Wader Ownik
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Nr. 101 I
Samstag, den 15. August 1914
> 50. Jahrgang.
Einst und jetzt!
„Der Geist, nicht die Zahl entscheidet." Aber auch in Bezug auf die Zahl sind wir gegen 1870 im Angriff gegen Frankreich sehr gut daran. Damals hatte Deutschland 40, Frankreich 36 Mill. Einwohner. Heute besitzt Deutschland jedoch 67, Frankreich nur 38 Millionen. Wir haben also jetzt nicht 4, sondern 29 Millionen Einwohner mehr! Außerdem haben wir noch die sehr starken Grenzsestungen Gtraßburg und Metz, die wir 1870 erst erobern mußten. Wir stehen also gegen 1870 im Vergleich zu Frankreich etwa doppelt so stark da! Nun haben wir freilich auch noch gegen Rußland zu kämpfen. Hier kommen aber für ans folgende günstige Aussichten in Betracht: Deutschland und Oesterreich brauchen nur etwa 2 Wochen zum Aufmarsch an der russischen Grenze, Rußland braucht aber etwa 6 Wochen, so daß sei» Vorschub schon vorher geschlagen werden kann. Ferner herrscht Empörung in Russisch-Polen, welches das unerträglich gewordene Sklaventum abwerfen will. Auch die Ernte fällt in diesem Jahr ganz schlecht in Rußland aus. so daß noch eine Hungersnot entstehen kann. Die Verpflegung eines Heeres ist aber eine Hauptsache; denn „die Courage sitzt beim Soldaten bekanntlich im Magen". In Deutschland und Oesterreich-Ungarn ist die diesjährige Ernte aber eine ausnahmslos gute. Endlich wird auch noch Japan jetzt die günstige Gelegenheit wahrnehmen, seine großen Forderungen. vom letzten Kriege mit Rußland bei diesem! einzutreiben. Im russischen Heer ist größtenteils j vieles sehr schlecht bestellt, während bei uns alles' aus das sorgfältigste vorbereitet und jeder Soldat,' tadellos bis zum letzten Gamaschenknopf ausgerüstet' ist, reichlich verpflegt wird und im Krieg auch die' sorgfältigste ärztliche Behandlung hat, die im russischen Heer dann nnendlich viel zu wünschen übrig läßt. Unser Heer ist nüchtern — die durchziehenden Truppen erhielten Kaffee, aber keinen Tropfen Alkohol — im russischen herrscht der Wutki; im französischen sind Schwindsucht und Geschlechtskrankheiten so stark verbreitet, daß ein sranzösischer Arzt schon im Hinblick darauf ernstlich vor dem Losschlagen warnte. Der Geist der deutschen Truppen ist der denkbar beste, und wir ziehen mit großen Hoffnungen hinaus. Wir kämpfen nicht für die Befriedigung eines krankhasten Ehrgeizes, wir kämpfen für unsere schwer
bedrohte Existenz, für Haus und Herd, für Weib und Kind, für die höchsten und heiligsten Güter der Menschheit: für Freiheit, Recht und Gesittung gegenüber der Barbarei des Zarismus. In den Kriegen 1813 und 1870 haben andere für uns gestritten; also wollen auch wir in dem gleichen Geist alle Opfer bringen, deren das Vaterland bedarf. Wir kämpfen um unsere Existenz, um unsere Stellung in der Welt und um unsere Ehre!
Die «Malen Maten.
Verschiedene Staaten, die mit uns näher verbunden sind, haben ihre Neutralität im beginnenden Völkerringen erklärt. Zunächst Italien. Wir Deutsche hatten uns daran gewönt, die innigen Beziehungen, die wir zu Oesterreich unterhalten, ohne weiteres auf Italien auszudehnen. Als nun beim schnöden Angriff Rußlands auf die deutsche Grenze und der Beteiligung Frankreichs an der Verletzung deutschen Gebiets Italien sich darauf beschränkte, die vollkommene Neutralität des Königreichs zu proklamieren, griff eine gewisse Enttäuschung in Deutschland Platz. Die offiziösen deutschen Stimmen der letzten Tage jedoch erklären sich mit dieser italienischen Politik einverstanden; die Schlußfolgerung liegt daher nahe, daß Italien sich an den Vertrag hält. Man weist darauf hin, daß es im Krieg von großer Bedeutung ist, die überseeische Lebensmittelzufuhr zu garantieren und daß dies durch die italienische Neutralität der Fall sei.
