Berlin, 28. Aug. Aus dem Haag wird der „Voss. Zeitung" gemeldet: In Antwerpen macht sich bereits heftige Unzufriedenheit mit den Maßnahmen der Regierung bemerkbar, die durch ihredoppelsinnigenBekanntmachungen das Publikum in völliger Ungewißheit gelassen habe. Am Mittwoch mittag trafen in jämmerlichem Zustande die ersten flüchtigen Truppen vom Schlachtfeld ein. Die Schlacht bei Hannut und Löwen hatte drei Tage gedauert. Die Soldaten berichteten uns aus unsere Frage: Unser Vormarsch ist dreimal abgeschlagen worden. Wir haben gekämpft, wie die Löwen, aber wir konnten gegen die Uebermacht nichts ausrichten. Für jeden gefallenen Feind standen zehn neue auf. Und doch hätten wir uns gehalten, wenn unsere Leute nicht von den deutschen Maschinengewehren buchstäblich niedergemäht worden wären. Diese entsetzlichen Mordwerkzeuge speien alle Tod aus und mähen mit rasender Geschwindigkeit alles nieder. Da gibt es keinen Widerstand mehr.
Eine Ueberraschnng für unsere Gegner sind die neuen Kruppschen 42 Zentimeter- Mörser, durch die Eisenbetonwälle auseinanderfliegen, als wären sie aus Lehm und Stroh. Die „Frankfurter Zeitung" schreibt darüber: „Konnte man den Fall von Lüttich als einen in der Kriegsgeschichte unerhört dastehenden kühnen Handstreich auffassen, so handelt es sich bei Namur um die regelrechte Belagerung einer genügend vorbereiteten Festung. Daß diese in weniges Tagen durch unsere 42 Zentimeter-Geschütze zur Uebergabe gezwungen worden ist, bestätigt, daß dieses Kruppsche Geschütz, das unfern Gegnern bisher ein Geheimnis war, tatsächlich ganz Unerwartetes leistet und eine umstürzende Aenderung im Festungskrieg herbeiführt, so daß auch die Eroberung der weiteren Festungen, die unseren Heeren auf ihrem Wege noch entgegenstehen, sich anders gestalten wird, als unsere Gegner angenommen haben. Das ist eine der großen Ueberraschungen des Krieges und, nebenbei bemerkt, nicht die letzte. Mehr läßt sich darüber zur Zeit nicht sagen."
Wie dem „Leipz. Tagebl." über Berlin aus Kopenhagen gemeldet wird, hat das englische Reutterbüro die fernere Annahme der ihm von Ritzaus Büro gegebenen amtlichen deutsche» Kriegsdepeschen verweigert. Damit ist jedes Bekanntwerden der deutschen Kriegstelegramme in England verhindert worden und das Monopol der von belgisch-französischen Riesensiegen immer noch fabelnden französischen Havasagentur für ganz Großbritannien gesichert. Auch die private Ueber- mittlung der deutschen Kriegsnachrichten ist von der englischen Postbehörde vereitelt worden; die Drahtnachrichten sind den Auftraggebern mit dem Verweigerungsvermerk zurückgegeben worden.
Berlin, 36. Aug. Im großen Hauptquartier ist folgendes Telegramm des Kaisers Franz Joseph an den Kaiser vom 24. ds. Mts. eingetroffen: Sieg auf Sieg! Gott ist mit Euch und wird auch mit uns sein. Allerinnigst beglückwünsche ich Dich, teurer Freund, die jugendlichen Helden, Deinen lieben Sohn, den Kronprinzen, sowie den Kronprinzen Ruprecht von Bayern und das unvergleichlich tapfere deutsche Heer. Worte
meine Wehrmacht in diesen weltgeschichtlichen Tagen bewegt. Herzlich drückt deine starke Hand Franz Joseph.
Berlin, 26. Aug. Ueber den Einzug unserer Truppen in Namur entwirft der Kriegsberichterstatterder „Voss. Ztg." folgende Schilderung, die auch von der „Nordd. Allg. Ztg." übernommen wird.
