im IkMenWkk liri Wich.

Nach der Erzählung eines Augenzeugen von Professor Adolf Maennchen - Düsseldorf.

DaS Kloster Jesuite liegt dicht bei Lüttich auf einem Hügel, vom südlichen Fort etwa 600 m entfernt. Ich war seit zwei Jahren in diesem Kloster Bruder. Wir Brüder lesen keine Zeitung und infolge unseres Schweige-Gelübdes sprechen lvir auch nicht, daher wußten wir nichts von dem

Am Donnerstag, den 6. August, hatte ich mit sieben andern Brüdern die Wache, von Mittag bis Mitternacht. In der Nacht, 11 Vs Uhr, hörte ich plötzlich ein mir unbekanntes Geräusch. Darauf­hin ging ich in den Hof nach der Seite, von der aus ich Lüttich und seine Forts sehen konnte. Ich sah da in einiger Entfernung am Himmel ein kleines Licht, daS zeigte mir, daß sich das Wesen in der Luft befand. Ich wollte meinen Rundgang Wieder aufnehmen, aber das näherkommende Surren hielt mich doch fest, obzwar das Leben der Welt mich nicht interessierte. Das Licht kam näher nnd näher. Jetzt hörte das Geräusch auf. Es ging mir durch den Kopf, das könne vielleicht ein Luft­schiff sein aber nein plötzlich erstrahlte auf der Erde ein blendendes Licht das ist der Stern der Weisen, der etwas ankündigt, dachte ich, den läßt du nicht aus dem Augel In dem Lichtschein da unten sah ich alles hell und deutlich, Teile der Befestigung und anderes. Aber da von dem Widerschein der beleuchteten Erde erhellt, sah ich's jetzt, es war wirklich ein mächtiges Luftschiff! Ich wollte jauchzen vor Freude ich hatte noch keins gesehen. Der Schein mochte sich noch einige Se­kunden gezeigt haben, aber wie lange schien es mir! Mein Auge hatte sich noch nicht an das Dunkel der Nacht gewöhnt, da hörte ich ein Getöse. Ich sah gen Himmel, nichts passierte; das kleine Licht zog ruhig weiter. Doch da unten, da sah ich jetzt genug Feuer und Rauch I In der Helle war alles zu sehen. Das Echo kam nun an mein Ohr. Ich hatte mich von dem großem Schrecken noch nicht erholt, als schon ein zweiter Schein auf der Erde in ziemlicher Nähe sich zeigte. Jetzt konnte ich's noch deutlicher sehen, daß es ein Luft­schiff war; an langem Seile tief unten hing, wie mir schien, ein metallner Korb, in diesem stand ein Mann. Deutlich sah ich's auch, wie er mit beiden Händen einen Gegenstand in die beleuchtete Stelle hinunterwarf. Sowie das geschehen war, verschwand sofort auf der Erde der Helle Schein. Aber ich starrte doch weiter auf diesen Fleck. Eine mächtige Lichtgarbe schoß da nun auf, und große Klumpen flogen nach allen Seiten in die Höhe. Da ein furchtbares Getöse! Mein Trommel­fell schien zu platzen, ich war wie taub. Die Erde schwankte unter meinen Füßen so, daß ich taumelte. Ganz benommen schaute ich nun nach der Stelle. Die blendende Garbe hatte sich in eine dicke, schwarze Rauchmasse zusammengeballt, welche sich langsam in die Höhe wälzte. Nach und nach wurde sie von unten herauf Heller und Heller wie weißer, beleuchteter Dampf. Schließlich brannte die Stelle wie eine Feuersbrunst. Ich suchte nun zu erkennen, ob das Feuer sich ausbreitete, fuhr aber da schon wieder von einem weitern entsetz­lichen Knall erschreckt auf. Dieses furchtbare Schauspiel wiederholte sich fort und fort, nur ferner und ferner. Von 11V. Uhr bis kurz vor Mitternacht wurden auf die Forts zwölf Bomben geworfen. Zwischen den Explosionen hörte man hin und wieder die Motoren surren. Nach der letzten Explosion stieg das Luftschiff in die Höhe, zog weiter und verschwand.

Noch immer stand ich wie starr an derselben Stelle, da schlug unsere Klosteruhr zwölf. Wir acht wurden nun abgelöst, blieben aber mit den uns Ablösenden auf dem Hofe, denn an Schlaf war ja nicht mehr zu denken. Die andern Brüder und Patres, wir waren zusammen fünfhundert, oliebcn in den Gebäuden und schauten von den Mustern aus auf die brennende Festung.

. Da ich jetzt keine Wache mehr hatte, holte ich wir eine Leiter und bestieg, um alles noch besser M sehen, die etwas tieferliegende drei Meter hohe Mauer. Da blieb ich bis 4 Uhr früh. Gegen 2 Uhr früh hatte unten in der Stadt vereinzeltes Schießen und Schreien begonnen, das bald stärker und stärker wurde. Ein höllischer Lärm drang

schließlich an mein Ohr, der unserm Kloster nahe­liegende Stadtteil zeigte auch schon viele Feuers­brünste.

