Die Wacht am Rhein.
Wenige werden wissen, daß das volkstümliche, feurige Lied „Es braust ein Ruf wie Donnerhall", das in jetzigen Tagen von unseren ausziehenden Truppen und von ihren zurückgebliebenen Angehörigen gesungen wird, gerade vor 60 Jahren zum erstenmal in Krefeld bei der Feier der Silberhochzeit des damaligen Prinzen Wilhelm von Preußen, des späteren siegreichen Kaisers, erklang. Der Text stammt bekanntlich von dem jungen, leider schon früh verstorbenen Kaufmann Max Schneckenburger aus Talheim, der das Trutzlied aus den deutschen Rhein im November 1640 verfaßte. Das Lied blieb längere Zeit unbekannt, bis es im Jahre 1870 die Millionen von begeisterten und siegesfrohen Deutschen zu neuem Leben weckten. Die Melodie hat der Krefelder Musiklehrer Karl Wilhelm im Jahre 1845 komponiert. Anfangs ebenfalls unbekannt, wurde das Lied 1865 auf dem 1. Deutschen Sängerbundesfest in Dresden als Preislied gesungen; von nun ab wurde es mehr und mehr zu einem deutschen Nationallied. Ein eigenartiger Umstand hemmte die Schaffensund Lebensfreudigkeit dieses Komponisten und machte ihn schließlich menschenscheu. Die Tochter der Familie nämlich, bei der er wohnte, stürzte nachtwandelnd vom Dach des Hasses und blieb zerschmettert am Boden liegen. Sern Name wurde im Jahre 1870 beim Ausbruch des deutschfranzösischen Krieges durch das meistgesungene deutsche Lied immer mehr bekannt, und auch an Gunstbezeugungen fehlte es ihm nicht Er blieb jedoch einsam, trotz der Bemühungen seiner Freunde, ihn aufzumuntern. Im November 1870 hatte er auf Einladung eine Audienz im kaiserlichen Schlosse in Berlin. Am 20. November entfesselte er, als er im Zirkus Renz seine Wackt am Rhein selbst dirigierte, wahre Stürme von Beifall. Im Jahre 1871 erhielt er auf Antrag Bismarcks einen jährlichen Ehrensold von 1000 Talern. All dieser Ehrenbezeugungen erfreute er sich aber nicht lange. Er starb im August 1873 in seinem Geburtsort Schmalkalden, wo er auch begraben und ihm später ein Denkmal gesetzt wurde.
Der neue Krrtschke.
Was kraucht dort in dem Busch, oh weh!
Ich glaub', das ist Poinearö l He, Hel Da ist auch Nikolaus —
Drauf Kameraden I Jagt ihn raus!
Was krabbelt dort noch für ein Ding?
Sieh, sieh! Das ist der tapfre King!
Er darf nicht fehlen bei dem Skat —
Ein nettes Kleeblatt in der Tat!
Der Franzmann hat gewaltigen Mut!
Bloß seine Stiefel sind kaput.
Drauf los! Und bringt mit Stil und Stumpf Ihn desto schneller auf den Strumpf!
Und ist das Leder schlecht, ihr Herrn,
Wir gerben euch das Leder gern.
Getrost, getrost, o gruvllo nuüon!
Versohlen wollen wir dich schon!
Der Rufs', der Rufs', der biedre Rufs',
Der schwärmt für Licht und Spiritus.
Er frißt das Licht in guter Ruh'
Und säuft den Spiritus dazu.
Der Englishmann ist gern dabei.
Wo dreie gehen über zwei.
denka. Fremd. Do gibts Leit gnueg, wo sich um die Sach a'nemma und wenigstens die ärgst Not von de Fraua und Kender der Ei'berufena ab- wenda. Als Trost Han e dene Wildbäder Soldata die „Chronik" vom Montag, wo se de Bericht über die seitherig Dädigkeit in Wildbad lesa könna, zeigt und ei'm dervo' z'rückg'lassa.
