Der amerikanisch-englische

Bernichümgswille.

Man mutz es zugeben, Wilson weiß, was er will, und er vertritt feineIdeen" mit Folgerichtigkeit und Nachdruck. Wilson kennt auch die Psyche des amerika­nischen Volkes, das sofort zum Lynchmord bereit ist, «wenn irgend ein dunkler Ehrenmann einen anderen beschuldigt, er habe gegen Recht und Freiheit gefrevelt. Lange herrschte bei uns, und nicht nur in Laienkrei- sen, die naive Anschauung vor, Wilson sei ein weltfrem­der Professor, und stelle Theorien auf, die sich mit den Realitäten dieser 4kelt nicht in Einklang bringen lie­ßen, Oh heilige deutsche Einfalt! Hoffentlich wirst du durch diesen Krieg endlich einmal aus deinem Traumwandel ausgerilttet. An Arzneimitteln gegen diese Schlafkrankheit haben es unsere Feinde wahrlich nicht fehlen lassen. Lloyd George, Llcmenceau, Chur­chill und Genossen ohne Zahl, sie alle haben uns deut­lich zu verstehen gegeben, was sie mit Deutschland Vor­haben. Und nun gar Wilson. Er ist Meister. Sein System ist unübertrefflich. Die Welt will er befreien von Willkür und Macht, und dann will er einen Bund gründen, der dem Gewohnheitsrecht der zivilisierten Ge­sellschaft Achtung verschaffen soll. Die von selbstsüchti­gem Ehrgeiz getriebenen Regierungen mutzten vernich­tet werden. Wenn dann die Völker, die von den be- treffenden Regierungen geführt werden, vernichtet sind, und sich die airdern nach den Gesetzen des ..Celbstbestim- mungsrechts" ihr Recht verschafft haben, dann wird ein Völkerbund gegründet, der dieses so geschaffene Recht in alle Ewigkeit garantieren soll. Wir meinen, dieser Gedanke ist doch inehr als graue Theorie, der hat wahrhaftig Wirklichkeitssinn genug. Und so den En- tenteoölkern vorgetragen mutz er unbedingt wirken. Die Macht der Mittelmächte mutz vernichtet werden, dann haben die Ententestaaten für immer Ruhe. Man braucht keine so großen Rüstungen mehr, es giebt kei­nen Krieg mehr, denn es werden natürlich Garantien geschaffen, daß die Friedensstörer dis friedfertige En­tentemenschheit nicht mehr aus ihrer Ruhe aufschrecken. Mit der Freiheit der kleinen Völker braucht man es ja nicht so ernst zu nehmen. Aegypten, Indien und Irland bleiben selbstverständlich weiter unter englischer Herrschaft, und wenn sie keine Aussicht mehr haben, sich zu befreien, so werden sie sich schon an ihren Sklaven­dienst gewöhnen. Die Türkei hat natürlich nach den Ansichten der angelsächsischen und lateinischen Kultur­riesen keinen Anspruch auf Selbständigkeit, deshalb wird diesem Staat Palästina, Mesopotamien genom­men, Persien kommt unter englischen Einfluß, die Sla- ven und Italiener Oesterreich-Ungarns werden befreit, Bulgarien mutz auf seine nationalen Ansprüche verzich­ten zu Gunsten der andern ententefreundlichen Bal- lkanvölker, d. deutsche Elsaß-Lothringen kommt wieder an Frankreich, weil es von diesem früher dem machtlosen Deutschland entrissen worden war, Posen wird an die Polen abgetreten, weil die natürlich mehr Kultur und Ordnung zu schaffen geeignet sind, und schließlich wird man wohl auch noch die deutschen Rheinlande neutrali­sieren, weil ja weil eben Deutschland nicht mehr in die Lage kommen soll, sich gegen die Herren der Welt zu empören. Herrn Wilson stellt man für die Unter­stützung der Absichten der europäischen Ententestaaten dann einen Blankowechsel bezüglich Amerikas aus-. Er darf sich Mittel- und Südamerika so successive untertan machen, und was dann die asiatischen Fragen anbe- kangt, so wird man sie bei Gelegenheit schon im Sinne der angelsächsischen Staaten zu lösen wissen. Die Ja­paner sind schon so freundlich und warten, bis man sie ebenso wie inan es mit Deutschland vorhat, erledigt. Oder nicht?! Vorläufig scheint es so, wenn der japa­nische Botschafter in Washington sagt, Japan werde im­mer Amerikas Freund bleiben, wenn es die Amerikaner i gütigst gestatten. Nun hat man nur noch gewisse Schwie­rigkeiten bezüglich Rußlands, das sich vorerst nicht durch die Entente von dem deutschen Einfluß befreien lassen will. Aber es sind schon Vorbereitungen getroffen, daß man die Russen gegen ihren Willen, doch zu ihrem Besten, über die Unzweckmäßigkeit ihrer neutralen Po­litik aufklärt. In diesem Sinne soll schon in nächster Zeit ein Ultimatum an die Sovjetregierung gerichtet werden.

