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Samstag, den 28. Februar 1914
I 50. Jahrgang.
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Ku Kkhkskite Nr MMchenIuMMk.
Die Veranstaltungen der öffentlichen Jugendpflege stnd herausgewachsen aus dem sozialen Gedanken, daß der stärkeren Gesamtheit übertragen werden muß, was der schwächere Einzelne nicht mehr zu leisten vermag und was doch im Interesse derAllgemelnheitgelrestet werden muß. Der schwächere Einzelne ist m diesem Falle die häusliche Erziehung. Auch die schulentlassene Jugend kann der führenden Hand und des überwachenden Blickes noch nicht entbehren. Versagt da das Haus, so mutz die Allgemeinheit eingreisen.
Nun läßt sich nicht verkennen, daß die wirtschaftliche Entwicklung viel Jugend früher, als gut ist, in den Strom de» Lebens wirft und damit das Band zwischen Elternhaus und Kind zu früh lockert, wenn nicht zerschneidet. E« läßt sich nicht verkennen, daß sie mit ihren neuen Produktion»- formen, ihrer großstädtischen Konzentration des Lebens und dem damit verbundenen Wohnungselend die sittliche und körperliche Entwicklung der Halbreifen nachteilig beeinflußt. Allein Las ist m Deutschland noch keineswegs eine allgemeine Erscheinung; es handelt sich lediglich um krankhafte Ausnahmezustände. Ein Gegengewicht gegen diese boten die kirchlichen Jugendvereme und die Turnvereine, allerdings nicht in genügendem Maße, und als nun der Staat die schulentlassene Jugend nicht nur sittlich und körperlich, sondern auch national gefährdet sah, da glaubte er, in seinem eigenen Interesse, mu einer öffentlichen männlichen und weiblichen Jugendpflege emgreifen zu müssen, ursprünglich nur in der löblichen Absicht, Uebel- ständen abzuhelsen. Aber mit dem Augenblicke, wo die öffentliche Jugendpflege unters chiedlos auf Stadl und Land ausgedehnt und damit eine allgemeine Veranstaltung wurde, hat sie einen Eharakter erhalten, der m mancher Hinsicht nicht ganz unbedenklich erscheint. Man ist befriedigt, wenn durch Iahten bescheinigt wird, daß etwas getan ist, und übersieht doch jo ganz, daß die sittlich, national und körperlich gefährdete Jugend gar nicht gefaßt wird, sondern die, welche in der Familie nach jeder Seile hm gut ausgehoben ist, also keiner öffentlichen Pflege bedarf. Es wird dem Hause systematisch abgenornmen, waS eS noch immer sehr wohl leisten kann, und andererseits bietet sich den Lehr- und Dienstherren eme willkommene Gelegenheit, ihre Pflichten gegen die
ihnen anvertrauten Hausgenossen auf die Oeffentlich- keit abzuwälzen, ohne sich dem Vorwurfe der Pflichtvergessenheit auszusetzen. Nun beruht aber doch das Wesen einer Familie — im engeren wie im weiteren Sinne — in ihren Pflichten, zumal den Erziehungspflichten. Uebernimmt diese der Staat ohne weiteren Grund, so hebt er die Familie auf und damit sich selber in seiner bisherigen Form, denn sein Fundament ist die Familie, und was emmal öffentlich geworden ist, kehrt nie wieder in ihren Schoß zurück.
Dabei hat die öffentliche Jugendpflege hie und da unter den Händen Unberufener eme Tendenz erhallen, die von Erziehung weit entfernt ist. Sie läuft hinaus auf Unterhaltung, auf Amüsement. Zur Jugend gehört Lebensfreude, und Jugend ist Lebensfreude; auf dem Wege aber, der ein Volk aufwärts führt, liegt nicht Spiel und Genuß, nicht Gängelei und Tändelei, nicht jene Frechen, die das Leben leer macht, sondern Ernst und Kampf, Pflicht und Schuldigkeit, Zucht und Autorität, und jede öffentliche Erziehung, die nicht in diesem Grundgedanken wurzelt und nicht diesen Grundgedanken zum Ausdruck bringt, führt ein Volk unzweifelhaft abwärts. Es kann unmöglich zum Guten ausschlagen, in einer Zeit, die von dem Einzelnen Anspannung aller geistigen und körperlichen Kräfte verlang!, wenn er nicht ins Hintertreffen kommen will, der Jugend von seiten der Gesellschaft allmählich ein öffentliches Recht auf Unterhaltung, auf Spiel und Vergnügen anzugewöhnen. Wern em öffentliches Anrecht auf Spiel gegeben ist, der wirb bald ein öffentliches Anrecht auf Brot fordern.
