Schützen gut sichtbare Ziel. Noch zwei Minuten wütendes Feuer nach dem Höhenkamm vor uns, dann allgemeiner Sturmlauf der ganzen Linie, und wir sind drin. In tiefen Schützenlöchern stehen die russischen Schützen; einer schlägt auf mich an, sonst habe ich keinen Lebenden mehr gesehen; die andern lehnen leblos oder schwer verwundet in ihren Löchern. Nun hinab in den Grund dahinter und hinauf auf die nächste unbesetzte Höhe. Kein Feind zu sehen. „Leute, wer singt mit?" — „Wir alle, Herr Hauptmann!" — Und nun brauste das „Deutschland über alles" hin über das dunkelnde Kampffeld, ein mit Gewalt herausbrechender Siegesjubel und zugleich das Erkennungszeichen für die hinter und festlich herankeuchenden deutschen Unter- stützungStruppen.
Rotterdam, 19. Sept. Die Westminster Gazette veröffentlicht, wie die „Post" mitteilt, aus der Feder eines hohen Seeoffiziers einen Artikel, der die Tätigkeit der deutschen und englischen Flotte vergleicht. Er zollt der englischen Flotte natürlich volle Bewunderung. Es sei ein „Wahnsinn", von der Untätigkeit der englischen Flotte zu sprechen. Allerdings hätte Englands Flotte keine Schiffe, die tolle Husarenstücke ausführe, wie einzelne deutsche dies mit großem Erfolg im Mittelmeer und Ozean getan haben. Der bisherige Erfolg der deutschen Flotte liege aber nicht in diesen kleinen Unternehmungen, sondern in ihrem geheimnisvollen Wirken. Englands Flotte hat eine Anzahl von deutschen Schiffen gekapert, Englands Flotte hat deutsche Schiffe in den Grund geschossen. Das sind aber alles sichtbare Vorgänge, bei denen Ursache und Wirkung klar zutage traten. Die deutsche Flotte arbeitet mit geheimnisvollen Mitteln, die wir alle wohl kennen, jetzt aber erst in ihrer vollen Wirkung fühlen! Unsere Schiffe fahren still und ruhig über die See. Plötzlich bersten sie auseinander und sind verschwunden. Wir sprechen immer nur von Minen. Alle Anzeichen aber deuten darauf an, daß die Unterseeflotte Deutschlands hart an der Arbeit ist. England ist unstreitig die Herrin des Meeres. Was nützt das aber, wenn Deutschland sich zur Herrin des Meeresgrundes macht. Der Kampf unter der See und der Kampf in den Lüften zeigt Deutschland als Meister. Die Waffen, die in diesem Kampfe erst sozusagen die Feuertaufe erhalten, sind vorderhand fast ausschließlich Waffen Deutschlands geworden. Der große Nebenerfolg dieser geheimnisvollen Tätigkeit deutscher Kampfmittel trägt nun aber die Nervosität ins Land, in das Heer und in die Marine. — Im Daily Chronicle erklärt der bekannte englische Schriftsteller Wells, daß im gegenwärtigen Krieg aller Voraussicht nach nur die Luftflotte entscheiden wird; und da ergebe sich die traurige Tatsache, daß ganz zweifellos Deutschland Beherrscher des Lustmeeres ist. Was seine Flieger leisten, sei das Hervorragendste in dem größten Krieg, den die Welt je gesehen. Alles, was die französischen und englischen Flieger dagegen leisten, sei Kinderspiel.
Der Wert der indischen Truppen.