Das also ist alles in allem genommen der Weltver­besserungsplan Wilsons und der Entente, und wir ha­ben keine andere Wahl, diesen Plan in den wesentlich-f sten Grundlagen zu korrigieren, als daß Hindenburg mit dieser Heuchlerbande deutsch spricht, und ihnen dadurch zu Gemüte führt, daß sie in ihrem Völkerbundsentwurf die deutschen Interessen zu berücksichtigen zufällig ganz vergehen haben. O.

*

Wils««siche Phrasen zum Unahhiingigkeitstag.

(WTV.) NewHork» 4. Juli. Reuter meldet: Prä­sident Wilson sagte in seiner Rede am Grabe Washingtons in Mount Aernon am Donnerstag nach­mittag: Das Grab Washingtons ist keine Stätte des Todes, sondern eine Stätte der Tat. Es ist sehr be­zeichnend für Washington und seine Helfer, dah sie nicht für eine Klasse sprachen, sondern für ein Volk. Ihr bestes Ziel war, die Menschen aller Klassen zu befreien und Amerika zu einem Zufluchtsort für die

3. und 4. Seile zu Nr. 158.

Menschen aller Länder zu «rachen, wenn sie den Wunsch hatten, die Rechte und Privilegien freier Männer zu teilen. Wir haben dieselben Ziele wie sie. Wir in Amerika glauben, daß unsere Teilnahme am Kriege nur die Frucht ist von dem, was sie gesät haben. Unsere Auffassung von dem großen Streit, in den wir verwickelt sind, ist folgende: Auf der einen Seite stehen die Völker der Welt, nicht nur die, die an dem Kampfe teilnehmen, sondern auch viele andre, die unter der Oberherrschaft leiden, Völker vieler Rahen und aller Teile der Welt, auch Rußland. Ihnen gegenüber steht eine isolierte Gruppe sreundloser Re­gierungen. die kein gemeinschaftliches Ziel vor Augen haben, sondern nur ihren eigenen selbstsüchtigen Ehr­geiz zu befriedigen suchen, während ihre Völker nur Brandstoff in ihren Händen sind, Regierungen, die mit einer primitiven Macht bekleidet sind, die aus einer Zeit stammt, die uns vollkommen fremd und feindlich ist. Vergangenheit und Gegenwart sind in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt. Das Er­gebnis mutz endgültig sein. Wir würden keinen Ver­gleich, keine halbe Entscheidung dulden können; es würde auch keine halbe Entscheidung möglich sein. Dis verbündeten Völker kämpfen für die folgenden Ziele, die verwirklicht werden mühen, ehe Frieden werden kann: 1. Vernichtung jeder Willkür und Macht, die für sich allein und heimlich den Frieden der Welt stören kann; und wenn ihre Vernichtung jetzt nicht möglich ist, iniudestens ihre Herabdrückung zu tatsäch­licher Machtlosigkeit. 2. Regelung aller Fragen, so­wohl der territorialen und der Souoeränitätsfragen, der wirtschaftlichen und politischen Fragen auf der Grundlage einer freien Annahme dieser Regelung durch das Volk, das unmittelbar dabei betroffen ist, nicht auf der Grundlage des materiellen Interesses oder Vorteils irgend eines andern Volkes, das eine andere Regelung zur Ausbreitung seines Einflusses oder seiner Herrschaft wünscht. 3. Einwilligung aller Völker in ihren Verhältnissen zu einander sich von den­selben Grundsätzen der Ehre und der Achtung vor dein Gewohnheitsrecht der zivilisierten Gesellschaften leiten zn lassen wie sie für die einzelnen Bürger moderner Staaten gelten, dergestalt, daß alle Versprechungen und Verträge gewissenhaft beobachtet, daß keine «Än- deranschläge und Verschwörungen angezettelt werden und das wechselseitige Vertrauen geschaffen wird auf der Basis wechselseitiger Achtung vor dein Recht. 4. Schaffung einer Friedensorganisation, die verbürgt, daß die gesamte Macht der freien Nationen jede Rechts­verletzung verhütet, und die ein Schiedsgericht ein- richtet, dem alle internationalen Gegensätze unter­breitet werden sollen. Diese großen Ziele können wir in einen Gedanken zusammensahen: Wir streben nach der Herrschaft des Rechts, gegründet auf die Zustimmung der Negierten und gestützt auf die organisierte Meinung der Menschheit.

