Kinder, die den Mann und Vater hinausziehen lassen. Wieviel Not gibt es da zu lindern, wieviel Tränen zu trocknen, wieviele Lasten mitzutragen. Sorgen wir, daß alle diese Familien Trost und Hilfe finden I Wie stark wird das die Männer draußen machen, wenn sie wissen: unsere Lieben sind daheim nicht verlasse«. Ihr lieben jungen Mädchen, sucht euch doch solche Arbeit an euren Mitschwestern. Helft, wo ihr könnt! Hütet eurer kummerbeladenen Mutter die Kinder, damit sie in die Kirche kann, um Trost zu holen. Rühret eure geschickten, fleißigen Hände für die vielfachen Bedürfnisse derer draußen und derer daheim I
Not ist da. Arbeit ist da. Liebe ist auch da. Wir reichen uns im Geist die Hände, schließen uns fest zusammen und stehen auf unserem Posten furchtlos und treu!
Kriegsnachrichten.
Daß es nunmehr ernste Kämpfe geben wird, erhellt aus der Tatsache, daß der Kaiser am Sonntag vormittag 8 Uhr 50 Min. die Reichsstadt in der Richtung nach Mainz verlassen hat, um sich zum Heere zu begeben. Es werden nur kleinere Gefechte gemeldet, in welchen die Deutschen siegreich waren. Von der russischen Grenze liegt die Nachricht vor, daß zwei russische Kavalleriedivisionen, gefolgt von Infanterie, vorgingen und das dicht an der Grenze gelegene deutsche Städtchen Marg- grabowa in Brand setzten, worauf sie wieder über die Grenze zurückgingen. Ein bei Mlawa stehendes russisches Kavalleriekorps ist vor einer deutschen Kolonne nach Süden ausgewichen. Im übrigen wurden die deutschen Truppen in ihren Maßnahmen weder beeinflußt noch aufgehalten. — Die Desertionen der russischen Grenzwachen und der Kosaken nehmen nach übereinstimmenden Blättermeldungen
immer größeren Umfang an.
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Gmünd , 15. Aug. Nach siegreichem heldenmütigem Kampf ist im Alter von 39 Jahren Max Kuhn, Hauptmann und Kompagniechef im hiesigen Bataillon, Ritter 2. Klasse deS Friedrichsordens, gefallen. — Die ersten Verwundeten im Kriege sind hier eingetroffen und im hiesigen Lazarett untergebracht.
Die „46 gefangenen Mülhauser Verräter", die auch durch Pforzheim kamen, waren verhältnismäßig harmlose Leute. Sie waren Insassen der Straßburger Gefängnisse, die man nach Württemberg umquartiert hat, weil man eine Festung von überflüssigem Ballast säubern muß. Leider wird in der erwartungsvollen Spannung dieser Tage jedes harmlose Ereignis zur Sensation.
Stockholm, 17. Aug. Nach Mitteilung eines schwedischen Dampfers ist in der Nähe von Hangö rin russischer Torpedojäger gesunken; 90 Mann sind ertrunken.
Line englische „Heldentat".
Sofort nach Ausbruch des Krieges durchschnitten die Engländer das deutsche Kabel von Emden nach den Azoren. Damit ist unsere Verbindung mit der Außenwelt, namentlich nach Amerika, so gut wie völlig unterbrochen. Die unschuldsvollen Engländer können also nun nach Herzenslust die öffentliche Meinung in Nord- und Südamerika gegen uns bearbeiten und Deutschland als das Ungeheuer hinstellen, das freventlich den Weltkrieg heraufbeschworen und das arme, unschuldsvolle England zum Krieg gezwungen hat. Schon vor Ausbruch des Krieges wurde die öffentliche Meinung in Amerika durch eine wahre Flut von deutschfeindlichen Preßdepeschen aus London und Paris auf das Kommende vorbereitet. Und wir sind gegen all das vorläufig völlig wehrlos. Wir können zwar aus dem Umweg über Holland, Dänemark, Italien und die Schweiz Nachrichten aus Amerika bekommen, die Amerikaner aber erfahren über uns nur, was die Engländer und Franzosen für gut halten, es ihnen milzuteilen. Seit dem Durchschneiden des deutschen Kabels besteht keine direkte Verbindung. Die Kabel von Dänemark, Schweden, Norwegen und Holland führen über England, die Kabel von Italien über Malta und Gibraltar. — Man sieht, die Engländer sind immer dieselben engherzigen, perfiden Krämerseelen Im Kampfe mit den Waffen aber lassen sie viel lieber einen Andern für sich die Arbeit tun.