Um 4 Uhr rief uns die Glocke zur Kirche. Trotz der ungeheuren Erregung aller beherrschte doch weiter uns alle das Schweigegelübde. Es war zum Staunen! Aber die Erregung wurde zur Folter, denn unsere Andacht dauerte volle zwei Stunden. Die herrlich gemalten Glasfenster, welche auch noch jeglichen Ausblick versperrten, waren vom Luftdruck der Explosion nach innen gebogen, wie Segel vom Winde gebläht. Die 80 em dicke Stcinumfassungsmauer des Hofes hatte auch tiefe und lange Risse bekommen. Als wir um 6 Uhr aus der Kirche heraus auf den Hof kamen, war das Schießen und Schreien noch unheimlicher und die Brände auch schon weiter hineingedrungen in die Stadt und jetzt noch viel zahlreicher.

Wie üblich öffneten nun um 6 Uhr die Tor­wächter die Tore. Aber welches Erschrecken! Hunderte von in der Nachbarschaft wohnenden Belgiern stürmten in den Hof. Viele darunter erkannten wir als solche, denen wir viel Gutes erwiesen. Da wir aber von der so großen Menge die Plünderung des Klosters befürchten mußten, suchten vor allem die Torwächter, diese Masse wieder hinauszudrängen. Ein Pater rief: Gehet! Ihr sollt ja alles bekommen! Der sinnlos ver­wirrte Pöbel griff aber zum Messer und mordete zwanzig von unseren Brüdern und den Pater. Ich selbst eilte zur Glocke im Hofe nnd läutete Sturm. Mit Heugabeln, Mistgabeln und mit Schaufeln bewaffnet stürmten die Brüder heraus auf den Hof und jagten die Horde wieder zum Tor hinaus. Zwei Brüder, die bei diesem Kampfe ohne unser Wissen im Gedränge mit hinausgerissen wurden, fanden wir dann draußen, wie von Bestien zerfleischt und fürckterlich zerhackt. Die Leichen waren entsetzlich anzusehen.

Der ganze Kampf hatte kaum eine Viertelstunde gedauert. Nachdem die Tore wieder geschloffen, 6'st Uhr, unserer feststehenden Essenszeit, ver­sammelten wir uns im Eßsaale zum Frühstück. Ich hatte trotz der ungeheuer erregenden Vorgänge großen Hunger. Wir fühlten uns jetzt in Sicher­heit. Als wir dann aber nach unserem zwanzig Minuten währenden Essen wieder auf den Hof kamen, da hatten die belgischen Bestien schon von zwei Seiten an unserem Kloster Feuer angelegt. Unser schon gemähtes Getreide und Heu, das unweit des Klosters lag, hatten sie an die Holz­schuppen geschleppt, auch die von uns schon beladenen Getreidewagen an die Gebäude und Schuppen herangeschoben und angezündet. Die Flammen hatten schon die Giebel erfaßt. An ein Retten war da kaum noch zu denken. Diese Prüfung war groß! Aber auch sie vermochte nicht unser Schweig­gelübde zu brechen und doppelt sprachlos schauten wir nun in die Flammen.

Unser furchtbares Weh löste sich, »ls wir unseres Klosters Oberhaupt in Tränen sahen, endlich auch in Tränen auf. Er trat mitten unter uns und, wie alle Patres zum Sprechen berechtigt, rief er laut:Gehet hin, rettet, was zu retten ist!" und wir folgten seinem Gebieten. Eiligst wurde nun auch an die Behörde von Lüttich telephoniert und um Hilfe und Schutz gebeten. Aber zu unserm großen Schrecken erschien daraufhin deutsches Militär. Weil Deutschland uns Jesuiten in seinen Grenzen nicht duldet, hatten wir nun große Sorge, l die schon auf den Hof geschafften Schätze wollten 'wir, angesichts der deutschen Soldaten, eiligst wieder ins Kloster schaffen, aber der Führer der deutschen Truppen erklärte unserm Obern, daß Lüttich auf dieser Seite schon ganz in deutschen Händen sei. Daraus stellten wir uns unter deutschen Schutz. Wir hatten es nicht zu bereuen!

Die deutsche Schutztruppe erschien mit acht «Automobilen, die unsere ungeheuer wertvollen ! Schütze, Gemälde, die in der Eile von dem Rahmen 'abgeschnitten, wie Papier zusammengerollt und ! gebrochen wurden, unsere goldenen Weihegefäße ' und unsere Patres nach Deutschland brachten. In großer Eile haben wir dann eine große Grube gegraben, in die wir, ohne jede religiöse Zeremonien und Worte, unsere 20 erstochenen Brüder und den Pater betteten und mit Erde bedeckten.