Die Beschränkung Italiens auf eine strikte Neutralität wird sich schwerlich durchführen lassen. Das italienische Volk ist viel zu temperamentvoll, um als einziges die Hände tatenlos in den Schoß zu legen. Den Politikern wird auch bald die Erkenntnis dämmern, daß an der russischen, mehr noch an der franz. Grenze auch die Zukunft ihres Landes entschieden wird. Siegt Frankreich, dann sinkt Italien unzweifelhaft in das frühere Vasallenverhältnis zurück. Denn Frankreich wird die unbedingte Superiorität im Mittelmeer beanspruchen, es wird dem Königreich die politischen wie die wirtschaftlichen Gesetze diktieren. Es wird über die Verteilung des nordafrikanischen Kolonialbesitzes verfügen; es wird niemals Tunis abtreten, es wird schwerlich Tripolis in italienischen Händen lassen, denn dieser Besitz unterbricht den englisch- französischen Ring. Dagegen wird es vermutlich Welschtirol einem geschlagenenOesterreich abzwingen.
Im Tripoliskrieg hat das geeinte Italien die erste militärische Feuertaufe erhalten; wird es diese Lorbeeren so bald in Untätigkeit verdorren lassen? Nur auf der Seite der deutschen Verbündeten, nur* im Falle ihres Sieges winkt dem Königreich die Zukunft, von der es in der Erinnerung des alten römischen Imperiums träumt. Es wäre aber unklug, wenn wir die Italiener zur sofortigen Entscheidung drängten. Viel hängt davon ab, wie die ersten Entscheidungen in diesem Kriege fallen werden. Die Schwankenden werden dadurch zum Entschluß gedrängt.
In einer schwierigen Lage befinden sich Schweden und Norwegen. Die nordischen Reiche sehen in Rußland die einzige Macht, die ihre Selbständigkeit bedroht, die die Hand nach ihren eisfreien Häfen am offenen Weltmeer ausstreckt. Aber auch sie dürften auf dem Plan erscheinen, wenn zu Beginn des Feldzugs das Kriegsglück den deutschen und österreichischen Waffen auf dem einen oder anderen Schauplatz hold ist. Zu den Neutralen gehört ferner Rumänien. Rumäniens Hand ist nicht frei; die Verpflichtung, den Bukarester Frieden zu schützen, legt ihm Zurückhaltung auf. In dem Augenblick, wo es seststeht, daß dieser Traktat von keiner Seite bedroht ist, wird auch Rumäniens Stunde schlagen. Rumänien ist eine verschwindend kleine romanische Insel im umgebenden slawischen Ozean. Siegt Rußland, so wird ihm niemand mehr die Meerengen sperren, dann wird die slawische Flut ans das rumänische Eiland überschwemmen, und die stolze Rolle eines Schiedsrichters auf dein Balkan, die des Königs kluge Politik errungen hatte, wird ausgespielt sein.
Für die Türkei wäre der Zeitpunkt außerordentlich günstig, das astatische Reich, auf das sie der Londoner Frieden beschränkt hat, in seinen alten, durch den Russenkrieg der siebenziger Jahre verstümmelten Grenzen wieder herzustellen und das unter dem fadenscheinigen Vorwand des Arabischen Aufstandes von England geraubte Nilland wieder zu besetzen. Die schwachen egyptisch. Garnisonen werden keinen ernsthaften Widerstand zu leisten im Stande sein, und Englands Flotte ist in der Nordsee gefesselt. Gewaltige Perspektiven eröffnen sich dem Khalifat in Indien. Dort warten die bereits seit langem organisierten und neuerdings mit den Hindus verständigten Muhamedaner des Winkes aus Konstantmopel, um den Kampf gegen die britische Zwingherrschast aufzunehmen.
M a« mi«' Mi«) MM i« Lumiks.
Wildbad, 14. August 1914.
Liaber Freindl
I ka mer'S denka, alter Schbezel, daß d' vielleicht noch nie so g'schbannt gwä bisch uf'n Brief aus der Heimet, wie desmol. Deswega will e de Ist so lang zappla lass« und amöl so a klei's Stimmungsbild entwerfa, wie's etzet im Wildbad und im Schwobaländle aussieht.