Hauptquartier, 25. Aug. Ich hatte gestern das Glück, dem Einzug unserer siegreichen Truppen in Namur beizuwohnen. Die Haltung der Unseren war unvergleichlich. Ein fremdländischer Militärattache sagte mit Tränen der Rührung in den Augen zu mir: „Man muß Sie darum beneiden, Deutscher zu sein". Kein Stacheldrahtverhau, keine Barrikade, kein mörderisches Gewehr- und Geschützfeuer aus den befestigten Stellungen der Belgier konnte die Unseren aufhalten. Unsere Offiziere, stets weit voran, gaben wieder Beispiele größter Tapferkeit und Selbstverleugnung. Das Vertrauen der Mannschaften zu ihnen ist felsenfest. Der Feind lief fortgesetzt in rasender Flucht vor unseren Truppen davon. Kilometerweit kam ich durch Strecken, wo der Boden mit fortgeworfenen Gewehren und Uniformstücken bedeckt war. Als wir in Namur einrückten, donnerten unsere schweren Belagerungsgeschütze, um die letzten Forts, die sich noch sehr tapfer hielten, zum Schweigen zu bringen. Niemand, der es nicht selbst gesehen hat, kann sich die Wirkung der zentnerschweren Granaten vorstellen. Ich sah Forts, die nur noch einen tiefen Krater bildeten, mehrere Meter dicke Zementgewölbe waren in Fetzen zerrissen oder türmten sich wie Felsenblöcke übereinander. An einer Stelle lagen 150 Belgier, die mit ihrem General lieber sterben, als sich ergeben wollten, unter den Trümmern begraben.
Einzelheiten vom Kampf an oer Themse» Mündung. Im „Salzburger Volksblatt" wird über den Untergang der „Amphion" auf Grund englischer Meldungen berichtet: Die „Amphion" war nach dem Kampf mit der „Königin Luise" ruhig mit den Verwundeten in den Hafen von Harwich zurückgekehrt. Erst am Donnerstag früh fuhr die „Amphion" wieder in die offene See aus und war nur eine kurze Distanz gefahren, als sie auf die Mine geriet. Die Explosion war schrecklich, der Kreuzer wurde von der Mine mit voller Wucht getroffen. Unter den zuerst Getöteten waren jene erwähnten 20 Gefangenen im Vorderschiff; sie wurden also buchstäblich von ihrer eigenen Miene zerrissen. Die Petrolerunbassins der „Amphion" explodierten hierauf mit tödlichem Effekt und man sah die Mannschaft mit brennenden Kleidern über das Deck flüchten. Die brennenden Petroleummassen ergossen sich über die benachbarten Räume und sperrten dem Heizer- und Maschienenpersonal den Weg nach oben ab. Die anderen Schiffe eilten sofort zur Hilfeleistung herbei, und es gelang ihnen, 130 Ueberlebende aufzunehmen. Nach ungefähr 20 Minuten sank der Kreuzer, der ein Riesenleck unter der Wasserlinie erhalten hatte."
Großes Hauptquartier, 27. Aug. Im Anschluß an die Meldung von dem Erscheinen eines Zeppelins über Antwerpen möchten wir noch bemerken, daß es dem Luftschiff gelang, durch einen
fehlen, um auszudrücken, was mich und mit mir wohlgezielten Wurf die Gasanstalt zu zerstören.
Man konnte die Wirkung dieses Wurfes daran erkennen, daß plötzlich sämtliche Lichter in einer Hälfte der Stadt erloschen. Der Zeppelin wurde von den Belgiern heftig unter Feuer genommen jedoch nicht getroffen, und traf gänzlich unversehrt am 25. morgens um 4 Uhr auf dem Heimweg über Lüttich ein.