Zu der aus London stammenden Mitteilung, es seien 70000 Mann indischer Truppen nach dem europäischen Kriegsschauplatz abgegangen, schreibt der „Frkf. Ztg." ein mit den Verhältnissen Indiens
wohlvertrauter Herr: „Ich bin über 10 Jahre m Indien gewesen, habe oft das ganze Land von Norden bis Süden bereist und mir auch das Militär dabei etwas angesehen. Da halte ich denn die Ausführung der Idee für ausgeschlossen. Nach Aegypten konnten wohl noch indische Truppen geschickt werden. Auch da wird man bedacht gewesen sein, keine Mohammedaner zu nehmen. Aber einmal kommt dort die Verwendung nur gegen die einheimische Bevölkerung in Frage und, was mindestens ebenso in die Wagschale fällt, die klimatischen Bedingungen sind wenigstens für die aus Nvrdindien genommenen Leute nicht sonderlich verschieden vi»i denen ihrer Heimat. Gegen unsere Truppen sind die indischen Regimenter von unter- geordnetem Gefechtswert. Ich glaube, dem deutschen Artilleriefeuer würden auch die besten indischen Truppen nicht einen Augenblick standhalten. Weit schlimmer würde aber das Klima auf diese Truppen wirken. Jetzt, wo der Herbst einsetzt, würden diese Soldaten, die auch im Norden Indiens kaum je für längere Zeit wirklicher Kälte, vor allem nasser Kälte, ausgesetzt sind, einfach die Lazarette füllen. Im allgemeinen tragen sie kein schweres Gepäck. Wollte man ihnen noch besondere Schutzmittel gegen Kälte und Regen in Gestalt von Mänteln, Zelten usw. aufbürden, so würden sie versagen, und die Mittel würden auch nichts helfen. Nein, ich glaube nicht, daß Lord Kitchener als Höchstkommandierender in Indien so wenig gelernt haben soll. Und er wird auch Indien nicht von Truppen entblößen wollen, deren Entsendung unter den heutigen Verhältnissen dort eine unerwünschte Aufmerksamkeit und ein Aufleben der gewaltsam eingedämmten Agitation unter den Eingeborenen zur Folge haben würde."
Basel, 19. Septbr. (W.T.-B. Nichtamtlich.) Die „Gazette de Lausanne" enthält ein Telegramm aus Toulouse über den Bericht eines französischen Offiziers, in welchem es heißt: „Auch unsere Feinde haben aus dem letzten Kriege ihre Lehren gezogen. Sie unterhalten den bestorganisierten Nachrichtendienst, der sich über die ganze Welt erstreckt und sie mit ziemlich genauen Beobachtungen versorgt. Wir haben nicht geglaubt, daß die deutschen Flieger so zahlreich seien. Ganze Schwärme kundschafteten unsere Stellungen aus. Wenn einer heruntergeschossen wurde, erschienen fünf andere, welche höher flogen. Das können Tausende von Zeugen versichern. Die Flieger ließen rote Kugeln herabfallen. Unsere Soldaten warfen sich zu Boden, denn sie erwarteten eine Explosion; aber nichts erfolgte, nur eine weiße i Rauchfahne stieg empor. Aber ein paar Minuten ? später sauste ein Hagel von Granaten und Schrapnells über uns her. Die deutsche Artillerie zielt und trifft genau, wenn sie uns auch an Material und Munition nicht gleichkommt. Der Plan, das Ziel durch Flieger markieren zu lassen, ist eine geniale Idee. Der Kniff ist nun entdeckt, aber er hat genug genutzt."
Auskünfte über das Schicksal -er deutschen Kriegsgefangenen. Amtlich wird bekanntgegeben: Mit der britischen, der französischen und der russischen Regierung ist ein Austausch von Listen der Kriegsgesangenen verabredet worden. Die Listen der deutschen Kriegsgefangenen werden, soweit es sich um Angehörige des Landheeres
handelt, an das Zentralnachweisebureau des könig. lich preußischen Kriegsministeriums in Berlin litV. Dorotheenstraße 48, soweit es sich um Angehörige der Marine handelt, an das Zentralnachweise- bureau des Reichsmarineamts in Berlin lV., Matthäikirchstraße 9, gelangen. Diese beiden Stellen werden in einiger Zeit, jedoch nicht vor dem 1. Oktober dieses Jahres, in der Lage sein, Auskünfte über das Schicksal der deutschen Kriegs, gefangenen zu erteilen.
