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ist und sich an dieser gefährlichen Stelle auch keine Wifen (Warnungszeichen) befinden sollen.
Rundschau.
Daß der Kaiser ein guter, ja der beste Soldat ist, das wissen wir. Er kennt keinen Widerspruch gegen den Befehl eines Höheren. Aus Gastein wird erzählt: als der Kaiser von Oesterreich und seine Gemahlin sich verabschiedete, wollte Kaiser Wilhelm die Kaiserin durchaus bis zum Wagen führen. Kaiser Franz Joseph bat seinen Freund, sich zu schonen, die Treppe nicht hinabzusteigen und sich der Zugluft nicht auszusetzen. Aber es half nichts, Kaiser Wilhelm reichte der Kaiserin schon den Arm. „Nun, da alles nichts hilft", rief der Kaiser von Oesterreich, „so befehle ich Dir, zu bleiben." Und Kaiser Wilhelm, der die Uniform eines österreichischen Obersten trug, richtete sich stramm auf, salu- tirte, ließ ein vernehmliches: „zu Befehl Majestät" erschallen und blieb wie angewurzelt stehen. Unter fröhlichem Lachen und in herzlichster Weise nahmen die beiden Herrscher dann von einander Abschied. Die Kur in Gastein ist unserem Kaiser ausgezeichnet bekommen.
In Werlin hat der Besuch der Wiener Sänger eine freundliche, poetische Abwechselung in das nüchterne, nervöse Alltagstreiben gebracht. Die Berliner haben bei den Empfangsfeierlichkeiten Alles vermieden, was dem Vorgang einen politischen Anstrich hätte geben können. Die Wiener Sänger erschienen sämtlich mit der Kornblume im Knopfloch. Das wird in Berlin als das Zeichen der Verehrung für unseren Kaiser angesehen, dessen Lieblingsblume bekanntlich die Kornblume ist. In Oesterreich aber stellt die Kornblume ein Kampfeszeichen dar; es wird von den Anhängern jener Richtung getragen, welche auf dem Boden des radikalsten Fortschrittlcrthums stehend, demonstrativ ihre Hinüberneigung nach Deutschland bei möglichst vielen Gelegenheiten an den Tag legen. Als ein Berliner Redner von österreichischen oder von Wiener Sängern sprach, wurde ihm aus den Reihen der Gäste zugerufen „deutschen" Sängern. Hoffen wir, daß die Sänger nicht vergessen wollen und werden, daß ein politisch Lied ein garstig Lied ist.
Merlin, 14. August. Kommodore Paschen, der Kommandant des deutschen ostafrikanischen Geschwaders meldet: Der Sultan von Zanzibar anerkannte bedingungslos die Schutzherrschaft des deutschen Kaisers über alle von den Deutschen in Besitz genommenen Gebiete, einschließlich des Festlandsgebietes Vitu. Die Truppen und die Beamten von Zanzibar haben sich bereits aus den gedachten Gebieten zurückgezogen. Reuter's Bureau in London und die Agence Havas in Paris melden von der Besetzung einer Insel auf der Karolmengruppe durch Deutschland, sowie von Vorstellungen, die Spanien deswegen in Berlin erhoben und von der Absendung zweier spanischen Kriegsschiffe nach den Karolinen.
Wenn die Könige bauen, haben die Kärner zu schaffen, lautet ein altes Sprichwort. Heute kann man hinzufügen: und wenn die Kaiser sich besuchen, kommt Geld unter die Leute. In Krcmster in Mähren, wo Kaiser Alexander und Kaiser Franz Joseph sich am 24. dieses Monats zusammenfinden werden, wird im Schloß Tag und Nacht gearbeitet. Aber noch 8 andere große Gebäude werden hergerichtet, um die Gefolgschaft der beiden Monarchen, aufzunehmen, die ganze Stadt wird gescheuert, gefegt und geputzt. Privatwohnungen sind schon in großer Anzahl vom Hofmarschallamt gemietet und die gesammten Vorbereitungen sind auf nicht weniger als eine halbe Million Gulden veranschlagt, die der Kaiser Franz Joseph aus seiner Tasche bezahlt. Hoffentlich ist diese kaiserliche Tasche recht groß, recht tief und recht voll und hoffentlich greift der Kaiser recht gern hinein!
West, 10. Aug. Von einem Fall abscheulicher Tortur wird berichtet. Vor einigen Tagen wurde dem Pfarrer von Raba- Szt.-Mihaly die Umfriedung des Gartens angezündet. Als das Holz stundenlang brannte, fiel es einem der Pfarre nahestehenden Herrn ein, den Thäter zu suchen. Er ließ auf's Geratewohl einen der vor dem Garten stehenden Hirtenknaben abfangen und unterzog ihn einem Verhör. Als der Knabe jedoch sagte, die Umfriedung sei in Flammen gestanden, als er des Weges kam, ließ der Herr den Knabm von seinem Kutscher fassen, damit dieser ihn so lange über das Feuer halte, bis er gestehen würde. Der Kutscher kam dem Befehle nach und hielt den Knaben so lange über das Feuer, bis die Füße des Bedauernswerten sich mit Brandwunden bedeckten und der Knabe vor Schmerz in Ohnmacht fiel. Der Vater des gepeinigten Knaben hat, wie „Buda- pesti Hirlap", dem diese fast unglaubliche Geschichte entnommen ist, berichtet, die Anzeige beim Szent-Gottharder Bezirksrichter erstattet, der sofort die Untersuchung einleitete.
