Wader Mimik
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Hirzu: Illustriertes Sonntagsblatt und während der Saison: Amtliche Fremdenlisth.
Nr. 31 1 Samstag, den 14. März 1914 j 50. Jahrgang-
Der MW Himmel im Osten.
Der Artikel der „Köln. Ztg." über das Verhältnis Deutschlands zu Rußland hat die schlimmste Krankheit der heutigen Welt, die allgemeine Nervosität, gründlich aufgerütlelt. Sowohl an der Seine, ats an der Newa, an der Donau wie am grünen Strand der Spree ist man in eine hochgradige Beunruhigung durch die Annahme hinem- geralen, daß der Artikel der „Köln. Ztg." von der deutschen Regierung inspiriert gewesen sei. „Unsere Lait" an der Börse harten natürlich die Sache in Eile für sich ausgenützl, bis die Dämpfer der deutschen Regierung sich geltend machten.
Der Artikel der „Köln. Ztg." brachte dem, der die Dmge in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hat, im Grunde nichts Neues, nur daß er aus der Grundlage einer genauen Kenntnis der Einzelheiten die politischen Tatsachen zu einem Gesamtbild zusammenfaßte, das eines liefen Eindrucks nicht verfehlen konnie. Aber dieser Eindruck hätte nimmermehr zu solchen Kopflosigkeiten, wie man sie bei dieser Gelegenheit namentlich an den Börsen beobachten konnte, führen können, wenn man der öffentlichen Meinung über unser Verhältnis zu Rußland ein klein wenig mehr Wahrheit eingeschänkt hätte, was wohl zu machen gewesen wäre.
Rußland sowohl wie Frankreich haben auf der Hand liegende Gründe, zum mindesten im gegenwärtigen Jahr einen Krieg nicht zu wünschen. Was aber das .harmonische deutsch-russische Zusammenarbeiten" in der armenischen Frage, von dem wir nun schon so lange hören, ohne daß etwas Greifbares in die Erscheinung tritt, zur Beruhigung der Gemüter beizutragen vermöchte, ist nicht ersichtlich. Da haben wir Loch un Laufe des Winters eine Anzahl russischer Unfreundlichkeiten erlebt, die ganz anoers ms Gewicht fallen. Warum hat unsere offiziöse Presse für diese immer nur Stillschweigen- Der Petersburger Gewährsmann der „Köln. Ztg." hat keinen Zweifel, „daß wenigstens die amtliche Führung der deulsch- russifchen Beziehungen ein ganz anderes Gesicht bekäme, wenn die russischen Herren wüßten, daß sie künftighin nicht immer Mit Entgegenkommen von deutscher Seite, sondern mit einem festen Willen zu rechnen hätten, daß das Angefangene unbedingt durchgesührt würde, unbekümmert um Nervositäten und Verärgerungen."
Man ist nun schon wieder ruhiger geworden.
Die jchöne Amerikanerin.
Roman von Erich Ebenstein.
(Nachdruck verboten.)
»Ich fürchte. Sie haben recht, Poldi. Frau Härtle sagt, wenn sie die beiden nur einmal sehen könnte, dann wüßte sie gleich, ob es Leute aus ihrer Familie seien . . . Sie haben aber wohl kein Bild von der Mulattin oder Beppo?"
. „Nein. Wie sollte ich . . ." Poldi unterbrach sich und lachte verschmitzt —, „aber warten Sie. Die Köchin muß welche haben. Die hatte ja bei der Mulattin einen Stein im Brett und mit dem Beppo war sie gar dick. Daß der ihr ein Bild von sich gegeben hat, weiß ich genau, denn sie hat mir's selbst gezeigt, und Fräulein Luci hätte chr auch eins versprochen, sagte sie damals ganz stolz und aufgeblasen, wie sie sonst ist."
„Na, und wie wär's — könnten Sie ihr denn dre Bilder nicht heimlich für einen Tag stibitzen, blos damit ich sie den Härtles zeige- Frau Hartle würde sich auch gewiß erkenntlich zeigen I" , „Hm — gehen täte es schon. Wir schlafen ja m einem Zimmer, und sie hat ihren Kasten me versperrt . . . aber . . . ob's bloß meinem Bräutigam recht ist- Er hat mir gesagt, ich dürfe
hat das Kriegsgespenst durch honigsüße papierene Noten und beruhigende Zeitungsarnket etwas verscheucht und — freut sich des Friedens, wenn auch des bewaffneten.
