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ssijon: Amtliche Fremdenlistq.
Dienstag, den 22. September 1914
50. Jahrgang.
Kriegsnachrichten.
Großes Hauptquartier, 20. Sept. (W. T.-B.) Die Lage im Weste n ist im allgemeinen unverändert, auf der ganzen Schlacht- fio»t ist das englisch-französische Heer in Verteidigung gedrängt. Der Ängriff gegen die starken, zum Teil in mehreren Linien hintereinander befestigte» Stellungen kann nur langsam vorwärtsgehen. Die Durchführung des Angriffs gegen die Sperrfortslinie südlich von Verdun ist vorbereitet. - Im Elsaß stehen französische Kräfte unseren Truppen längs der Grenze dicht gegenüber. — Zm Osten wurde am 17. ds. Mts. die 4. finn- ^ ländische Schützenbrigade bei Augustow geschlagen. Beim Vorgehen gegen Offowiez wurde Crajewo Szezuczin nach kurzem Kampf genommen.
(W. Tel.-B.) Großes Hauptquartier, 21. Sept. Im Angriff gegen französisch-englisches Heer an einzelnen Stellen Fortschritte gemacht. Reims liegt in der Kampffront der Franzosen. Gezwungen, das feindliche Feuer zu erwidern, beklagen wir, daß die Stadt dadurch Schaden nimmt. Es ist Anweisung möglichster Schonung der Kathedrale gegeben. In den mittleren Vogesen wurden Angrihe französischer Truppen am Donon bei Se- uones und Saales abgewiesen. — Auf dem östlichen Kriegsschauplatz heute keine Ereignisse.
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Berlin, 20. September. Der Erfolg der Kriegsanleihen ist ein über alles Erwarten glänzender. Es sind, abgesehen von einigen noch ausstehenden Teilergebnissen, gezeichnet: 1,26 Milliard. Schatzanweisungen, 2,94 Milliarden Reichsanleihe, zusammen 4,20 Milliarden Mart. Das endgiltige Ergebnis ist vor morgen abend nicht zu erwarten. Der bisherige Erfolg übersteigt alle Erivartungen und ist ein machtvoller Beweis sür die Kapitalskraft, aber auch für die vaterländische Begeisterung des Volkes.
Berlin, 19. Sept. Der „Köln. Volksztg." berichtet ein Augenzeuge über das schneidige Vorgehen einer deutschen Proviantkolonne in Belgien. Dabei wurde auch ein geplanter, hinterlistiger Streich der Belgier vereitelt. Die belg. Schwa
dronen sühnen auch ein Automobil vom Roten
Kreuz bei sich. In diesem lagen zwei markierte
Verwundete. Bei der Untersuchung stellte es sich
heraus, daß sie gar nicht verwundet waren. Sie
wurden mit dem Oberst als Spionen verhaftet.
Es war augenscheinlich beabsichtigt, das Auto nach
Brüssel hineinzubringeu. Der Oberst sollte als
Arzt fungieren und die beiden anderen als Ver-
, mundete. Die belgischen Schwadronen hatten an-
^ scheinend den Auftrag, das betr. deutsche Regiment
^ beim Abkochen zu überfallen. Märe dies geglückt,
Zo hätten schlimme Folgen entstehen können.
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i Die außerordentlich hohe Zahl der russischen Greueltaten, von denen O st p r e u ß e n seit dem Beginn des Krieges betroffen wurde, ist um eine iueue schwere Massenbluttat, begangen an wehrlosen friedlichen. Bewohnern des Kirchdorfes Ab- schwangern im Kreise Pr.-Eylau, vermehrt. Vierzig flüchtige Ortsinsassen haben am Samstag, den 29. Aug., unter dem mörderischen Blei der Russen ihr Leben lassen müssen, und das nicht etwa beim Beschießen des Dorfes, sondern nach erfolgter, allem Völkerrecht: Hohn sprechender Festnahme derjenigen Dorfbewohner, welche in friedlicher Absicht wieder in ihr verlassenes Heim zurückgekehrt waren.
Ein Feldpostbrief aus dem Osten.
