und flehen mich an. Einem verbinde ich das ab­geschossene Bein, aber dann muß ich den Kameraden nach. Wir steigen über viele tote Franzosen hin­weg. Hinaus geht's wieder auf die Ebene, und neues, rasendes Feuer empfängt uns. Doch, nur vorwärts gibt's für uns.

Es ist 7 Uhr abends und daS Schießen ver- stummt allmählich. Noch einmal schlägt eine feind­liche Granate 10 Meter neben mir ein, noch ein- mal schreien die Verwundeten auf, dann wird's still und stiller. Todmüd sind wir, aber auch stolz, denn wir haben den Feind wieder zurückgeworfen, wir haben gesiegt und ihm große Verluste beige- ^ bracht. Jetzt ist's Nacht, doch statt der ersehnten, Ruhe wird vormarschiert. Zuerst die Chaussee, dann durch ein verlassenes, brennendes Dorf, immer weiter bis zu einer Anhöhe, wo gehalten wird. Schon ist die treue Feldküche da. Das Essen wird gierig verschlungen, dann werden die Gewehre zu­sammengesetzt, und bei den Gewehren, trotz Kälte und Wind, finden wir bald einen kurzen, toten-, ähnlichen Schlummer.

Montag ( 7 . Sept.) früh 5 Uhr wird geweckt. ^ Kaffee gibts heute keinen, Brot haben wir, pro Mann '/s-Laib, am Sonntag erhalten, das muß reichen. Ich hatte fürchterliches Magenweh und fühlte mich daher krank, doch um 6 Uhr beginnt schon wieder die feindliche Artillerie, Hunderte von, Granaten und Schrapnells in unsere Reihen zu' werfen. Unsere Kompagnie mit dem Hauptmann als einzigem Offizier, liegt in Kompagniekolonne hinter einer Batterie auf freiem Feld. Doch da! kommen sie schon, die Granaten und Schrapnells.' 10 Meter von unserem Zug schlagen sie em, uns mit Erde und Eisen überschüttend. Unser Haupt- ' mann sieht ein, daß wir hier nicht bleiben dürfen/ sonst sind wir verloren. Im letzten Augenblick ziehen wir uns daher nach rechts hinter die Anhöhe. Wir halten unseren seitherigen Platz noch keine 2 Minuten verlassen, als auch schon drei feindliche Granaten nacheinander genau dahin sielen, wo unsere zusammengeschmolzene Kompagnie gelegen hatte. Doch gleichgiltig sahen wir zurück, das war nicht das erste Mal, daß wir dem Tode entronnen sind. Noch einige Stunden lagen wir dann im feindlichen Granatfeuer, dann gings von neuem vor, über Tote und Verwundete hinweg, durch ein Dorf, an einen Bach, wo wir wieder sammelten; doch schon wieder fehlten bekannte Gesichter. Mein Gott, es ist doch furchtbar und die Tränen standen man­chem in den Augen. Da sahen wir auch wieder unseren Major und zugleich erhielt das Bataillon den Befehl, die vorliegenden beiden Höhen, die vom Feinde besetzt waren, zu nehmen. Also wieder auf,! dem Hauptmann nach. Noch waren wir nicht ganz! oben, da gesellt sich zu dem rasenden Artilleriefeuer noch ein wahrer Hagel von Jnfanteriegeschossen.' Rechts und links fielen die Helden nieder. Da wirst auch der Hauptmann beide Arme in die Luft; ein! Schuß in den Arm und einen in die Brust hatten ihn hingestreckk. Ein Unteroffizier führt ihn auf einem Karren zurück. Also unserem Major nach l Ich sah ihn immer vor mir, das Gewehr in der Hand, als allerersten des Regiments. Doch nun wird das feindliche Feuer so furchtbar, daßauch die Tapfer­sten stutzen und Miene machen, zu weichen. Doch mit lauter Stimme ruft vorne unser Major, ein Held. Ich bin der erste neben ihm und brülle: Vorwärts.

