen, 17. August. Das am Mittwoch Abend bei Horn verunglückte Salonboot „Friedrichshafen" wurde gestern Nachmittag gehoben und auf 4 Schleppbooten hieher transportirt.
Rundschau
In Marzin beim Reichskanzler ist's wieder still geworden. Graf Kalnoky ist nach Wien zurückgereist, auch der preußische Gesandte beim Vatikan, v. Schlözer, hat Abschied genommen und Bleichröder ist auch wieder fort. Was verhandelt worden ist, bleibt nach wie vor Geheimnis. Wenn nur Bleichröder nichts ausplaudert!
— Alle Angaben über eine geplante Vermehrung der Artillerie und Kavallerie erweisen sich als irrig.
Daß der neue Erzbischof von Krag, Graf Schönborn, der Sprosse eines nasiauischen Adelsgeschlechts, die Feier seiner Inthronisation durch kein einziges deutsches Wort entweihte, wird um so mehr bemerkt, als sein Sprengel nicht blos hunderttausende Deutscher in Böhmen umfaßt, sondern auch ins deutsche Reich sich erstreckt.
In einige Verlegenheit ist man in französischen Negierungskreisen dadurch gekommen, daß Herr Rochefort dem englischen Botschafter in Paris, Lord Lyons, Ohrfeigen in Aussicht stellt, weil Herr Rochefort die Engländer für die Mörder seines Freundes Olivier Pain's hält. Man hat vorläufig Lord Lyons mit einer starken Schutzwache umgeben lassen.
Umfassende Vorbereitungen werden in Krcmsier für die persönliche Sicherheit des Zaren getroffen. Der russische Kaiser wird über den Eisenbahnknotenpunkt Prerau kommend in Kremsier