' So zogen dann, am Samstag im Morgen­grauen, mir 350 Brüder zur deutschen Grenze,

hinter uns noch das rauchende Kloster. Die gerettete, geringe Habe schleppte jeder unter Müh- salen die drei Stunden mit sich. Nur ein an die achtzig Jahre alter Bruder blieb zurück; gelassen sagte er: laßt mich hier sterben!

Obzwar deutsche Soldaten uns auf dem Marsche beschützten, bestürmte uns auch da noch oft der belgische Pöbel. Ich erhielt heftige Fuß­tritte und Stöße an Bein lind Leib.

Zwei Nächte hatte keiner von uns geschlafen; dazu diese seelische Erregung und Qualen aller­stärkster Art.

Als wir dann, nach unendlichen Mühen, uns über die Grenze geschleppt hatten, sanken wir alle todmüde auf einer Wiese nieder und verfielen in einen bleiernen Schlaf, beschützt und bewacht von deutschen Soldaten, vom frühen Morgen, bis die Sonne sank.

Letzte Nachrichten.

Berlin, 2b. Aug. sW. T.-B.) Nach einem den italienischen Blättern zugegangenen und aus Rom übermittelten Bericht ist aus Paris am 24. August, 11 Uhr abends, folgende amtliche Mitteilung ausgegeben worden: Westlich der Maas wurde unser Heer von den Deutschen angegriffen und hielt bewundernswert Stand. Zwei französische Armeekorps rückten vor und wurden mit mörder­ischem Feuer empfangen. Sie wichen nicht. Als aber preußische Garde einen Gegenangriff ausführte, mußten sie sich zurückziehen. Der Feind hatte ge­waltige Verluste. Westlich der Maas hatten die Franzosen in schwierigem Gelände Vorwärtsbeweg­ungen gemacht und wurden dann heftig angegriffen. Nach sehr lebhaftem Kampf mußten sie sich zurück­ziehen. Südlich des Semois nahmen französische und englische Truppen gedeckte Stellung. Sie blieben intakt. Unsere Kavallerie hat nicht gelitten. Der körperliche und moralische Zustand unserer Truppen ist ausgezeichnet. Das französische Heer wird jetzt in der Verteidigung bleiben, um den Angriff im geeigneten Augenblick wieder aufzunehmen. Unsere Verluste sind bedeutend, aber noch nicht genau an- zugeben. Die Mitteilung erklärt schließlich, es sei zu bedauern, daß der Angriffsplan seinen Zweck nicht erreicht habe, und fügt dann hinzu, die Ver­teidigungsstellung der Franzosen bleibe gegenüber dem Feind, der schon geschwächt sei, vollkommen fest. Teile einer selbständigen Kavalleriedivision auf dem äußersten Flügel seien in das Gebiet von Roubaix-Tourcoing eingedrungen, das nur von Territorialtruppen verteidigt werde.

Besonders wichtig ist an diesem gewundenen Zugeständnis des Mißerfolgs, daß deutsche Ka­vallerie bereits bis Roubaix und Tourcoing vor­gedrungen ist. Beide Orte sind französisch, liegen ^nahe bei Lille und sind von Dünkirchen nur 70,

, von Calais 100 Kilometer entfernt. Gegenüber Calais liegt in 37 Kilometer Entfernung das eng­lische Dover jenseits des Kanals, der an seiner- schmälsten Stelle 35 Kilometer mißt.

Berlin, 26. August. DerVossischen Zeitung" zufolge haben die Deutschen der Stadt Lüttich eine Kriegsschatzung von zehn Millionen und der Provinz eine solche von fünfzig Millionen auferlegt. Um ein Faustpfand in Händen zu haben, haben Sie das Eigentum der Banken und Finanzgesellschaften in Lüttich mit Beschlag belegt. Der Geldumlauf stockt deshalb und die Banken haben beschlossen, Geldbons in Umlauf zu setzen. In Lüttich ist noch gestern aus ver­schiedenen Häusern geschossen worden. Daraufhin sind zehn Häuser von den Truppen in Brand ge­steckt worden.

Berlin, 25. Aug. Mit der Verwaltung der besetzten Teile des Königreichs Belgien ist von dem Kaiser unter Ernennung zum General­gouverneur der Generalfeldmarschall Freiherr v. d. Goltz beauftragt worden. Die Zivilver­waltung ist dem zum Verwaltungschef ernannten Regierungspräsidenten von Sandt in Aachen über­tragen worden, dem für die Dauer seiner Tätig­keit das Prädikat Exzellenz beigelegt ist.

Berlin, 26. Aug. (G.K-G.) Der Berliner Lokalanzeiger meldet aus Köln: Die türkische Regierung beruft alle Untertanen von 20 bis 4L Jahren aus dem Ausland zu den Fahnen.

Wien, 26. Aug. In Oesterreich haben sich 800 000 Kriegsfreiwillige gemeldet. Deutschland und Oesterreich haben also zus. 2 Mill. Freiwillige,

MKV6AV, äen 26. August 1914.

kür äie vielen beweise berrliäier ceilnubme um Heimgang unseres lieben Sutten uncl Vulers

Dr. SLSä. Wst

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