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Das französische Volk hat sich seit 1870 nicht geändert. Wie damals, so hat es auch heute das unwiderstehliche Bedürfnis, sich und der Welt etwas vorzulügen, und die englische Presse hilft ihm dabei mit Vergnügen. Der Vorstoß nach Mülhausen war nach den Angaben des franz. Kriegsministers ein gewaltiger Sieg. Wir entnehmen von den englischen Blättern wiedergegebenen Berichten: „Gerade bei Beginn der Nacht kam am
8. August eine Brigade der französischen Vorhut vor Altkirch an. Die Stadt war mit recht starken Erdwerken verschanzt und die Umgegend von einer deutschen Brigade besetzt. Die französischen Truppen gingen sofort mit prachtvollem Schneid zum Angriff über. Besonders ein Infanterie-Regiment nahm mit einem wütenden Angriff die deutschen Linien nach einem schweren Kampf davor. Französische Bajonettangriffe warfen die Deutschen in die Flucht. So ist es seit dem Beginn des Feldzuges gewesen. Die Deutschen zogen sich in großer Unordnung zurück, gaben die zweite Linie der Verschanzungen, die sie noch hätten halten können, auf und räumten die Stadt. Sofort setzte ein französisches Dragonerregiment zur Verfolgung der Deutschen auf Wallheim, Tagolsheim und Elfurth an, erreichte die Deutschen und brachte ihnen beträchtliche Verluste bei. Ein Oberst und sieben Offiziere des Regiments wurden dabei verwundet. Die Deutschen entkamen im Schutze der Dunkelheit, und die Franzosen gingen daran, Altkirch zu besetzen. Die ganze elsässtsche Stadt bereitete ihnen einen erschütternden Empfang. Ein gewaltiger Freudenschrei drang aus den Straßen herauf, als die französischen Truppen sichtbar wurden, und alte Männer stürzten sich auf die Soldaten, um sie zu umarmen. Es war ein Augenblick höchster Erregung. Mit Tagesanbruch ging eine Brigade der Vorhut vorwärts, ohne auf deutsche Truppen zu stoßen. Nachmittags erreichten die vorgeschobenen Patrouillen eine Anzahl wichtiger Erdwerke und meldeten, daß sie verlassen seien. Um fünf Uhr standen die Kolonnen vor Mülhausen. Die Elsäßer kamen aus der Stadt heraus und begrüßten die französische Fahne mit grenzenloser Begeisterung. Ein riesiger Zug wurde sofort gebildet und Hochrufe auf die Soldaten ausgebracht. In weniger als einer Stunde war Mülhausen besetzt. Die französische Reiterei ging im Galopp durch die Stadt und verfolgte die'deutsche Nachhut. Vorgeschobene französische Posten standen nördlich der Stadt. Es wäre verfrüht, die Folge dieses ersten Erfolges der französischen Waffen anzugeben. Der natürliche Schluß muß daraus gezogen werden, daß eine französische Brigade eine deutsche in verschanzter Stellung angegriffen und sie hinausgeworfen hat. Nur der Ausdruck Zersprengung paßt auf die deutsche Niederlage. Die französischen Verluste sind im Vergleich zu den errungenen Erfolgen nicht übermäßig. Die Besetzung von Mülhausen, dieses großen Mittelpunktes von Industrie und Bildung in dem Elsaß, wird einen ungeheuren Eindruck im Elsaß und Europa machen. — Nach der Einnahme der Festung Lüttich durch deutsche Truppen erschien in Brüssel in allen Straßenecken und Litfaßsäulen folgender Anschlag:
Revolution in Deutschland!