Der „Fränkische Volksfreund" veröffentlicht eineu Feldpostbrief vom östlichen Kriegsschauplatz, dem wir folgende Stellen entnehmen:
Endlich am Sonntag, nach langem, infolge Kou- servengenusses besonders durstreichem Marsche Gefechtslärm. Zehn Minuten Ruhe bei den Gewehren, dann „Gewehr in die Hand"! Ein kurzes, an- seuerndes Wort des Majors au sein Bataillon — sein letztes übrigens, denn er fiel —, dann hinein in den Wald; zehn Almuten später schlagen schon i die Granaten ein und legen einige Mann um. Die ^ Kompagnien werden jenseits des Waldes in den! Schlenken auseinandergezogen. Unsere gegen Sicht! völlig gedeckte Entwicklung hat gleichwohl unter dem gut geleiteten russischen Artillerieseuer zu leiden.! Nach, weitere» zehn Minuten gehen wir in Schützen-' schwärmen neben anderen Truppenteilen durch den
Allesumpf gegen den Wald vor und stoßen, da die russischen Schützen verschwunden sind, hindurch. Vor dem Heraustreten ein kurzer Halt. Wir Führer suchen uns mit dem Fernglas in der Hand zu vergewissern, was uns draußen gegenübertreten wird. Vor uns, nur 100 Meter vom Waldessaum, ein aus allen Giebeln brennendes Dorf; links vom Wald, anscheinend nicht zu weit, das Krachen der russischen Batterie. Doch dort vor uns, rechts vom brennenden Dorf, am Wege russische Schützen, die soeben ihr Feuer aus uns richten. „Visier 400, kurz halten!" ergeht der Feuerbefehl, denn es sind wohl kaum 250 Meter. Und nun geht's los, Schuß auf Schuß. „Ruhig zielen, Leute! Jeder Schuß ein Ruff'I" Bald auch Verluste in unseren Reihen. Da rattern drüben Maschinengewehre. Wir versuchen, sie vom Dorf her in der Flanke zu fassen; die Jäger, die eben herankvmmen, helfen uns dabei. Sehr bald wird die Sache hier am Waldrand aber langweilig, das feindliche Feuer scheint abzuflauen, zudem wir bergan feuern, ein unbefriedigender Zustand. Also: „Sprung! — Auf! Marsch, Marsch!" Alles stürzt den vorspringenden Offizieren nach. Noch ein kurzes Hinwerfen und Feuern, dann mit letztem Sprung hinein in die feindliche Schützenlinie I Die wenigen Standhaltendeu werden niedergestoßen, die meisten feindlichen Schützen hat unser Feuer bereits am Wegrande niedergestreckt. Da, jenseits des Weges, hinter dem Lupinenfelde, eine neue feindliche Linie. Wir müssen stehend oder liegend schießen, der hohen Lupinen wegen. Nach kurzer Feuergabe ein Sprung ins Lupinenfeld, dann ein zweiter in die feindliche Linie. Da stehen auch die beiden Maschinengewehre; der eine Führer liegt mit durchschossener Brust daneben. In die erbeuteten Maschinengewehre teile ich mich mit dem Jägerkommandanten in der Front, er linke Hälfte, ich die rechte. Schon schlagen vom Kamm der Höhe her die Geschosse ein; dort oben links erhebt sich eine Fahne. „Sie wollen sich ergeben!" — „Nein, ein neues Bataillon trifft ein!" Im Abendlicht ist Klarheit nicht zu gewinnen, also Feuer auf die Fahne! Nach wenigen Augenblicken ist sie verschwunden. Dort, halbrechts, zurückflutende Russen I Das Feuer richtet sich ohne Befehl auf dies allen
Roman von Franz Wich mann.
21> (Nachdruck verboten.)
„Dir, Otto?" sagte sie betroffen, „ich glaubte dich doch —"
Sic stockte und suchte erschrocken das Paket, das sie in der Hand bielt, auf dem Rucken zu verbergen.
„Im Kolleg, Schwcsterlcin?" ergänzte er ihre Worte. „Nein, nein, so töricht bin ich nicht! Jetzt ist's Feierabend mit dem Studiereil!"
Das Mädchen stand noch immer in sichtlicher Verlegenheit an der Tür.