Wien, 17. Sept. Mit einem Verwundeten- transport aus der Lemberger Schlacht wurde auch ein zwölfjähriges Mädchen namens Hennoch gebracht. Ihm war das eine Bein durch einen Schrapnellschuß zerschmettert worden. Ihr Zustand verschlimmerte sich unterwegs so sehr, daß ihr während der Eisrnbahnfahrt das Bein amputiert werden mußte. Das Mädchen hatte während der fünftägigen Schlacht in größtem Kugelregen de» in Schwarmlinie liegenden Soldaten ununterbrochen Wasser gebracht, bis sie der Schuß traf.
Wien, 18. Sept. (W.T.-B. Nichtamtlich.) Die Korrespondenz „Rundschau" meldet: In Peking herrscht die größte Erregung über die Forderung Japans, ihm freie Hand in China zu gewähren. Alle Gerüchte über Unruhen und Revolutionen in China werden dementiert. Die Erregung gegen die Ententemächte, namentlich England und Rußland, wächst. Man beschuldigt Großbritannien, daß es Japan gegen China aufhetze. Ueberdies behauptet man in Peking, daß zwischen Japan und Rußland jetzt eine Vereinbarung dahin zustandegekommen sei, daß Japan die Mandschurei und Mongolei besitzen solle. In Pekinger Regierungskreisen macht man kein Hehl aus einer warmen Sympathie für Oesterreich-Ungarn und Deutschland.
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Die 20 württembergische Berknstliste
enthält u. a. vom Landwehr-Jnf.-Regt. Nr. 121 299 Namen: gefallen bezw. gestorben 58, verwundet 163. vermißt 75, erkrankt 3. Vom Jnf.- Regt. Nr. 180 Tübingen-Gmünd verzeichnet die Liste 297 Namen: gefallen bezw. tot 11, schwer verwundet 24, verwundet bezw. leicht verw. 216, vermißt 13, erkrankt 2, verunglückt 1. Von verschiedenen Formationen: 15 Tote. Insgesamt umfaßt die Verlustliste 632 Namen: gefallen bezw. tot 87, schwer verw. 27, verw. bezw. leicht verw. 414, vermißt 88, erkrankt 5, verunglückt 1. I» der Gesamtzahl befinden sich 24 Offiziere und 4 Offizierstellvertreter (gefallen bezw. tot 14, schwer verwundet 1, verw. bezw. leicht verw. 7, vermißt 2 , erkrankt 3, verunglückt 1).
Stuttgart, 21. Sept. Die bis 18 d. M. erschienenen 20 Verlustlisten vom 13. (miirit! Armeekorps zeigen als tot an: 1012 Mann, als verwundet 2879, vermißt 783. Von den Verwundeten sind die meisten leicht verwundet und viele stehen schon zum zweitenmal im Feld. Auch die Zahl der Vermißten hat sich durch Wiedereinsinden von solchen, die nachträglich als verwundet gemeldet wurden, etwas verringert. Erkrankt sind 32, tätlich verunglückt 4 und 3 werden als Gefangene aufgeführt. Da das württ. Armeekorps schon eine große Zahl sehr blutiger Kämpfe zu bestehen hatte, erscheint die württ. Gesamtverlustziffer im Verhält-
Gerichtet.
Roman von Franz Wich mann.
22) (Nachdruck verbaten.)
„Nicht doch." bemerkte oie Försterin zu Otto. „Klara sollte das Kleid, das sie doch niemals anzieht, versetzen. Warum hast du es nicht getan?" fragte sie noch einmal die Tochter.
«Man bot mir ein Spottgeld dafür. Ich mochte es dafür nicht hingeben und wollte dich erst fragen!"
„Ach, Unsinn," wehrte diese ab. „ich will nichts wissen! Wenn du den Kaffee für den Vater bereitet hast, trage das Kleid nochmals fort — um jeden Preis; wir brauchen Geld!"
Otto ging inzwischen, die Hände in den Hosentaschen, pfeifend im Zimmer umher.
