MaderMoilik
Amtsblatt
für die Stadt Witdvad.
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Rr. Ivr l-Dienstag, den 18, August 1914 I so. Jahrgang.
-kk Landsturm aufgttasea.
Berlin, 15. Aug. Durch kaiserliche Verordnung wird der Landsturm aufgerufen. Sämtliche Angehörigen des Landsturms 1. Aufgebots, die ihm überwiesen wurden oder zu ihm aus der Ersatz-Reserve übergetreten sind, werden aufgerufen. Die Aufgerufenen haben sich bei der Ortsbehörde ihres Aufenthaltsorts zur Landsturmrolle anzumelden; ferner werden sämtliche Jahres- klassen des Landsturms 2. Aufgebots, die aus der Landwehr und Seewehr 2. Aufgebots zum Landsturm übergetreten sind, zum aktiven Dienst auf- gerufen. Ueber den Zeitpunkt der Gestellung ergeht'besonderer Befehl.
Ürber das Wesen und di« Einteilung des Landsturms haben wir kürzlich schon eingehend berichtet. Im übrigen she. Bekanntmachung in der heutigen Nummer und die Notiz auf der dritten Seite.
Me Uerästcatlichaag der Uerlastlistk».
Demnächst beginnt auch in Württemberg die Veröffentlichung der Verlustlisten. Sind doch schon mehrere württembergische Regimenter in und um Mühlhausen tüchtig im Feuer gestanden. Tiefes Weh und herben Schmerz werden die Verlustlisten zunächst den Anverwandten und Freunden der Gefallenen bringen. Wer kann es ihnen verargen? Das ganze Vaterland nimmt teil an diesem Schmerz und trägt ihn mit ihnen. Aber Trost werden sie finden in dem herrlichen Satz, den schon die alten Römer ihren auf dem Felde der Ehre gefallenen tapferen Streitern nachriefen: „Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben!" Jedem Einzelnen, der gefallen ist, folgt dieser Spruch ins Grab, und aus jedem Grab schallt er zurück zu denen, die um den Gefallenen trauern. Es ist dies der schönste Kranz auf das Grab der Gefallenen.
Den Wohlhabenden zu Hause aber erwächst aus den Gräbern der Gefallenen die heilige Pflicht, kein« mageren Almosen zu spenden den Witwen I und Waisen, sondern nach besten Kräften beizutragen W Linderung der Not. Nicht markwrise, hundert
markweise müssen die Wohlhabenden da spenden, soll nicht eine leicht gefährlich werdende Erbitterung gegen sie Wurzel schlagen. Dem Reichen, dem Hunderttausendmark-Mannr, steht es jetzt wohl an, größere Summen auf den Altar des Vaterlandes niederzulegen, den Bedürftigen der Stadt oder des Dorfes, in dem er reich geworden, in diesen Tagen der Not beizuspringen. Ein Pfui dem, der jetzt in verknöchertem Geiz und eckelhafter Filzigkeit seine Taschen zuhält und sein Herz verschließt gegen die Notlage so vieler Mitmenschen im Vaterlande, im Oberamt, in der Gemeindet Die Verachtung seiner Mitbürger treffe ihn! —
Aber auch der kleinere Mann, der Beamte, der Angestellte, der Landmann, der Arbeiter, der zu Hause bleiben darf und dessen Gehalt oder Lohn weiterläuft, hat die moralische Pflicht, soweit es ihm möglich, mitzuhelfen bei dem großen Werke der Barmherzigkeit. — Das ist dann ein weiterer Trost nach der Veröffentlichung der so schmerzlich wirkenden Verlustlisten.
Der Witwen und Waisen, deren Ernährer im ehrenvollen Kampfe gegen den Erbfeind gefallen, werden die Behörden, die Geistlichen usw. sich gewiß stets bereitwillig annehmen und ihnen mit Rat und Tat an die Hand gehen. So wird dann wenigstens die bittere Not sich nicht zu der Trauer gesellen.
Wehrpflichtig.
