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Nr. 34 I

Samstag, den 2 t. März 1914

I 50. Jahrgang.

Furchtbare Erlebnisse der australischen antarktischen Expedition.

Der Führer der für die Wissenschaft so erfolg­reich verlaufenen antarktischen Expedition Austra­liens hat nach seiner Rückkehr in Adelaide fesselnde Einzelheiten über die Erlebnisse der Expedition erzählt, darunter auch die Geschichte seiner Rettung, die er selbst als einenglücklichen, fast wunder­baren Zufall" bezeichnet. Mawson war in Be­gleitung zweier Gefährten, des Leutnants Ninnis und des Schweizers Dr. Mertz, zu einer längeren Schlittenexpedition aufgebrochen. 16 Hunde und eine Last von rund 17 Zentner führten die Forscher dabei mit sich. Der Zug über Schnee und Gletscher war anstrengend und als die kleine Schar am 14. Dezember auf eine zurückgelegte Strecke von 311 englischen Meilen zurückblicken konnte,waren wir alle in bester Stimmung. Es war ein herr­licher Tag, wir waren beinahe ausgelassen, als das Unheil kam. Mertz war auf seinen Schnee­schuhen 400 Meter voraus, ich folgte mit dem ersten Hundegespann, dicht hinter mir kam Ninnis mi! den Hunden und dem zweiten Schlitten, der unsere wichtigsten Proviantvorräte trug. Diese Anordnungen hatten wir getroffen, damit bei einem Unfälle durch etwaige Gletscherspalten allen­falls nur der erste Schlitten gefährdet werden konnte. Die gefährliche Zone lag hinter uns, und so war ich nicht wenig erstaunt, als ich plötzlich vor mir die Umrisse eines Spaltes unfern Weg kreuzen sah. Mertz war mit seinen Schneeschuhen hinübergekommen, ohne den Spalt als bedenklich anzusehen, meine Hunde waren bereits über den Abgrund. Trotzdem hob ich unserer Gewohnheit getreu den Arm und rief laut:Spalt!" zurück, um Ninnis zu warnen. Als ich bald darauf zurückblickte, sah ich zu meinem Erstaunen nur Schnee und Eis. Wo war Ninnis mit seinen Hunden und dem Schlitten? Da fiel mir der Spalt wieder ein, wir eilten zurück und standen bald an einem gähnenden Abgrund. Als unsere Augen sich allmählich an den dunklen bläulichen Schimmer gewöhnt halten, der über der Tiefe lag, sahen wir an einem Eisvorsprung einen ver­wundeten Hund, der in diesem Augenblick zu heulen begann. Von unserem Kameraden aber keine Spur. Er mußte geradenwegs in die uner­gründliche Tiefe hinabgefallen sein und einen sofortigen Tod gefunden haben. Wir riefen stunden­