Berücksichtigt man nun noch, daß die Beweggründe derjenigen, die sich in den Dienst der öffentlichen Jugendpflege stellen, nicht immer rem sachlich sind und daß selbst die nationalen Turnvereine schon über ein Abnehmen ihrer Jünglingsabteilungen klagen, da die Jungen lieber amüsiert sein als sich körperlich ertüchtigen wollen, so kann man nur wünschen. Laß die öffentliche Jugendpflege bald in gesunde und naturgemäße Bahnen zurückgedämmt werde. Was nach dieser Seile hin nötig ist, findet in der Fortbildungsschule ihre natürliche Pftegestätte. Sodann vergesse man nicht, daß die Pflege der Jugend vom 6. bis zum 14. Lebensjahre die beste Jugendpflege ist, weil sie die grundlegende ist und weil das, was hier versäumt ist, nicht wieder gutgemacht werden
kann. Es steht um die Zeit nach der Schulentlassung um so besser, je mehr die Zeit vor der Schulentlassung zu ihrem Rechte kommt.
Aus Württemberg.
Stuttgart, 27. Febr. (Der OrdenSsegen.) Aus den Ernennungen und Verleihungen zum Geburtstag des Königs ist hervorzuheben, daß Herzog Philipp, Generaloberst und bisher 4 1» «uil« des Ulanenregiments König Karl Nr. 19, zum zweiten Chef diese» Regiments ernannt und Herzog Albrecht, Generaloberst und Generalinspekteur, bisher ä 1a suiks des Grenadierregiments Königin Olga zum Chef dieses Regiments ernannt wurde. Das Großkreuz des Friedrichsordens erhielt u. a. der Kultminister Dr. von Habermaas, da» Großkreuz des Ordens oer württembergischen Krone der Generaladjutant Freiherr von Starkloff, den Stern zum Kommenturkreuz diese» Orden» der Präsident des Evangelischen Konsistoriums von Zeller, das Kommenturkreuz des Militärverdienstordens der Oberstleutnant z. D. Freiherr v. Crailsheim, zuletzt Bataillonskommandeur im Grenadierregiment Königin Olga, das Kommenturkreuz 2« Klasse des Friedrichsordens der Prälat und Feldprvbst v. Blum. An Parlamentarier sind folgende Auszeichnungen verliehen worden: Das Kommenturkreuz 1. Klasse de- Friedrichsordens an den Vizepräsidenten der Zweiten Kammer, Senatspräsident Dr. v. Kiene, das Ritterkreuz 1. Klaffe des FrieürichsordenS an die Landtagsabgeordneten Rechtsanwalt Dr. Eisele in Varhingen a. E., Privatier Maier in Schmichen, sowie Landwirt und Gemeinderat Vogt in Gochsen, außerdem an öen Regierungsrat der der Regierung de» Donau- kreise», Hasel. Ein weiterer Landtagsabgeordneter, der Landwirtschaftsinspektor Ströbel in Ulm, wurde durch den Titel eines Oekonomierats ausgezeichnet.
S tut t gart, 27. Febr. (Zum neuen Bahnhofs-^ viertel.) Wenn am 1. Juli ein Teil der im Besitz der Eij enbahnverwaltung befindlichen Häuser infolge der Uebersiedelung der Generaldirektion in ihr neues Verwaltungsgebäude geräumt sind, beabsichtigt einer Blättermeldung zufolge die Stadtverwaltung, die bei der Niederlegung der alten Häuser frei werdenden Plätze alsbald mit dem projektierten neuen Siraßenbahnnetz zu versehen. Die Fürstlich Donnersmarcksche Grundstücksverwaltung al» Eigentümerin der alten Grundstücke zahlt dazu erneu Beitrag von 440000 Mk. Sobald als möglich
Dir jchöne Amerikanerin.