„Ehe du dein Examen gemacht hast?" fragte sie .verwundert.
„Wenn ich mich in einem Vierteljahr ins Sklavenloch des Soldatentunis beugen muß, so will ich bis dahin mein Leben noch genießen!" antwortete er brüsk.
Er näherte sich dem Sofatisch, auf den Klara soeben, sich unbemerkt glanbend, ihr Paket gelegt hatte.
„Was hast du denn da?"
Die Schwester war an den Nähtisch getreten und tat, als habe sie die Frage nicht gehört.
„Ah, die Bibel! Du hast darin gelesen?" fragte sie.
Otto lachte.
„Es machte mir einmal Spaß!"
„Was lasest du denn?" Sie warf einen Blick auf die aufgeschlagene Seite.
„Evangelium Lnkä, fünfzehntes Kavitel. Das ist tnir bekannt von der Schule her: Die Geschichte vom - verlorenen Sohn."
Während sie scheinbar weiter las, blickte sie ängstlich über das Buch und beobachtete jede Bewegung des Bruders.
Dieser hatte bereits das Paket geöffnet.
„Da ist ja dein schwarzes Seidenkleid drin!" sagte er erstaunt. „Du kommst von der Schneiderin? Es wäre auch besser, wenn ihr eure Toilcttcnausgaden etwas einschränktct! Ich muß um jedcz; Pfennig betteln, und so oft ich es tue, heißt es: Kein Geld ist da. die teuren Zeiten und dergleichen."
' Klaras weiße Stirn legte sich in leichte Falten.
„Otto, du weißt, ich —"
„Auch du, ich weiß es," unterbrach er sie, „du, der Vater, die Mutter, alle, keiner hat Verständnis sür mich, für die Forderungen, die das moderne Leben an mich stellt."
„Nur zu gut haben wir's," entgegnete das Mädchen heftig, „sonst läge das Kleid nicht dort!"
„Was soll das wieder heißen?"
Sie trat dicht vor ihn hin, ihre braunen Augen färbten sich dunkel und blitzten zornig ans.
„Deinetwegen, nur deinetwegen, du undankbarer, herzloser Mensch! Wenn es nicht die Mutter gewesen wäre, der zulieb ich den Gang gemacht, um dich hätte ich es nicht getan! O, es ist eine Schande!"
„Liebe Schwester, ich verstehe kein Wort!" sagte Otto kalt.
„Nun denn, wenn du es wissen nullst: ich war damit im Lcihhausc!"
Sie hatte kaum ausgesprochen, als die ADA. ein hastig durch die Tür bereimubr-
„Still, dummes Ding. Hab«, ich dir nicht verboten, darüber zu sprechen? Er sollte cs nicht wissen! Otto, nicht wahr?" wandte sie sich zu dem Sohn. „Du zürnst nicht darüber? Es war nur eine augenblickliche Verlegenheit, die mich dazu nötigte: die stets wachsenden Ausgaben, du wirst das begreifen!" Und leise setzte sie, sich zu dem Mädchen hinübcr- dcugcnd, hinzu: „Was fällt dir ein? Warum bringst du das Kleid zurück?"
Ottos Stimme nahm wieder den gewohnten bitteren Klang au:
„Im bin es längst gewohnt, alle Schuld auf mich geschoben zu sehen!"
„Nein, nein, mein Hcrzensjuuge," begütigte die Förstern:, „du darfst nicht böse sein, niemand klagt dich au!"
„Das ist nicht wahr, Mutter!" rief Klara. .
„Wie?" fragte Otto.
„Es wäre Sünde, zu schweigen," fuhr das Mädchen fort, „wenn die Wahrheit eine Anklage erheischt!"
„Willst du deinen Bruder anklagen, Kind?" kam die Försterin dem Sohne zu Hilfe.
Dieser lachte höhnisch.
„Wenn du das Kleid wieder auslösen konntest, liebe Schwester, so hast du jedenfalls Geld! Willst du mir nicht —"
Er hielt ihr wie ein Bittender die Hand entgegen. .Klara wandte sich, Tränen des Zornes in den Augen, von sinn ab:
„Ja, spotte nur noch, das siebt dir aleich!"