Und endlich kommen sie, Mann für Mann, legen sich schweigend hin und schießen. Mein Major, fragt mich nach Namen und Kompagnie; ich sol^ eine Auszeichnung erhalten. Und nun schieße ich neben meinem Major, auf die in Hellen Haufen ^ zurückflutenden Franzosen, als Auflage für mein Gewehr einen toten, bereits in Verwesung über­gegangenen Franzosen. 3 Stunden lang schieße ich so, trotz des furchtbaren Verwesungsgeruchs des Toten. Dann wird es Nacht und wir wur­den von dem mit so viel Tapferkeit und Blut ge­nommenen Hügel zurückgezogen, gesammelt und neu eingeteilt. Nun wollten wir nur noch schlafen. Da hatten wir uns aber verrechnet, denn sofort wurde mit Schanzen begonnen. Tiefe Deckungs­gräben gegen feindliches Artilleriefeuer sollten wir ausheben, es gehe um unser Leben, lind da nahmen wir todmüde die kurzen Spaten zur Hand und gruben in steinhartem, steinigen Boden, in der Stunde 10 ein tief. Aber es ging um das Leben und wir gruben; manche weinten, es war hart. Am Morgen (8. September) erhielten wir es war noch Nacht einen Kaffee und dann hinein in die Gräben, welche manchem Braven zum Grab werden sollten. Wir hatten die Gräben mit unserer schwachen Kraft so klein als möglich gemacht und der Raum für den einzelnen war daher mehr wie beschränkt. Zusammengerollt zu einer Kugel, lagen wir da, mit dem ersten Hellen Schein im Osten ging's los, furchtbar, alles bis­her Erlebte überbietend an Fürchterlichkeit, so flogen die feindlichen Granaten um unsere Gräben. Sie mußten wiffen, wo wir lagen, so gezielt waren die Hunderte von Schüssen. So lagen wir, bis es wieder Nacht wurde; keiner durfte sich regen, den ganzen Tag überschüttet mit Granatfetzen. Bei Nacht durften wir heraus, die steifen Glieder werden gestreckt und die Feldküche kam. Sofort nach dem Essen mußten wir weiterschanzen bis zum Morgen. Dann kam der Mittwoch morgen. Hinein in die etwas tieferen Gräben und beim Morgengrauen ging's wieder los, Schuß auf Schuß. Tote, Verletzte, Erde und Steine um den Kopf, auf den man zum Schutz den schweren Tornister hielt. Aus einem Graben hörte man laut beten, aus einem andern religiöse Lieder singen Es gibt ja keinen Ausdruck, um diese Gefühle zu beschreiben. Mittwoch nacht dasselbe. F?ldküche,Esjen undWeiter- schanzen. Ihr fragt Euch wohl, wann wir schliefen. Nun bei Tag, im gräßlichsten feindlichen Artillerie­feuer, so abgestumpft waren wir und so todmüd. Da APttwoch (9. Sept.) nachts 12 Uhr der Befehl, nicht weiter zu schanzen; es wird ein Sturmangriff mit Bajonett gemacht. Eine Stunde Ruhe gönnt man uns, dann wird entladen, Bajonett hinaus und Marsch, dem Feind, dem Tod entgegen. In geschlossenen Kolonnen gehts vor. 11. Komp, ganz vorne. Etwa 1 Stunde sind mir marschiert, da fährt der erste Bleihagel in unsere Glieder. Dutzendweise fallen die Braven, doch vor, nur vor. Fürchterlich dröhnt unser Hurra durch die Nacht, der Feind weicht. Da setzt ein furchtbarer Wolken­bruch ein, in 10 Minuten sind wir bis auf die Haut durchnäßt; die armen Verwundeten! Mann auf Mann fällt, ein Offizier nach dem andern, der Major, sein Adjutant. Nur noch einen Hauptmann und einige Leutnants haben wir. Von überall her erhalten wir jetzt Feuer; es ist gräßlich, und