Man weiß wahrhaftig nicht, ob man die Aranzosen ihrer Albernheit wegen bedauern oder sich über ihre bösartige Verstocktheit ärgern soll. Der Ministerpräsident Brisson hält den Schülern iu Paris bei der Preisverteilung am Schlußtag der Schule eine Rede, in der er wörtlich sagt: „wenn ihr erwachsen sein werdet, werdet ihr zurückgewinnen, was andere verloren gehen ließen." Und die republikanisch gesinnte „France", das thörichste Stück Papier, das jemals gewalkt und bedruckt worden ist, erzählt ihren Lesern, daß Fürst Bismarck in Paris eine ganze Schaar Frauenzimmer, Elsaßerinnen, Schweizerinnen und Belgierinnen als Spioninnen bezahle. „Diese Spioninnen müssen vertrieben werden; die öffentliche Gesundheit und die Sicherheit des Staates werden dabei viel gewinnen!" Du lieber Himmel! an der öffentlichen Gesundheit in Paris ist nichts mehr zu verderben und die Sicherheit des Staates untergraben derartige blödsinnige Gerüchte, wie sie die „France" colportirt, weit mehr, als alle Frauenzimmer, die in Paris leben und leben können, ohne aus Deutschland Unterhaltungsnuttel zu beziehen!
Waris, 14. August. Aus Marseille wird dem „Nat." heute telegraphirt: „Die Stadtbehörde fährt fort, die Todesfälle zu verheimlichen. Die Zahl derselben betrug gestern 80, wovon 48 von der Cholera, während man der Presse nur 77, wovon 42 von Cholera, anzeigte, und dabei sind weder die Todesfälle der bürgerlichen Spitäler, noch die des Pharo inbegriffen. Die Lage ist also ernst.
Die Nachrichten aus Marseille lauten heute wieder beunruhigender; die Epidemie nimmmt bedenklich zu.
Marseille, 14. August. Heute kamen zwanzig Cholera- Todesfälle vor.
Nachdem die Cholera die Grenzen Spaniens überschritten hat und wieder auf französischem Boden erschienen ist, beginnen die continentalen Staaten entsprechende Abwehr-Maßregeln zu ergreifen. Im allgemeinen bringen die Regierungen die früher aufgestellten Bestimmungen wieder in Erinnerung. Dasselbe dürfte auch im Deutschen Reiche, bezw. den deutschen Bundesstaaten erfolgen.
Die letzte Session des gegenwärtigen englischen Parlaments ist geschlossen. In der Thronrede spricht die Königin ihr Bedauern über das Mißlingen der Khartum-Expedition aus und hebt die Tapferkeit der an derselben beteiligt gewesenen Truppen hervor. Der Tod des Mahdi werde die Königin wahrscheinlich in den Stand setzen, ihre die Ereignisse gegenüber dem Herrscher und Volke von Egypten auferlegten Pflichten mit weniger Schwierigkeiten zu erfüllen. Die Königin werde nicht Nachlassen in ihren Anstrengungen, die Regierung und gute Ordnung in Egypten auf feste Grundlagen zu stellen. Die Beziehungen zu anderen Mächten seien freundschaftlich, die Verhandlungen mit Rußland in Betreff der Grenzen des Gebietes des Emirs von Afghanistan, des Bundesgenossen der Königin, dauern fort und noch hoffe die Königin, daß die Verhandlungen bald zu einer befriedigenden Lösung führen werden.
In Lissabon ist die Nachricht von einer Massenermordung von Weißen an der Westküste von Afrika eingegangen. Berichte aus St. Paul de Loando besagen, daß der König von Coan- hama Huilla plötzlich starb, worauf alle Eingeborenen, das Hinscheiden des Königs der Zauberkraft der Weißen zuschreibend, eine Metzelei veranstalteten. Sie überfielen die Europäer und tödteten 20 derselben, darunter 3 Väter der Mission von Huila. Viktor Gerard, ein Engländer, entkam mit seiner Tochter, aber zwei seiner Kinder wurden ermordet.
Kairo, 17. Aug. Hier eingegangenen Nachrichten zufolge soll der Nachfolger des Mahdi, Abdullah, gelegentlich eines Aufruhrs, der am 26. Juli in Khartum stattgefunden hat, getödtet worden sein.
Cotopaxi, ein feuerspeiender Berg in Kcuador, begann am 23. Juli vor Tagesanbruch einen ernsten Ausbruch. Lavaströme mit Asche und Steinen überwältigten einen Teil der in der Nähe des Cotopaxi gelegenen Stadt Chimbo und es wurden 100 Häuser zerstört. Die Zahl der Getödteten ist unbekannt.
Der Wolf im Schafstall.
Philadelphia, die Quäkerstadt, ist in nicht geringer Aufregung. Zwei Herrchen haben einen Streich verübt, der wie eine Szene aus einem tollen Schwank klingt, welcher den Titel führen dürste: „Habichte im Taubenschlag," oder „Feuer in der Mädchenschule." Troß der Entrüstung, die er hervorgerufen, ist er so ergötzlich, daß er des Weitererzählens wert ist. Eine der renommirtesten Pensions- uud Lehranstalten, die in der nördlichen ländlichen Vorstadt gelegen ist, wurde von zwei jungen barmherigen Schwestern besucht, welche Almosen