Geschtern bin e nämlich von Schtuegert widder Mur komma, wo e me als braver Staatsbürger M Rekruta-Ausbilda g'stellt Hab, awer leider kei' Verwendung rneh' Hab find« könna. Bei de Hon- aertfensazwanzger isch kei Bedarf meh' gwä und ^ei de liger hat der Oberstabsarzt a Herzfehlerle dei mer entdeckt: „Vorläufig nicht einzustellenI" "ho Widder heim! Vorher awer 'n Abschiedsschobba Mit de Soldata von Wildbad, wie se sich halt so Md ellstella. Was Nei's gäb im Wildbad, froga 's, 1 '^t viel," sag e, „ihr fehlet halt älle arg; "'„och wie ausblosa, awer was no do isch, isch Hoffneng und Begeistereng, wie überall im chwobaländle." Und wie e no so von dena Kon- s! uf'm Wildbader Kurplatz und in unsera vinalicka A'laga, wo etzet so kolossal b'suecht
n' könnta, secht a Landwehrma' — er haißt mil'm Zornama Chrischtian —: „Sei schtill, i ka' so ebbes et höra I" und guckt ganz diefsennig zum Fenschter aus. 's sen grad a baar Ersatzreservista von Vildbad rei komma, no hat mer a anders Thema 'g'sanga. Eim' dervo isch mit lauter Englischstutza ;i' Schnurrbart gänzlich abhanda komma, was adierlich a Mordshalloh geba hat. Jberhaupt ch d'Stimmeng bei de Wildbader Soldata ganz orzüglich — allezeit bereit für des Reiches Herrlich- ;itl
Awer net blos beim Militär isch die zueversicht- ch Stimmung, sondern au beim Volk — vom lickgratsteifa Schtuegerter Konservativ« bis runter un Daglöhner. Und so wie in unserer schwäbisch« iesidenz isch's im ganza Schwobaländle. Wenn > a fascht endloser Militärzug durch die Station« jhrt oder uf freier Strecke an de Erntarbeiter orbei, no goht a gegaseitigs Hurraruefa, Helm-, iüet- und Sacklüechlesschwenka los, daß a Fraid nd a Schtolz isch. So ebbes vergißt mer sei' ^ebdag net, und älle die U'bequemlichkaita beim iahra sdailweis' in de Viehwäga), die stondalanga lufenthalt, der Durscht bei dera Bäckahitz und je schei'bar Z'rücksetzung vom reiseuda Publikum urch's Bah'personal sen net im Schtand, a ver- rießliche Stimmung aufkomma z'lassa.
Uf m Heimweg Han e kurz vor Mühlacker n Transport g'fangene Franzos« g'seha. fascht lauter Infanterie, junge Leitla. Leider isch awer d'r Zug z'schnell g'fahra, sodaß mer net konstatier« hat könna, ob se sich arg u'glücklich fühl«.
Noch ebbes Han e g'seh: Verwundete, Deitsche und Franzosa unteranander. I Hab denkt: ihr könntet ei'm scho a bisle was verzähla, wie und wo äls der bayrisch Wostl, der badisch Frieder und der schwäbisch Michl (b'sonders d'126er und d'180er) ihr'n großa Zorn ausg'lassa hen und was denn au mit dena französisch« und belgisch« Luga- beuteleia für a Bewandtnis hat, wo in d'Welt nei g'setzt werda. Do isch awer nadierlich net bei- z'komma; soviel isch sicher, daß d'Franzosa seit 1670 's Lüega noch besser g'lernt hen.
Mechsch der gar kein Begriff, Schorsch, was für d'Soldata im Feld und für die Verwundet« älles g'schieht. I ben in Schtuegert a Zeitlang vor der Hauptsammelstell für's Rote Kreuz standa blieba. Wie's awer do aus und ei' goht mit Gepäckträger, wo Spenda krocht hen und bring«! D'Liederhall und d'Gwerbehall werda als große Lazarett her- g'richt, und an Geld soll's au net fehl«.
> Aelles hilft halt z'samma, daß für d'Soldata so guet wie möglich g'sorgt isch. Daß unser Wildbad in dera Beziehung net z'rückstoht, ka'sch der