selbst dürfen wir doch nicht schießen. Da heißt es halt eingraben. In 2V- Stunden Hab ich im Wolkenbruch meinen Hauptmann und mich voll­ständig eingegraben. Ich erhalte eia Lob. Nun wirds Tag. Ls ist Zeit, denn mein Hauptmann und ich stehen schon bis zum Knöchel im Wasser. Eine Brigade Franzosen liegt vor uns tief ein­gegraben an einem Bahndamm. Nun können wir auch schießen. Kaum haben wir begonnen, da laufen sie auch schon. Es ist wohl das Gräßlichste, was meine Augen je sahen. Eine Brigade Fran­zosen Mann an Mann, in dichtem Schwarm liefen sie zurück. Sie mußten eine 800 Meter lange deckungslose Anhöhe hinaus, aber nur wenige Mann erreichten die Höhe, so wurden sie zusammen- geschossen. Ich konnte nicht schießen, sondern ich weinte wie ein kleines Kind. Dann taumelte ich mit vor. Hinter einem Garbenbündel liegt ein gesunder Franzose, er liegt auf mich an, im letzten Augenblick seh ichs, werf mich zurück, doch in der Hand saß der Schuß. Meine Kameraden haben ihn dann stumm gemacht. 12 Km. schleppte ich mich zurück, wurde verbunden, dann 8 Km. aus einem Wagen, 6 Km. zu Fuß, 60 Km. auf dein Lastauto. 35 Km. auf dem Trittbrett einesTietz"- Lieferungsautos in strömendem Regen, 1 Tag und 1 Nacht im Viehwagen, dann Genesungsheim Landstuhl. Furchtbar ist der Krieg. Doch der Sieg ist unser. *

London, 30. Sept. (W. T.-B. Nicht amtl.) Die Admiralität gibt bekannt, daß während der letzten Tage der KreuzerEmden" im Indischen Ozean die DampferTumerieo",Kinglud", Riberia" undToyle" weggenommen und in den Grund gebohrt und ein Kohlenschiff weggenommen hat. Die Bemannungen der Schiffe wurden auf dem Dampfer Cyfedale, der ebenfalls genommen, aber wieder freigelaffen wurde, nach Kolombo gebracht, wo sie gestern früh eintrafen.

Tokio, 30. Sept. (W. T.-B. Nicht amtlich. Reuter.) Die Japaner haben am Sonntag die Deutschen, 3 Meilen von Tsingtau entfernt, an­gegriffen.

K o n st a n t i n o p e l, 30. Sept. (W. T.-B. Nicht amtl.) Zur Rechtfertigung der vollständigen Sperrung der Dardanellen stellt eine halbamtliche Note fest, daß die englische und französische Flotte seit einiger Zeit am Eingang der Dardanellen kreuze. Deshalb habe die Regierung beschlossen, die Dardanellen zu sperren und sie nicht wieder zu öffnen, bis die genannten Flotten sich von der Meerenge entfernt haben.

Köln, 30. Sept. DieKöln. Ztg." meldet von der holländischen Grenze: Aus Kapstadt wird berichtet: Der Premierminister Botha, der den Befehl über die gegen Südwestafrika vorgehenden Truppen nach dem Rücktritt des General Beyers selbst übernommen hat, hielt einer Versammlung von etwa 5000 seiner Wähler zu Bank in Trans­vaal eine Rede, worin er die Beteiligung des süd­afrikanischen Bunds an dem Krieg verteidigt und behauptet, daß dieser Krieg England zu seiner Verteidigung aufgezwungen sei. Die Versammlung nahm einen Beschluß an, der die Politik der Regierung billigt. Ein Zehntel der Anwesenden sprach sich jedoch dagegen aus. Diese Meldung des Reuterbüros bedarf der Nachprüfung. Uebrigens

Gerichtet.

Roman von Franz Wichmann.

31s (Nachdruck verboten.)

Ihre Schrecken, ihre Bestürzung wuchsen mit jeder Sekunde. Ter Gefürchtete und doch Ersehnte kam quer über die Straße auf das Vorderhaus zu. Jetzt trat er in den Hof und

Jesus Maria," schrie Klara auf,er öffnet die Tür!"