Roman von Erich Ebenstem.
31) ^Nachdruck verboten.)
XVIll.
Die Verhaftung de» allgemein bekannten und geachteten Baron Götz hatte begreiflicherweise ungeheures Aufsehen gemacht, das noch genährt wurde durch die sensationellen Berichte der Zeitungen, dre fpaltenlange Details brachten.
E» war also kein Wunder, daß, obwohl man die Stunde, in welcher sich eine Kommission nach dem Garten der Villa Götz begeben sollte, um die verdächtige Grube zu untersuchen, geheim gehalten hatte, sich dennoch eine große Menschenmenge in der Herwigstraß« vorsand, als die Wagen mit den Amtspersonen anlangten.
Der alte Satz: wenn zwei Personen um eine Sache wissen, so ist sie schon kein Geheimnis Mehr! bestätigte sich auch hier.
Und diesmal wußten ja naturgemäß mehr als zwei Personen darum. Außer den Gerichtspersonen, denen sich auch der Staatsanwalt und Abram anschlossen, hatte sich auch Hempel ein- gefunden und zuletzt kam Klinger atemlos auf den Untersuchungsrichter zugestürmt.
Er sprach lange und dringlich auf ihn ein, bis Scheideweins Gesicht einen überraschten Ausdruck annahm und er auch Klinger gestattete, in den Garten mit einzutreten.
Am Einfahrtstor wurden zwei Wachleute postiert, die beiden kleinen Pforten m den Nachbargärten und nach der Heisterseldgaffe hinaus waren überhaupt versperrt geblieben.
Hempel atmete auf, als das Gittertor hinter den Eintretenden zuftel, ohne daß sein scharfer Blick eine Spur von Hermine Ftorus entdecken konnte. Bis zuletzt hatte er die an Fanatismus grenzende Entschlossenheit des armen Mädchens gefürchtet. Die Grube war bald gesunden. Der Gärtner führte die Herren hin. Sie lag am äußersten Ende des Gartens in der Mauer hinter Holundergebüsch verborgen.
Ein Teil dieses Gebüsches wurde entfernt, um Platz zu schaffen, dann begannen zwei Männer unter tiefem Schweigen der Anwesenden ihre Arbeit.
Sie brauchten nicht lange zu graben, da entdeckten sie zwei Stiefel, denen Kleidungsstücke folgten, und endlich, nach halbstündiger vorsichtiger Arbeit, lag ein schon fast unkenntlicher menschlicher
Leichnam vor den entsetzten Teilnehmern der Kommission.
„Jesus, Maria," stöhnte leichenblaß der Gärtner, „das ist ja wahrhaftig der Herr, mit dem der Herr Baron am 10. Mai von der schönenAmerikanerin herüberkam I Ich erkenne ihn an dem schwarzen Spitzbart und den Haaren."
Tiefes Schweigen folgte diesen Worten.
AU« blickten stumm auf den Leichnam, über welchen sich der Gerichtsarzt eben beugte.
„Sie glauben also in dem Toten jenen Besuch wiederzuerkennen,den JhrHerr damals mitbrachte ?" fragte endlich Scheidewein den Gärtner.
„Ja — bestimmt. Er hatte genau solch einen schwarzen Spitzbart und so kohlschwarzes Haar. Auch die schwarze Kleidung stimmt — er sah sehr vornehm darin aus."
Der Staatsanwalt wandte sich jetzt an den Gerichtsarzt.
„Läßt sich irgendwelcher Schluß auf die Todesursache ziehen, Herr Doktor 7"
Der Arzt richtete sich auf.
„Sogar mit völliger Sicherheit. Der Mann wurde erstochen. Hier am Brustblatt ist das Messer etwas abgeglitten, und auch derSchädelknochen zeigt Messerspuren eigentümlicher Art.