Der Krrcgswahnsinn in Amerika.

(WTV.) Bern, 6. Juli. Bezeichnend für die Stim­mung Amerikas ist der zu Anfang Juni dem Kongreß zugegaiigene Eesetzesantrag. daß in Städtenamen die Germantown und Berltnsvills die Worte German und Berlin durch Liberty und Viktoria ersetzt werden soll, da diese Namen die Loyalität und Liede für das alte Vaterland dartun sollten.Chicago Trib." rügt, daß der Antrag den Rainen Bismarck übergeht, nach dem zwölf Städte Nordamerikas heißen, und meint, daß bei Annahme des Antrags 58 Orte ihren Namen ändern müßten. Endlich wird allenthalben das Doppelwort Gcruran-Aucerican beseitigt. Bei Fir­men, wo dies nicht freiwillig geschieht, greift der Pöbel ein, wie in Hastings in Minnesota, wo von 150 RekrutenGerman" aus dem Firmenschild der German- American-Banc gewaltsam entfernt wurde. Auch das vielfach in Firmen und Gebäuden vorkommende Wort Germania" wird überall durch Liberty und andere zeitgemäße Schlagworte ersetzt. Die bekannte deutsche ZeitungGermania Herold" hat ihren Namen in Milwaukee-Herold" umgewandelt.

. Churchill zum Unabhängigkeitstag.

(WTV.) London, 5. Juli. In einer zur Feier des amerikanischen Unabhängigkeitstages abgehaltenen Versammlung der Anglo-Saxon Felloship in Westmin- ster hielt Munitionsminister Churchill eine Rede, in der er sagte, die amerikanische Unabhängigkeitserklä­rung voin 4. Juli 1776 sei nicht nur ein amerikanisches Dokument, sie sei einer der großen Nechtstitel, auf de­nen die Freiheiten der englischen Völker begründet seien. (Au!) Nachdem Churchill d. gegenwärtigen Krieg als einen Kampf zwischen Zivilisation und wissen­schaftlicher Barbarei, zwischen Staaten, wo die Völker Regierungen besitzen, und Staaten, wo die Regierun­gen die Völker besitzen, bezeichnet hatte, fuhr er fort, eines der beiden Systeme muffe entscheidend siegen. Deutschland muffe geschlagen werden und wissen, daß es geschlagen sei. Aber das deutsche Volk muß wissen, daß wir für uns selbst kein grundlegendes natürliches Recht beanspruchen, das wir nicht bereit wären, ihm zuzu­sichern. Alle in der Unabhängigkeitserklärung enthal­tenen Rechte werden die seinen sein. Wir wollen heute Amerika unsere treue Kameradschaft aussprecheu. Kein Kompromiß ist unser Endziel, kein Frieden ohne Sieg, keine Vereinbarungen, wen» das Unrecht nicht bereut wird. Das ist die Erklärung vom 4. Juli 1918, nicht nur eine Unabhängigkeitserklürung, sondern auch eine Erklärung der Zusammengehörigkeit.