„Recht so. Mama!" sagte er, stehen bleibend. „Klara ist. wie es scheint, der Heilsarmee beigetreten und will di- verderbte Menschheit mit der Bibel bekehren."
«Besser, als seine Zeit vergeuden mit —"
Klara konnte nicht zu Ende sprechen; ein erschreckter Aufschrei der Mutter unterbrach sie.
„Der Vater, der Vater! Um Gottes willen, fort mit dem Kleide, er darf es nicht merken!"
Sie raffte hastig das Gewand zusammen und warf es in den Schrank.
„Schnell den Kaffee, Klara!" wiederholte sie.
Während das Mädchen in die Küche eilte, trat der Förster, die Doppelbüchse über der Schulter, herein üud Frau Adelheid ging ihm mit freundlichster Miene entgegen.
„Kommst du endlich heim? Wir warten schon lange!"
„Schadet euch nichts," erwiderte Lorenz Reiner, die Flinte beiseite stellend, „habt ja Zeit dazu, seit ihr die Beschäftigung der noblen Welt teilt, zu faulenzen!"
„Schon wieder verstimmt, Lorenz! Hast du kein Glück gehabt?"
„Glück?" Der Förster sah sein Weib mit finsterem Blick an. „Glück, wenn einem das Widerwärtige auf Schritt und Tritt begegnet? Hat der Mensch noch die Frechheit, mich zu grüßen, wie einen guten Bekannten, daß alle Leute auf der Straße stehen bleiben und nach mir gaffen!"
„Aber von wem sprichst du denn?" fragte Frau Adelheid.
„Von wem anders, als von dem sauberen Apostel, der wie ein maskierter Affe in der Stadt herumläuft !"
„Wie, Hellborn?" rief Otto. „Er ist hier in der Hauptstadt?"
Der Förster lachte grimmig.
„Wirst ihn schon noch zu sehen bekommen! Wo er sich zeigt, erregt er Aufsehen!"
Frau Adelheid ging ganz in Entrüstung auf:
„Nein, ist das ein unbegreiflicher Narr! Sogar in die Stadt wagt er sich mit seinen Schrullen! Aber was kümmert es uns!"
Der Förster hatte die Büchse zur Hand genommen und sie mit einem Tuche gepulst. Dann hing er sie an ihren gewöhnlichen Platz an der Wand.
„Hast recht," stimmte er bei, „ist er es nicht wert! Ja, wenn die Menschen wären wie die Tiere! Blut und Hagel, es hat mir wehe getan!"
Die Fürsterin glaubte, die Anspielung zu ver- stehen und tat, als ob sie sich die Augen wische.
„Ja, ja. Cäsar und Waldmann, die guten, lieben Tiere! Aber nun sind sie ja fort, werden es darum nicht schlechter haben!" meinte sie, schnell wieder beruhigt.
Lorenz Reiner trat ihr näher und sah sie selb sam an.
„Schlechter? Nein, besser, zehnmal besser als unsereins!"
Otto mußte lachen.
„Die Hunde? Das ist Geschmackssache! Ich ^ meine Person möchte kein Hundeleben führen!"
„So haben sie einen guten Platz?" fragte du Försterin. „Und du hast viel dafür bekommen, nw,- wahr? Ich sagte es ja immer! Gib mir das Gew, ich kann dann gleich die Rechnungen von Krämer und Schneider —"
„Auch ich muh bitten, Papa," fügte Otto lMA „der Repetitor sollte schon gestern sein Geld erhalte«'
Der Förster schwieg eine Weile, dann lcuäM es düster in seinen Augen auf, und rauh wie Sturm der Berge stieß er die Worte hervor:
„Könnt es euch holen! Draußen im Finsterwalde liegt's eingegraben unterm frischen, feuchten Waa '
Es war gut, daß in diesem Augenblick Klara >>« dem Kaffee eintrat, sonst wäre die Förstcrin in >a Schrecken gegen die Tür getaumelt. (Forts. M"