Was wollte er nur? Es wohnte da unten ja niemand. Jetzt kam er die Treppe herauf. Sie ver­ging fast vor Angst. Den Vater konnte er doch nicht suchen, seinen Feind. Kam er zu ihr? Aber nein, das durfte nicht sein! Sie wollte das Zimmer verriegeln, doch es war schon zu spät. Nur an die Tür eilte sie noch, um sie wenigstens zuzuhalten. Sie hatte es ja dem Vater versprochen, nicht wieder mit Hellborn zu sprechen, und wenn er mm erführe, daß sie ibn doch wieder gesprochen batte-

Allem, alle Kraft, mit der sie sich wappnete, er­lahmte, als sie von draußen eine tiefe Stimme ihren Namen sprechen hörte:

Fräulein Reiner!"

Ihre Hände sanken herab.

Herein!" kam es zitternd, unwillkürlich über ihre Lippen.

Die Tür wurde langsam geöffnet und, in einen langen, grauen Mantel gehüllt, das bärtige Gesicht von einem breiten Strohhut überschattet, trat Hellborn, einen derben Stock in der Hand, über die Schwelle.

Glauben Sie nicht, Fräulein Reiner," begann er, «daß ich Ihr Alleinsein"

Wie, Sie wissen?" unterbrach das Mädchen ihn, noch mehr erschrocken,Sie wußten und konnten dennoch hier"

Eindringen, wollen Sie sagen!" fiel er ihr ins Wort.Eben darum, weil ich anders nicht konnte! Und ich habe lange auf diesen Augenblick gewartet, ich wollte"

Da er noch immer an der Tür stehen geblieben war, suchte Klara ihm den Weg in das Zimmer zu verwehren.

Aber, mein Gott," sagte sie,so bedenken Sie doch"

Hellborn ließ sie nicht aussprechen:

Ich wollte nichts Unrechtes, gewiß nicht. Ver­trauen Sie nur so wenig? Nur zu Ihrem Eigentum wollte ich Ihnen wieder verhelfen!"

Zu meinem Eigentum?" fragte sie verwundert.

Ja, haben Sie nichts vermißt," fragte Hellborn dagegen,seit jenem Tage, im Steinbruch bei Grün­wald?"

Mein goldenes Herz?"

Ich fand es unlängst erst, durch Zufall, bei einer Reparatur einer vermorschten Stelle, unter dem Boden meiner baufälligen Hütte. Es konnte nur Ihnen gehören!"

Klara vergaß es, ihm noch länger den Weg ins Zimmer zu verwehren; in lebhafter Erregung trat sie Hellborn näher.

Und Sie bringen es mir? O, tausend, tausend

Dank! Ich hatte keine Ahnung, wo ich es verloren haben konnte. Nur, daß es an jenem Tage geschah, wußte ich, und lebte in steter Angst, daß mein Vater es vermissen und mich danach fragen würde- El schenkte es mir, als ich noch ein Kind war."

Hellborn suchte in seinem Gewände:

So bin ich noch zu rechter Zeit gekommen!"

Ich hatte schon lange die Hoffnung aufgegeben, es wiederzuerhalten," fuhr Klara fort,nachdem so lange Zeit darüber verflossen war!"

Machen Sie mir deshalb keinen Vorwurf!" la! er mit seiner tiefen, ruhigen Stimme.Wie sollte ich es Ihnen zukommen lassen, ohne daß es Ihr Verräter geworden wäre? Ich weiß ja, Ihr Vater haßt mich' Und ich sah Sie nie mehr allein!"

Und dennoch, heute, hier in der Stadt wagten Sie es"

Weil ich wußte, daß Sie allein seien!" entgegnen er einfach.

Sie sahen meine Mutter, meinen Bruder fort- gehen und da, nicht wahr, vermuteten Sie, daß -

Hellborn neigte bejahend das von langem, ste> herabhängendem Blondhaar umwallte Haupt.

Ich hatte auch zuvor im Vorübergehen Ihre" Later im Wirtshaus sitzen sehen!" ergänzte er.

O, wie danke ich Ihnen!" sagte Klara von neuem im herzlichen Tone.Ich hatte Mut und Bertram- verloren, seit mir das goldene Andenken fehlte. E» war mir wie ein Talisman!"

(Fortsetzung folgt.)