lang, aber es kam keine Antwort; dann schwieg auch der verletzte Hund, er war gestorben, und ans der Tiefe stieg nichts empor als eine dumpfe schwere Stille. Wir versuchten vergeblich mit Hilfe der Seile den Felsvorsprung zu erreichen, .auf dem der Hund verendet war; es gelang uns s nur eine Zeltleinwand zu bergen. Der Schlitten, -der uns blieb, barg für uns zwei Männer nur ^noch Proviant für eineinhalb Wochen, für die 6 übriggebliebenen, bereits furchtbar abgemagerten Hunde war keine Nahrung mehr vorhanden. Wir kamen überein, daß wir die Hunde schlachten müßten, damit würde es uns wohl möglich sein, die Reise bis zur ersten Hütte zu bewältigen. In trüber Stimmung ward die Heimkehr angetreten, aber infolge einer nun einsetzenden Verschlechterung der Witterung, sowie durch die Herabsetzung der Rationen nahm die Widerstandsfähigkeit von Mensch und Tier schnell ab. Die abgemagerten Hunde hatten keinen Nährwert, Not und der Hunger begannen. Zu Beginn der ersten Januar­woche 1913 erreichten wir einen 100 englische Meilen von der rettenden Hütte entfernten Punkt. Die knappen Rationen halten unsere Körper be­reits schwer geschwächt. Den Tag über herrschte regelmäßig dichter Schneefall und schweres Schnee­treiben, und infolge unserer verminderten Wider­standskraft litten wir furcktbar unter der Kälte. Mit den größten Anstrengungen vermochten mir kaum ein paar Meilen am Tage zu überwinden. Am 6. Januar stürzten wir mehrfach, nun wurde es klar, daß Mertz nicht mehr gehen konnte; er wurde auf den Schlitten gesetzt, aber selbst mit Hilfe eines Segels vermochte ich die Last kaum weiter zu bringen. Mit Mühe und Not brachten wir zwei englische Meilen hinter uns, am 7. Ja», ging es Mertz schlechter, und um Mitternacht gab er seinen Geist aus. Mein eigener Zustand war dabei so schlimm, daß ich mir klar war, die Hoff­nung auf Rettung war mehr als gering. Aber ich beschloß, bis zum letzten Augenblick auszuharren." Und nun folgte ein furchtbarer Monat in arktischer Schneewüste, ein einsamer Kampf mit dem Hunger und den Elementen.Ich kreuzte mehrfach Gletscher­spalten, stürzte hinab, solang das Seil war, aber der Schlitten rettete mich, obgleich ich kaum noch die Kraft hatte, am Seil wieder emporzuklettern; meine Haut begann sich loszulösen, die Haare, die Fingernägel fielen mir aus. Ich möchte nicht gerne in der Erinnerung an diese Tage verweilen.

Daß ich eine Hütte mit dem für uns ausgesetzten Notproviant fand und erreichte, war nur ein Zufall; ihm aber verdanke ich mein Leben."

Aus Württemberg.

Stuttgart, 20. März. Die Abreise des Königs und der Königin zum Besuch des bayr. Königspaars in München erfolgt am Montag vorm. 9 Uhr 10 Min. mittelst Sonderzugs. In der Begleitung des Königspaars werden sich be­finden die Palastdame Freifrau v. Wöllwarth, die Hofdame Freiin v. Falkenstein, der Kabinett­chef Staatsmiuister a. D. Frhr. v. Soden, der Generaladj. Gen. der Inf. Frhr. v. Starkloff, der Oberhofmarschall Graf v. Stauffenberg, der erste Kammerherr der Königin Frhr. v. Raßler und Flügeladj. Major v. Rom. Am Dienstag abend 9 Uhr 24 Min. reist das Königspaar von München wieder nach Stuttgart ab.

Stuttgart, 20. März. Die Zweite Kammer hat gestern zunächst die Abstimmung über die Anträge zu der Eingabe um Schaffung einer Sonderanstalt der Invaliden- und Hinterbliebenen- Versicherung für die württ. Verkehrsanstalten und den Antrag der Abg. o. Kiene und Gen., betr. Schaffung einer Pensionskasse für staatliche Arbeiter, vorgenommen. Der Antrag v. Kiene, Groß- Stuttgart, Hiller, Baumann wurde mit 47 gegen 36 Stimmen (und 1 Enthaltung) abgelehnt. Der ! Ausschußantrag (Erwägung) wurde darauf mit 43 gegen 41 St. (1 Enthaltung) ebenfalls ab­gelehnt, worauf der Antrag Mattulat mit dem Zusatzantrag v. Hieber (Erhöhung des staatl. Zu­schusses) einstimmig angenommen wurde.

Stuttgart, 19. März. Die national- liberalen Fraktionen der württ. und der badischen Zweiten Kammer hielten gestern in Pforzheim eine Zusammenkunft, an der sich 26 Abgeordnete beteiligten. Zweck der Veranstaltung war, sich persönlich näherzukommen und sich über einige besonders aktuelle, beide Staaten gleichermaßen berührende Fragen auszusprechen. Im Mittel­punkt des Interesses stand die Erörterung über die Donauversickerung und die Neckarkanalisation. Die Aussprache war von dem ernstlichen Willen nach ausgleichender Verständigung getragen. An die Aussprache schloß sich ein gemeinsames Abend­essen, in dessen Verlauf sich weitere erfreuliche An­regungen ergaben.