(Der Besuch unseres Luftkreuzers über Antwerpen ist selbstverständlich sofort in England bekannt geworden und hat dort wahres Entsetzen hervorgerufen, denn die Briten fürchten nun, ob mit Recht oder Unrecht, darüber werden wir uns aus begreiflichen Gründen vorerst nicht äußern, daß auch ihren Städten, und besonders London, solche Luftkreuzerbesuche beschieden sein können. Die Londoner schlafen seit der Zeppelinnacht von Antwerpen so schlecht, wie es ihr Gewissen verdient.)
Berlin, 26. Aug. (W. T.-B.) Dem großen Generalstab sind zahlreiche Zuschriften zugegangen, deren Verfasser sich über die verspätete Zustellung von Feldpostsendungen an ihre im Felde stehenden Angehörigen oder von diesen nach der Heimat beklagen. Der Grund für diese verspäteten Zustell- ' ungen ist in einschränkenden Maßnahmen der obersten ^ Heeresleitung im Interesse der Verschleierung unserer ! Absichten unbedingt geboten. Das siegreiche Vor- ^ gehen auf unserer ganzen Front hat erst die Möglichkeit geschaffen, alle die Beschränkungen fallen zu lassen. Die Feldpost wird von nun an mit der gleichen Regelmäßigkeit und Schnelligkeit arbeiten, die in früheren Feldzügen allgemeine Anerkennung gefunden hat. Generalquartiermeister v. Stein.
— Eine Zusammenstellung aus den 2 erste» württembergischen Berlustlifte» ergibt folgendes: Gefallen 3 Offiziere, 32 Unteroffiziere und Mannschaften; leichter verwundet 4 Offiziere, 9i Unteroffiziere u. Mannschaften; vermißt 120 Unteroffiziere und Mannschaften; erkrankt 20 Unteroffiziere und Mannschaften; gefangen 1 Mann.
— Die dritte Württemberg Berlustlifte ist im S-aatsanzeiger erschienen. Dieselbe enthält 134 Namen. Davon sind gefallen 6, tötlich verunglückt 2, schwer verwundet 1, leichter verw. 35, vermißt 90. 3 Offiziere und 1 Stabsarzt sind außerdem verwundet, 2 Offiziere vermißt.
W ien, 26. Aug. (W. Tel.-B.) Aus dem Kriegs- Presse-Quartier wird gemeldet: Nach denletzten Nachrichten haben unsere Truppen in den Kämpfen um Krasnik über 3000 Gefangene gemacht, 3 Fahnen, 20 Geschütze und 7 bespannte Maschinengewehre erbeutet. Gefangen genommene Offiziere, welche den Feldzug gegen Japan mitgemacht haben, sagen übereinstimmend aus, daß die Angriffe unserer Streitkräfte viel stürmischer seien, als die der Japaner.
Wien, 27. Aug Der Kriegsberichterstatter der „N. Fr. Pr." schreibt: Nicht nur die Heeres-, sondern auch die Honvedkavallerie leistet das Aeußerste an Ausdauer und Wagemut. Einzelne Schwadronen gingen russische Grenzgräben an und nahmen sie so, daß man ihren Schneid zügeln mußte. — Das Luftschiff Schütte-Lanz ist dreimal in feindliches Feuer gekommen, ohne Schaden zu nehmen, und hat 13 Stunden in der Luft verbracht. In der Nähe von Jwangorod sei es in wahre Garben von Gewehrgeschossen geraten. Südöstlich von
Gerichtet.
Roman von Franz Wichmann.
10! (Nachdruck verboten.)
„Ich muß warten, bis der Alte mit mir allein ist," sagte er. „Er wird mich ausforschen wollen über meine Studien. Da heißt es klug sein, überdies möchte ich noch einiges mitnehmen, was sich verwerten läßt. Dieses Album zum Beispiel, in der Stadt läßt es sich leicht zu Gelds machen. Aber sie dürfen nichts davon merken."
Robert begann wieder eifrig zu blättern.
„Höchste Zeit, daß du Geld erhältst! Rupf' sie nur gehörig!" sagte er.
„Das will ich!" versetzte Otto. „Und noch besser soll es werden, wenn ich sie erst in der Hauptstadt habe. Dann kommt mir die Alte nicht aus. Sie gibt mir alles!"