Ein Wort an unsere Frauen und Töchter
von einer Frau.
Wehrpflichtig sind auch wir. Mit Wucht ist das Ungeheure über uns gekommen. Wir stehen mit angehaltenem Atem da und fühlen, daß wir erleben, was nie erlebt worden ist, seit es eine Weltgeschichte gibt. Soll uns der große Augenblick klein finden?
Wenn alles hinauszieht, was irgend wehrpflichtig ist, dann wollen wir auch unserer Wehrpflicht gedenken. Nehme sich keines aus I Wir beneiden die Schwestern, die mit dürfen, die helfen dürfen, > wo die bitterste Not ist. Und Tausende sind da.
die mit Freuden mitgingen, wenn sie nicht durch Nächstliegende Pflichten oder durch mangelnde Kraft zurückgehalten würden. Aber gerade diesen möchten wir sagen: Wehrpflichtig seid auch ihr!
Wir müssen zum ersten feststehen. Der Jammer will uns das Herz brechen; aber laßt uns alle Kraft zusammennehmen! Laßt uns denen, die hinausziehen, das Herz nicht noch schwerer machen! Und laßt uns stille werden! Nicht so viel reden in diesen ernsten Tagen, nicht so viel klagen und jammern! Durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein. Reden wir nicht so viel zu Menschen, reden wir mit Gott. Und hüten wir uns doch vor dem Hin- und Herlaufen, vor dem Jagen nach den neuesten Nachrichten. Es nimmt uns so viel Kraft. Was kommen soll, kommt noch früh genug. Lasset uns Geduld lernen!
Und laßt unS Mut machen! Wer ist, der nicht Mut braucht in solcher Zeit? Wenn unsere Männer hinausgezogen sind mit der Erinnerung an den Jammer daheim, dann laßt uns doch jetzt aufstehen und alle Kraft zusammen nehmen.
Wir wollen uns selbst vergessen, aber wir wollen um so mehr denken an die andern, die Nahen und die Fernen l Das Leid ist ein gemeinsames; das ist noch eine Art von Trost in allem Schweren. Hohe und Niedere, Arme und Reiche, sie haben alle dasselbe Los. Wo sind die Familien, die nicht irgend ein Glied bei der Armee haben? Unsere Sorge ist gemeinsam; so sei auch unser Mitgefühl gemeinsam!
Zeigen wir den Kindern getrosten Mut, festes Gottvertrauen, tapfere Vaterlandsliebe. Sie sind die Hoffnung unserer Zukunft. Wenn wir diese Zeit treu benützen, kann das junge Geschlecht unauslöschliche heilbringende Eindrücke bekommen! Vergessen wir das nicht! Die Sprüche und Lieder, in der Schule oft so ungern gelernt, nun sind sie unser höchster Besitz. Und mancher Erwachsene hat sich in diesen Tagen aufgerichtet an einem Wort aus gläubigem Kinderherzen.
Denken wir aber auch an unsere armen Kranken,
! Leidenden, Alten, Hilflosen und an die, welche sie zu pflegen haben I Und denket an die Frauen und
Gerichtet.
Roman von Franz Wichmann.
5! (Nachdruck verboten.)
«Wir erleben's nimmer! Und Zeit wär's, daß ebvas aus ihm würde!" Er machte eine Pause, um die Photographie wieder an ihren Platz zu hängen. «Der Herr Bezirksamtmann hat mir damals, als es üch um den Beruf unseres Jungen handelte, gesagt, e>n Jurist brauche nur vier Jahre zu studieren."
«Aber Otto studiert ja auch noch nicht viel länger!" wandte die Försterin ein.
«Fünf Jahre," betonte der Förster, „ja, und dabei n! noch immer kein Ende abzüsehen! Und er hat seiner Dienstpflicht noch nicht einmal genügt!"
Frau Adelheid suchte den Vorwurf rasch zu ent- kräftigcn:
«Aber er tut doch gewiß nur wohl daran, recht lange zu studieren. Um so mehr muß er ja lernen und den anderen zuvorkommen!"