Italien und die Schweiz haben Deutschland den Krieg erklärt!
Große Schlacht bei Lüttich!
60 000 Deutsche gefallen, 40 000 gefangen!
Die deutsche Armee in voller Flucht über die Grenze.
Die belgische Armee hat nur 300 Tote!
Mehr kann man wirklich nicht verlangen!
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Berlin, 17. Aug. Bezeichnend für den Stimmungsumschwung ist eine Meldung über die kriegerischen Ereignisse, die sich der Mailänder „Lorriere della Sera" aus Paris berichten läßt. Sie beginnt mit einem Aufruf an die Franzosen, worin es ungefähr heißt: „Unsere Truppen haben sich von Mülhausen zurückziehen müssen. Als wir die Meldung von dem Einzug unserer siegreichen Truppen in Mülhausen kundgaben, da gab es keine lärmenden, geräuschvollen Kundgebungen. Publikum und Presse hielten sich geradezu bewundernswert. Jeder Franzose muß verstehen, daß es nötig ist, das Ergebnis der entscheidenden Schlachten abzu- warten, ohne gleich bei einer Freudenbotschaft in ausgelassenen Jubel zu verfallen. Andererseits freilich darf man, wenn eine kleine Widerwärtigkeit eintritt, nicht gleich den Kopf hängen lassen." Es folgt dann eine Aufzählung aller der Umstände, die den Sieg unbedingt an die französischen Fahnen heften müßten. Die italienischen Blätter knüpfen daran die Frage, warum man dann erst wegen „kleiner Widerwärtigkeiten" eine solche Mahnung, den Kopf nicht hängen zu lassen, nötig habe, und meinen, ^ß anscheinend an den deutschen Siegesmeldungen doch mehr sein müsse, als die Franzosen zugeben wollten.
Berlin, 17. Aug. Als erstes Mitglied eines regierenden Hauses Deutschlands in diesem Krieg ist der Prinz Friedrich Wilhelm zu Lippe gefallen. Er hinterläßt als Witwe die Prinzessin Gisela, geborene Gräfin Jsenburg-Büdingen, und 3 Kinder. — Der Großfürst Konstantin von Rußland, der in einem Berliner Gasthof abgestiegen war, rst, da er dem russischen aktiven Dienst angehört, in einer Kuranstalt in Wiesbaden interniert
worden. — Der deutsche Gesandte in Belgrad Frhr. v. Griesinger, ist in das rumänische Hos.' lager S.ingnaje abgereist und wurde vom König in Audienz empfangen.
In Berlin werden etwa 83 hohe russische Militärs zurückgehalten, darunter Admiral Tkroid- low und mehrere Generäle.
Der italieni sche Bot schaft er in Berlin Bollati, ist am Sonntag in Rom eingetroffen. Sei» Bericht wird gewiß für die italienische Regierung großen Wert haben. Daß Frankreich und England in zunehmenden Maße Italien durch Versprechungen und durch anderes dahin zu bringen suchen, aus seiner Neutralität herauszutreten und sich aus die Seite des russtsch-französisch-englisch-belgisch- und serbisch-montenegrinischen Bundes zu schlagen, unterliegt keinem Zweifel. Allein bis jetzt sieh! man nicht, daß das irgendwie Erfolg gehabt Hölle.
Berlin, 16. Aug. Noch immer treffen in den Grenzgebieten deutsche Flüchtlinge aus Fra»!- reich ein, zum Teil in schwer verletztem Zustand. In Mülhckusen sind eine Anzahl deutscher Dienst. Mädchen aus Frankreich eingetroffen, die über und über am Körper von französischen Gendarmen blutig mißhandelt worden sind. Bei sieben wurden Bein- und Fußmißhandlungen durch die französischen Gendarmen festgestellt. Die Mädchen waren so schwer verwundet, daß sie ins Spital eingeliefert werden mußten. Die Flüchtlinge in Mülhausen berichten, daß die französische Gendarmerie sämtliche Wert- und Geldsachen zurückbehalte. Viele Deutsche sind so schwer verletzt, daß sie in französischen Spitälern Zurückbleiben mußten.