„Das ist dann jedenfalls besser," flüsterte Robert zurück, „denn diese Komödie hier fängt an, langweilig zu werden. Ich wollte, ich wäre erst wieder bei der schneidigen Pepi!"
„Die sitzt — wenn auch ohne Champagner — mit Röschen beim Ochsenwirt in Fernau und werden schon bis zum Abend warten müssen. Bis dahin bin ich mit dem Alten fertig!"
„Bis zum Abend?" wiederholte der andere. „Das ist ja verdammt lange! Da muß ich mich schon unterdessen ein wenig mit deinem Schwesterlein zu unterhalten suchen! Eigentlich ein hübsches Ding! Schade, daß sie hier so versauert!"
„Wird bald anders werden, wenn sie erst in der ^ Stadt ist! Kommt Zeit, kommt Rat —" !
Er schwieg, da Klara wieder ins Zimmer kam und an den Tisch trat.
Die Fürstcrin wischte sich beiseite die Augen und sah den Gatten mit vorwurfsvollen Blicken an.
„Ich muß es ja dulden, so behandelt zu werden, bin's nicht anders gewohnt, aber unser Kind, unser Otto —"
Lorenz Reiner suchte sie zu begütigen:
„Na, na, so war's nicht gemeint, sei gut, magst ja recht haben, die Weiber machen sich ein anderes Bild! ! von der Welt als wir. Und der Otto ist einmal; s unser Sohn, es ist wahr! Aber was ich heute von ^ ihm Hörle, hat mir gar nicht gefallen!" j Sie faßte ihn am Arm.
j „Komm, laß dir nichts mehr merken, — die anderen schauen schon ans uns, — der fremde Herr —"
„Ter Geck!" brummte der Förster.
„Still doch," wehrte die Frau, „er könnte es hören!"
„Blut und Hagel," wetterte der Alte unterdrückt, „wenn man in seinem eigenen Hause nicht mehr reden soll, wie einem der Schnabel gewachsen ist!"
Eben, als beide sich den andern wieder näherten, sagte Klara:
„Da kann ich Ihnen nicht recht geben, Herr von Hohlen!"
„Wie, Sie zweifeln?" erwiderte Robert von Hohlen lebhaft. „Ich sage Ihnen, das ganze Städtchen hat über ihn gelacht, als er heute aus der Gerichts
verhandlung zurückkam. In allen Straßen blieb man stehen und lachte über ihn. Sie würden das sicher auch tun, wenn Sie ihn sprechen hören könnten, den famosen Apostel!" fügte er spöttisch hinzu.
Die Försterin, die diese Worte auffing, horchte auf.
„Von wem sprechen Sie?" forschte sie. „Von Hellborn, unserm Heiligen vom Steinbruch? Sie kennen ihn auch, Herr von Hohlen?"
„Ganz Fernau hat heute nur von ihm gesprochen!" antwortete Otto statt des Freundes.
„Ja, der Narr bildete dort ein wahres Ereignis!" fügte Robert von Hohlen hinzu.
„Die Fernauer haben wohl nichts anderes zu tun, als sich über andere zu unterhalten!" meinte Klara mit einigem Spott.
Die Försterin blickte sie tadelnd an.
„Das sieht ja fast so aus, als wolltest du ihn in Schutz nehmen!" versetzte sie.
„Ich habe mit dein verrückten Menschen heute nun allgemach genug zu tun gehabt," murrte der Förster. „Seinetwegen mußte ich aufs Gericht in Fernau!"
„Wir hörten davon im Wirtshaus!" bemerkte Otto.
Robert von Hohlen fiel rasch ein:
„Ja, wir mußten dort längere Zeit warten, bis wir des Löwenwirts Wagen haben konnten. Da haben wir uns denn einen Jux gemacht."
„Mit dem Hellborn?" fragte die Fürsterin. »Da bin ich aber doch neugierig!"
(Fortsetzung folgt )