In die Beschwichtigungsversuche der deutschen offiziösen Presse paßt aber wie die Faust aufs Auge ein neuester Artikel der russischen Börsenzeitung, der Rußlands Kriegsbereitschaft in nachdrücklichen Worten hervorhebt und vom russ. Kriegsministerium inspiriert sein diirste.
Wir in Wildbad haben wie alle Badestüdte mehr als einen Grund, uns darum zu bekümmern, wie der politische Horizont sich ansieht. Denn einen großen Ausfall an Einnahmen würde ein Krieg von der Ausdehnung bedeuten, wie er zu erwarten wäre. Denn nicht nur Rußland und Deutschland, sondern auch Frankreich, Oesterreich und Italien, vielleicht auch England, würden in der Folge im Felde stehen. Die nächste Folge wäre allgemeine Geldknappheit, äußerste Sparfamkeil und — leere Badeorte! Kranke Offiziere und Soldaten gäbe es mehr als genug, aber eine sehr einseitige Sache wäre das! — Also: viel lieber nicht!
Flus Höuvktemlierg.
Stuttgart, 13. März. Die Erste Kammer behandelte gestern das Lichtspielgesetz und die Landespolizeizentrale. Die Zweite Kammer fuhr in der Beratung der Submifsivnsanlräge fort. — Die Denkschrift über Fortführung der Steuerreform in Württemberg ist jetzt im Druck erschienen. — Ein Denkmalschutzgesetz, sowie ein Gesetz zum vorläufigen Schutz von Denkmalen ist im Entwurf dem Landtag vorgelegt und genehmigt worden.
Stuttgart, 13. März. In der offiziellen Flugschrift des Zentralverbands proletarischer Freidenker „Heraus aus der Kirche!", die neuerdings bei den Versammlungen des genannten Verbands ausliegt und nach der Vorankündigung des „Atheist" dieser Tage auch in den Fabriken verbreitet werden soll, ist. zu lesen: „Man kann es sich ersparen,, mit gelehrten Argumenten die Frage zu erledigen, s ob es wirklich einen Gott gibt, denn für den historischen Materialismus ist Gott nichts Rätselhaftes, Unbegreifliches, sondern das Objekt einer aus bekannter Ursache beruhenden Wirkung. Damit fällt das ganze Gebilde von Religion in sich zusammen . . . Mit dem kapitalistischen Klassenstaat muß der Wahn von Gott und Jenseits aufhören! ..... Sozialdemokraten haben keine
mich auf gar nichts mehr mit Ihnen einlassen .."
„Aber, liebe Poldi . . . !" Hempel machte ein so ehrlich betrübtes Gesicht, daß Poldi ganz gerührt wurde. „Heißt denn das, sich auf etwas einlassen? Mir tun Sie doch damit keinen Gefallen, sondern Frau Härtle! Und müssen Sie's denn Herrn Klinger sagen?"
„Na ja . . . Das ist eigentlich wahr . . ."
„Sehen Sie! Morgen bringe ich Ihnen die versprochene Leinwand, und wenn Sie mir dabei die beiden Bilder anvertrauen, so sollen Sie sie übermorgen wieder haben und noch was extra Schönes dazu. Na?"
„Gott, ich kann Ihnen wirklich nichts abschlagen, Herr Engelmann. . ." kicherte Poldi verlegen, „aber nur kommen Sie ja nicht zu uns ins Haus. Dort stöbert mein Bräutigam jetzt den ganzen Tag herum . . . und wenn er was merkte. . ."
„Also wohin soll ich die Leinwand bringen?"
„Zu der Greislerin, bei der ich jetzt eben war. Da hole ich immer Zucker und Kaffee und sie ist meine Freundin. Die sagt schon nichts."
„Schön. Um welche Zeit?"
„So um ö Uhr früh, da ist Klinger sicher vertieft in seine Sucherei." -
„Sucht er denn nach etwas Bestimmtem?"