Sie öffnete während ihrer Worte den altmodischen Wandschrank, nahm ein feines Kaffeegeschirr heraus Und begann den Sofatisch zu decken. In die Mitte stellte sie eine Vase mit frischen Blumen.
Lorenz Reiner sah auf die Uhr, trat dann ans »enster, öffnete beide Flügel und blickte hinaus.
«Halb vier Uhr schon!" grollte er. „Nicht einmal pünktlich sein lernen sie auf der Universität!"
«Er wird gewiß etwas Wichtiges zu denken haben!"
«Wenn du ihn nur immer in Schutz nehmen annst! Aber ich höre ein Geräusch wie Räderrollen. §t das nicht der Wagen?"
Die Försterin geriet in fieberhafte Bewegung.
„Er wird es sein, gewiß, er kommt, er kommt!" rief ste. „Klara, Klara!"
Aus dem Nebenzimmer antwortete die Stimme des Mädchens:
„Mutter?"
„Den Kaffee, den Topfkuchen!' befahl die Försterin.
«Gleich, Mutter!"
Lorenz Reiner war am Fenster stehen geblieben. Er beugte sich weit vor.
„Da kommt es wie die wilde Jagd aus dem Walde," sagte er, „Staubwirbel und Peitschenknallen!"
Die Försterin trat zu ihm.
„Wahrhaftig, er fährt, er fährt!" Jubelnd klatschte sie in die Hände. „Ganz wie ein großer Herr — in einer Equipage!"
Aber die Stirn Reiners legte sich in Falten.
„Was ist das? Da sitzt ja noch einer im Wagen!"
Neugierig lugte die Försterin über seine Achsel.
„Am Ende gar ein Besuch aus der Stgdt! Das wäre! Ach, wenn er einen Freund mitbrächte, einen feinen, gelehrten jungen Herrn, vielleicht gar einen Doktor —"
„Danke dafür!" grollte mürrisch der Förster. „Ich will meinen Sohn, sonst niemand!"
Frau Adelheid achtete nicht auf seine Bemerkung: zitternd vor Aufregung eilte sie an die Tür.
„Da ist er schon, der Otto, der Otto!" rief sie.
Gleichzeitig trat auch Klara, deren schlanke Gestalt, wie die Mutter das gewünscht hatte, jetzt in der Tat das blaue Kleid umschloß, wieder ins Zimmer, fast im selben Moment, als die Tür nach dem Flur
aufflog und zwei stattliche junge Männer auf der Schwelle erschienen, deren Vorderstem der Förster beide Arme entgegenbreiten wollte. Aber jäh ließ er sie wieder sinken und trat, statt den Sohn zu begrüßen, vor demselben zurück — mit verfinstertem Antlitz.
„Rauchst du aber eine schwere Sorte, Junge! Die zieht einem ja ordentlich das Wasser in die Augen!"
Mit diesen Worten fuhr der Förster sich unwillkürlich mit dem Ärmel über das Gesicht.
Otto Reiner klopfte sich die abgefallene Zigarrenasche von seinem eleganten, städtischen Reiseanzug.
„Guten Tag, Papa, Mama!" sagte er.
Die Försterin vermochte ihre Rührung kaum zu verbergen.
„Otto, Herzensjunge," stammelte sie, „bist du groß geworden! Laß dich küssen!"
Und in warmer Freude schlang sie beide Arme um den Sohn.
Der Blick des jungen Mannes fiel jetzt erst auf das sich etwas zurückhaltende junge Mädchen.
„Ei, sieh da, Klara! Lon jour, schönes Schwesterlein!" richtete er an dasselbe das Wort.
Zögernd trat das Mädchen näher und reichte ihm die Hand.
„Grüß dich Gott, Bruder!" sagte sie einfach.
„Wen hast du denn da?" wandte der Förster sich an Otto und wies auf den fremden jungen Mann, der sich noch immer im Hintergründe hielt.
(Fortsetzung folgt.)