Was bis jetzt uf'm Kriegsschauplatz g'scheha isch, sen blos Grenzschutzg'fecht gwä. Etzet wird's awer bald anderscht komma, wenn 's Uhrawerk voll ufzoga isch. Wer -no Hieb kriegt, sen d'Franzosa und d'Russa, verlaß de druf, Schorsch. 'n Vor- g'schmack dervo' hen se all zwei scho'. Und d'Eng- länder? Die solla amol komma! Wenn se je rei- käma, naus käma se nemme, und wenn se au no Russa mitbrenga, wie se droha. Mer wölla anander schbäder dra' erinnern.
Etzet kommt's auf, daß Rußland, Frankreich und England über uns herfalla hen wölla, awer erst im Johr 1916. Bis dort na wär' des schö' Kleeblättle mit sein« Rüstung« fertig gwä. Awer mir hent uns etzet lang gnueg rausfordera und droha lassa. Länger ging'« nemme. Aels druf!
Wenn je unser Landschdurm anfbota werda sott, no muesch awer au rü üwer de Bach; i schreib der's no glei'.
Bleib g'sund und sei herzlich grüeßt
von beim dreia Freind
Hermann.
Ein kühner Degen immer schon War ja der alte, dicke John.
Und käm' auch mehr Gesindel noch.
Drauflos! Drauflos! Wir zwingen's doch! — Ihr Teufelswerk wird all zu Spott!
Hurra! Noch lebt der alte Gott!
Aus dem „Kladderadatsch".
Eine Blütenlese.
Auf dem Umweg über die Schweizer Zeitungen erfährt man einiges, was im Ausland über uns und über den Krieg zusammengelogen wird. Dem „Matin", dem Biedersten unter den Biederen, gebührt der Vortritt. Er meldet, eine belgische Armee habe bei Spa zwei Ulanenregimenter vernichtet. Wenn er dann unter dem Datum des o. August fortfährt, die deutsche Artillerie bombardiere Lüttich, so war das damals auch noch geschwindelt. Anderes aus den Meldungen der französischen „Agence Havas". Aus Gibraltar: Ein englisches Geschwader kaperte fünfzig deutsche Dampfer. Warum nicht gleich hundert. Es wäre in einem Aufwaschen hingegangen Aus Lüttich: Die Deutschen, die zum Rückzuge nach Norden gezwungen waren, sollen holländisches Gebiet bei Tilburg betreten und die Maas überschritten haben. Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Die Ereignisse an der deutsch-russischen Grenze saßt die „Ag. Havas" am 6. Aug. dahin zusammen: Die Russen haben mit den Deutschen längs eines großen Teils der Grenze Fühlung genommen. Die Deutschen „zogen sich um einen Tagesmarsch zurück und steckten eine große Anzahl Dörfer in Brand." Umgekehrt wird ein Schnh daraus. — Deutsche Reisende, die vor einigen Tagen erst London verla sen haben und über Holland in Berlin eingetroffen sind, erzählen, daß Londoner Winkelblätter die Nachricht verbreitet haben, 100 000 Deutsche seien von den Russen geschlagen worden und hätten 20000 Gefangene verloren. Diese Meldung wird Übertrossen noch durch eine andere, die besagt, daß Kosaken bereits in Hessen-Nassau eingerückt seien. Nun fehlt noch der Turko in Königsberg.
Kriegsnachrichten.
Stuttgart, 13. Aug. (Verwundeten- tr an Sport.) Der erste größere Verwundetenzug traf heute mittag 12 Uhr auf dem hiesigen Hauptbahnhof ein. Es waren insgesamt über 300 verwundete Soldaten, meist Badenser, die in der Schlacht bei Mühlhausen siegreich gefachten haben. Unter den Verwundeten, die im Katharinenhospital, Olgaspital und in dem zu einem Lazarett eingerichteten Vereinshaus christlicher, junger Männer untergebracht wurden, befinden sich auch 68 Franzosen.