Berlin, 16. Aug. Der deutsche Dampfer „Prinz Eitel Friedrich" derneuen Dampferkompugnie Stettin, der am 30. Juli Petersburg verlassen hat, mit Ladung für Stettin und gegen 40 Passagieren, ist am 31. Juli früh, also vor Kriegsausbruch, von russischer Seite beschlagnahmt und nach Reval gebracht worden. Die Passagiere wurden zwangsweise über Helsingfors in Finnland und Lorma (Livland) abgeschoben.
Berlin, 16. Aug. Die im neutralen Ausland verbreitete Ansicht ist unzutreffend, daß die deutschen Häfen blockiert und der Schiffsverkehr mit Deutschland unterbunden sei. Kein Hafen ist blockiert. Dem Schiffsverkehr neutraler Staaten mit Deutschland steht nichts im Wege. Die englischerseits ausgestreuten Behauptungen, die Nordsee sei deutscherseits mit Minen verseucht, ist unrichtig. Neutrale Schiffe für die deutschen Nordseehäsen haben bei Tag einen Punkt zehn Seemeilen nordwestlich von Helgoland anzusteuern. Dort ist deutscherseits für Lotsen gesorgt, die die Schiffe iu deutsche Häfen geleiten. Ostseehäfen haben neutrale Schiffe direkt anzulausen. Vor jedem Hafen sind Lotsen. Das Kohlenausfuhr- verbot ist nicht aus Bunkerkohlen ausgedehnt, und die Kohlenversorgung gewährleistet.
Berlin, 16. Aug. Gegenüber der Besorg' nis, ob die zur Zeit in Rußland angeblich herrschende Cholera auf Deutschland übergreifen wird, sei auf folgendes hingewiesen: Rußland ist in den letzten Jahren schon wiederholt von Cholera heimgesucht worden und hatte z. B. im Jahre 190S eine schwere Lholeraepidemie. Obgleich aber die lange deutsch-russische Grenze dem Vordringen der Krankheit nach Deutschland keinerlei natürliche Hindernisse bietet, im Gegenteil"^>ie Weichsel mit ihrem Schiffahrtsverkehr geradezu ein Einfalltor für sie darstellt, so ist die Seuche doch niemals über die Grenze hinaus vorgedrungen.
Berlin, 17. Aug. (Was französische Gefangene erzählen). Aus Frankfurt a. M. wird der „Vossischen Zeitung" berichtet: Wenn die gesamte französische Armee in der gleichen Verfassung ist, wie die aus Mülhausen eingetroffenen etwa 400 Gefangenen, dann hat der Senator Humbert recht gehabt mit seinen Anklagen im Pariser Senat. Die Stiefel, daß es Gott erbarm. Einige der Gefangenen sprechen Deutsch, ein Maler, der in München studierte, ein Koch, welcher in einem bekannten Berliner Hotel tätig gewesen ist, ein Kaufmann, welcher mit einer Deutschen verheiratet ist.' Sie erzählen von den schweren Kämpfen, die sich in Mülhausen abgespielt haben. Straße um Straße mußte von den Deutschen genommen werden. Die deutsche Sturmflut sei ganz plötzlich über sie hereingebrochen. Man habe den Feind wohl erwartet, aber doch nicht so nahe geglaubt. Erst als sich die Deutschen im Sturmschritt näherten, waren sie zu sehen, und zwar erst ans hundert Dieter Entfernung, nicht eher. Die feldgraue Uniform hat die Mannschaft beinahe unsichtbar gemacht; deshalb sei es a«ch zum Handgemenge gekommen. Eine große Anzahl Gefangener habe deshalb leichtere Verwundungen erlitten. Die französischen Verluste sollen geradezu enorm sein. Man habe die Deutschen vollkommen unterschätzt. Man habe den französischen Soldaten