Die jchöne Amerikanerin.

Roman von Erich Ebenstem.

40) ^Nachdruck verboten.)

Dr. Benke saß in seinem Büro, wartete wie gewöhnlich auf Klienten, die sich nicht einstellen wollten, und war sehr erstaunt, als sein Schreiber ihm Hempels Karte brachte.

Nach einigen begrüßenden Worten kam der Detektiv sogleich auf den Zweck seines Kommens zu sprechen.

»Ich komme, um Ihnen die Verteidigung einer Angeklagten anzutragen, durch deren Ver­tretung Sie Ihren Namen, wie ich hoffe, mit einem Schlage berühmt machen können. Es handelt sich um Frau Makel Henderson."

In Benkes Gesicht wechselten Ueberraschung und Verlegenheit in rascher Folge.

»Hm," sagte er dann zögernd,eine ziemlich aussichtslose Sache, wie mir scheint, nach dem, was die Blätter berichten."

»Ich verspreche. Ihnen zwei Tage vor der Verhandlung ein glänzendes Material für die Verteidigung zu liefern. Sollte ich wider Er- warten^dieses Versprechen nicht halten können, so haben Sie keineswegs etwas verloren, ich garantiere § Ihnen hiemit jedes geforderte Honorar." !

Sie?"

Jawohl. Es ist eine Sache des persönlichen Ehrgeizes für mich, und wenn ich verliere, so trage ich die Folgen auch aus meiner Tasche. Verlieren wir nicht, dann wird man Sie gern von anderer Seite bezahlen."

Darf ich wissen, ob das Material, das Sie mir in Aussicht stellen, neue Gesichtspunkte in der Verteidigung umfaßt?"

Ja. Aber mehr kann ich Ihnen heute noch nicht sagen. Sie müssen mir Treu und Glauben schenken, bis ich Ihnen die Beweise in die Hand lege."

Weiß Frau Henderson um Ihren Besuch? Kommen Sie in Ihrem Auftrag?"

Nein. Bis jetzt habe ich kein Wort mit der Dame gesprochen. Sie kennt mich gar nicht."

Und wenn Sie einen anderen Anwalt wünscht oder bereits hat?"

Letzteres ist nicht der Fall. Ich glaube, sie ist sich überhaupt nicht klar über die Gefahr, in der sie persönlich schwebt, und beschäftigt sich im Geist mit ganz anderen Dingen. Heute will der Untersuchungsrichter das Aktenmaterial an die Staatsanwaltschaft leiten, es wird Sie also niemand hindern, morgen früh Frau Henderson

im Gesängnisspital aufzusuchen und sich ihr als Verteidiger vorzustellen."

Und wenn sie mich ablehnt?"

Das wird sie nicht.' Sie werden ihr sagen, ein Freund, welcher nicht genannt werden will, aber sich für sie interessiert, habe Sie zu ihr geschickt. Wenn Sie ihr dann die Situation klar machen, in der sie sich befindet, wird sie nicht zögern, Ihre Verteidigung anzunehmen."

Die Sache klingt sehr geheimnisvoll."

Vorläufig, ja. Aber ich denke. Sie kennen meinen Namen, Herr Doktor, und wenn ich Ihnen noch sage, daß ich nie die Güte vergessen habe, mit der Ihre Mutter sich der meinen annahm, so werden Sie mir glauben, daß ich dem Sohn dieser Frau doch keine aussichtslose Sache zumuten würde!"

Sie haben recht, Herr Hempel. Ich werde die Verteidigung führen, jo gut ich nur irgend kann!" war Doktor Benkes warme Antwort.

Hempel atmete tief auf, als er sich eine Stunde später in seiner Wohnung befand und eine kleine Handtasche mit Wäschestücken füllte.

So. Nun ist alles getan, was hier noch zu besorgen war. Jetzt auf in die neue Welt! Wir wollen doch sehen, was der alte Knabe Prosper