> „Ja. Erst wollte er die Korrespondenz der
Veranlassung, religiöse Gefühle oder dergleichen in den Menschentöpfen zu konservieren, sie lehnen alles ideologifch Denkende überhaupt ab .... . Das Proletariat hat keine religiösen Gefühle und Bedürfnisse, es hat das Wesen der Religion be» griffen ..... — Auch da- bürgerliche Frei- denkertum kommt bei seinen klassenbewußtenKampfes- genossen nicht gut weg: Es will an die Stelle der Predigt des Pfaffen die Vorlesung des Professors setzen, die kirchlichen Zeremonien in weltliche „Erbauungsstunden" umwandeln, in denen man sich an den platten Redereien des vulgären Monismus, dieser Modeerscheinung der bürgerlichen Aufklärung, berauscht, aus dem man auch schon eine „Religion der Zukunft" mit üblicher Moral gepfropft hat, ganz die alte Liebessabbelei, wie Marx den Unfug freireligiöser Erbauungsstunden nannte" ..... Dagegen steht nun die heutige Gesellschaft vor einer „Umwälzung, die nicht wie die früheren, unter Auslösung religiöser Ideologien, sondern unter gleichzeitigem Avstreifen aller Religion überhaupt erfolgt ..... Jetzt erst wird es möglich, sich von aller Metaphifik zu befreien." — Von seiten der evangelischen Stadtpfarrer Stuttgarts wurde nachstehende Erklärung erlassen: In allen bisherigen öffentlichen Kirchenaustritts- verjamnrlungen haben hiesige Pfarrer die Sache der Kirche und des Evangeliums vertreten. Angesichts des Verlaufs dieser Versammlungen, in denen bei sichtlich abnehmendem Interesse das Für und Wider zur Genüge erörtert worden ist, verzichten wir nunmehr auf weitere Beteiligung. Sollten besondere Verhältnisse eintreten, so «erden wir auf dem Platze sein. Auch behalten wir uns vor, von uns aus eine öffentliche Versammlung mit freier Aussprache einzuverufen.
Gmünd, 13. März. Die Milchlieseranten von hier sind entschlossen, den Preis der Milch von 20 aus 18 Pfg. für das Liier herabzusetzen. Die vielfachen Proteste der Abnehmer mögen zu .diesem Einschluß die Veranlassung sein. — Eine § Falschmünzergesellschaft, deren Tätigkeit aus Jahre zurückgeht und die auch in Pforzheim Verbindungen unterhielt, wurde hier ermittelt. Ein Silberarbeiter hat bereits ein Geständnis abgelegt. Eine Haussuchung förderte sehr täuschend nachgemachte Zweimarkstücke, deren Silverwert 80 Pfg. beträgt, zutage. Ein vorzüglicher Zeichner aus Feuerbach lieh den Falschmünzern seine Dienste und „mitgegangen, mitgefangen" heißts nun auch bei ihm.
Gnädigen finden, aber damit wars nichts. Sie hat alles verbrannt. Bloß ein paar Dinereinladungen und Billets von der Schneiderin hat er gefunden, sonst rein gar nichts. Jetzt sucht er die Mordwaffen. Ein Stilett solls sein — hu — ich sehe sie mir gewiß nicht an, wenn er sie findet."
Hempel lächelte fein.
„Recht haben Siel Na, ich wünsche ihm übrigens von Herzen, daß er die Waffe findet, und daun noch mehr . . . Lorbeeren erntet. Also morgen um S Uhr."
Am nächsten Morgen fand sich Poldi pünktlich mit den Bildern ein und nahm außer ihrer Leinwand noch eine hübsche Kaffeegarnitur in Empfang. Poldi fand, daß es nie einen nobleren und uneigennützigeren Freund gegeben habe, als Herrn Engelmaun, und beschloß sUr die Zukunft, Klinger günstiger gegen ihn zu stimmen.
Silas Hempel eilt» mit den Bildern durchaus nicht zu der aus der Luft gegriffenen „Frau Härtle", sondern zu einem geschickten Photographen, um sie vervielfältigen zu lassen.
Stoch am selben Tage kouvrrtierte er die entliehenen Bilder dann, versah sie mit Poldis Adresse - und trug das Kouverl zur Greislerin zurück, wie -er mit Poldi ausgemacht hatte.
(Fortsetzung folgt.)