Stuttgart, 14. Aug. In Stuttgart und Cannstatt sind gestern abend zahlreiche französische Gefangene eingetroffen, in Cannstatt allein 60—70 Personen, in Stuttgart etwas mehr. Es handelt sich u. a. auch um elsässische Einwohner, welche in der Schlacht bei Mühlhausen aus dem Hinterhalt auf unsere Soldaten geschossen haben. — Aus Metz trafen gestern und heute die Frauen und Kinder der dort garnisonierten Unteroffiziere und Feldwebel ein. Sie brauchten 24 Stunden, um nach hier zu kommen und sich in Sicherheit zu bringen.
Asperg, 14. Aug. Gestern früh V-5 Uhr sind hier 303 Mann französische Gefangene vom Kriegsschauplatz bei Mühlhausen angekommen. Sie wurden in die Strafanstalt Hohenasperg, wo die Strafgefangenen größtenteils abgeführt worden sind, eingeliefert. Der Durchmarsch der Franzosen, unter denen sich viele kleine schwächliche Gestalten befanden löste unter der hiesigen Einwohnerschaft freudige Begeisterung aus.
> Müllheim i. B., 14. Aug. Am Sonntag , haben Flieger über Mülhausen Pakete von den in 'Belfort gedruckten Aufrufen herabgeworfen, die folgenden Wortlaut hatten: „Aufruf des französischen Generalissimus an die Elsäßer: Kinder des Landes! Nach 44 Jahren schmerzlichen Wartens betreten französische Soldaten wiederum den Boden eures edlen Landes. Sie sind die ersten Arbeiter des großen Werkes der Revanche. Es erfüllt sie mit Rührung und Stolz. Um das Werk zu vollbringen, geben sie ihr Leben dahin. Die franz. Nation steht einmütig hinter ihnen und in den Falten ihrer Fahnen sind die zauberhaften Worte „Recht und Freiheit" eingegraben. Es lebe das Elsaß! Es lebe Frankreich! Der franz. j Generalissimus Joffre. Geworfen durch die französischen Escadrillen von Mühlhausen."
Straß bürg, 14. Aug. Unter lebhaftem .Beifall der Bevölkerung hat man gestern 4 fran-! zösische Geschütze vor dem Kaiserpalais aufgestellt. ^ ^ Von den 12 bei Mülhausen eroberten Feldge ! schützen sind 8 nach Berlin unterwegs. j
Berlin, 13. Aug. Wie der „Berliner Lokalanzeiger" meldet, wurde Rechnungsrat Kattner,
der seit über 30 Jahren im deutschen diplomatischen und konsularischen Dienst in Rußland tätig war und bei der kürzlich erfolgten Abreise des Grafen Pourtalos in Petersburg zurückgelassei, worden war, von dem blutdürstigen Mob ermordet Berlin, 13. Aug. 150 inaktiv» Generale haben gebeten, als Kriegsfreiwillige in Reih und Glied ohne Rang und Charge mit ins Feld ziehen zu dürfen.
Berlin, 13. Aug. Englische Zeitungen bringen die Nachrichten, daß der Hafen von Daressalam (Deulsch-Oftafrika) von den Engländern angegriffen und daß der dortige Funkturm von ihnen zerstört worden ist.
Berlin, 13. August. In der Charlottenburger Ktadtverordnetensitzung wurde eine Million bewilligt für die Durchführung von Maßregeln zur Steuerung einer Lebensmittelteuerung.
Berlin, 14. Aug. Der bekannte Nationalökonom der Universität Freiburg i. Breisgau, Professor v. Schultze-Grävenitz, welcher Freiburg als fortschrittlicher Abgeordneter vertritt, ist als Kriegsfreiwilliger in das Heer eingetreten. Auch der sozialdemokratische Abgeordnete Ludwig Frank- Mannheim, welcher dem Landsturm angehört, ist als Kriegsfreiwilliger eingetreten.
Berlin, 14. Aug. Ein aus Moskau über Petersburg-Stockholm eingetroffener Deutscher berichtet dem Berl. Tagebl, daß in Moskau sämtliche deutsche Geschäfte zerstört worden seien. Das j deutsche KonsulatSgebäude samt Inhalt habe eine ' Behandlung erfahren, die jeder Beschreibung spotte, i Es stünden nur noch die nackten Mauern.
Hamburg, 13. Aug. Ein 72 Jahre alter Trompeter hat sich hier gestellt. Der 72 Jahre alte Trompeter Voigt, welcher in den Kriegen 64, 66 und 70—71 dreiunddreißig Schlachten nutze- inacht hat, wurde auf seinen Wunsch bei der ersten Ersatzbatterie des 45. Feldartillerie - Regiments wieder eingestellt.
> Hamburg, 14. Aug. Nach einer der Hamburger Zentralstelle für Handel und Gewerbe zu- gegangenen Auskunft des Auswärtigen Amtes ist ^ der Kongostaat als belgische Kolonie wie Belgien I selbst als mit uns im Kriegszustand befindlich anzusehen. Dasselbe gilt von den englischen Kolonien uns gegenüber und umgekehrt.
Köln, 13. August. Einer Sofiaer Depesche der „Kölnischen Zeitg." zufolge hat am Mittwoch Rußland in dringender Form das Verlangen erneuert, daß Bulgarien gemeinsam mit Serbien vorgehe. Bulgarien lehnte ab, seine Neutralität aufzugeben.
Wien,. 13. Aug. Vom nördlichen Kriegsschauplatz wird gemeldet: Die österr.-ungarischen Truppen sind in Russisch-Polen weiter vorgerückt. Ungefähr 700 russische Deserteure wurden nach Linz, Salzburg und Innsbruck gebracht.
Wien, 13. Aug. Das Wiener Korr.-Bureau berichtet: Der großbritannische Botschafter Bunsen erschien heute im Ministerium des Aeußern, um die Erklärung abzugeben, daß sich Frankreich als im Kriegszustand mit Oesterreich-Ungarn befindlich betrachte, weil dieses den Bundesgenossen Frankreichs, Rußland, bekämpfe und Frankreichs Feind, das Deutsche Reich, unterstütze. Zugleich erklärte der großbritannische Botschafter, daß mit Rücksicht auf das Verhalten Frankreichs auch Großbritannien sich als im Kriegszustand mit der Monarchie befindlich betrachte. — Die englische Admiralität erteilte Befehl, die Feindseligkeiten gegen Oesterreich- Ungarn zu beginnen.
Rom, 13. Aug. Aus Kairo wird gemeldet: Der Ministerrat erklärte Aegypten mit Deutschland im Kriegszustand und vertraute das Land englischem Schutze an. Die englischen Streitkräfte können daher im ganzen Lande und in allen Häfen das Kriegsrecht ausüben.
Rumänien geht mit dem Dreibund.
Das Bukarester Regierungsblatt „Sears"
veröffentlicht in einer seiner letzten Nummern einen
viel beachteten, feurigen Artikel für den Anschluß Rumäniens an den Dreibund. In einem Minister- rat wies der König selbst ziffernmäßig nach, daß Deutschland auch allein stark genug so, um selbst ohne Oesterreich und Italien Rußland und Frankreich zu schlagen. Die Ausführungen des Königs dauerten 3 Stunden und hatten den Erfolg, daß der Anschluß an den Dreibund beschlossen wurde.
London, 13. August. Hier hat sich eine Fremdenlegion gebildet, die neben dem englische» Heer kämpfen soll.
London, 13. Aug. In England trägt man sich mit der Entsendung eines Expeditionsheeres nach Belgien. Der „Daily Telegraph" We» vor dem Fall von Lüttich: >Es freut uns, i" fahren, daß, obgleich noch kein diplomatisch" Entschluß gefaßt worden ist, in den ersten Kreisen die Meinung einer möglichst baldigen militärischen