Admiral Sims sprach über die Unterstichunz, die die Vereinigten Staaten zur See gegeben Hütten und noch geben würden. Der Krieg werde so lange dauern, bis Deutschland völlig geschlagen sei. Zuletzt sprach der frühere englische Botschafter in Aurerika Lord Bunge.

Das englische Unterhaus zur Kühl««u«rede.

(WTB.) London, 4. Juli. (Reuter. Unterhaus.) Der Pazifist Mason fragt, was die Negierung zu unternehmen gedenke im Hinblick ans die Erklärung des Staatssekretärs v. Kühlmann über die deutschen Kriegsziele im Reichstag. Der Unterstaatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, Lord Robert Cecil, antwortete, er könne nicht einsehen, was es nütze, auf eine so unbestimmte und unentschiedene Erklärung hin etwas zu unternehmen. Unsere Kriegsziele fuhr er fort, sind allgemein bekannt, aber wir warten vergeblich auf eine klare und unzweideu­tige Feststellung der Kriegsziele unserer Feinde. Schließlich ersuchte Mäson darum, eine Erörterung der Kühlmannschen Erklärung zu eröffnen, aber kein einziges Mitglied des Hauses erhob sich zu seiner Unterstützung.

Die englische Gewaltherrschaft in Irland.

(WTB.) London, 6. Juli. (Reuter.) Die Polizei nahm gestern am frühen Morgen in der Grafschaft Galway und in den anschließenden Grafschaften aus« gedehnte Haussuchungen nach Waffen vor. Die Streif­züge erstreckten sich über einen Umkreis von 5g Meilen um Ballt nasloe herum. Es wurden Hunderte von Ge­wehren und andere Waffen beschlagnahmt. Im all­gemeinen ergaben sich keine Schwierigkeiten. In eini­gen Fällen, wo Widerstand geleistet wurde, wurden Verhaftungen vorgenommen.

Japan und Amerika.

(WTB.) New Port, 5. Juli. Der japanische Botschafter Jshii hielt in Fairhaven (Massachus- setts) eine Rede, in der er versprach, daß Japan seinen vollen Anteil am Kriege in der Weise tragen werde, die seiner Ansicht nach am wirksamsten und am meisten zum Erfolg beitragen könnte. Er bezeichnete die Gerüchte über die Möglichkeit einer Wiederannähe­rung Deutschlands an Japan als deutsche In- trigne, die dazu bestimmt sei, die Alliierten vonein­ander zu trennen. Jshii teilte dann folgende Bot­schaft des japanischen Volkes an das Volk der Ver­einigten Staaten mit: Wir vertrauen Euch und lieben Euch und wenn Ihr das gestattet (?), werden wir in loyaler guter Kameradschaft alle kommenden Jahre Euch zur Seite wandeln. (Reuter hat diese Lie­benswürdigkeiten des japanischen Botschafters natür­lich mit Schmunzeln gebucht, obwohl man in London wie in Washington weiß, welche Bedeutung solche Reden haben. Heilte nehmen die angelsächsischen Staa­ten diesen Freundschaftsantrag mit Vergnügen ent­gegen. morgen werden sie den Japaner mit Reserve behandeln, wie einen unbequemen Konkurren­ten, der sie dazu noch gehörig gerupft hat. D. Schriftl.)

Die Entwicklung der Dinge im Osten-

Ruffische Gegenmaßnahmen gegen die englische Landung an der Murmauknste.

(WTB.) Moskau, 5. Juli. Die Presse veröffent­licht folgenden Befehl Trotzkis: I« Mnrma» ist fremdes Militär gelandet worden, trotz des aus­drücklichen Protestes des Kommissars für' auswärtige Angelegenheiten. Der Sovjet der Volkskommissare schreibt mir vor, dorthin die nötigen Streitkräfte zu entsenden, um die Küste des Weißen Meeres vor der Besitzergreifung durch ausländische Imperialisten zu schützen. Daher befehle ich folgendes: 1. Wer dem auswärtigen Militär Hilfe leistet, ob direkt oder in­direkt, wird als Landesverräter betrachtet und nach Kriegsgesetz hingerichtet. 2. Der Transport nach Arch­angelsk von Kriegsgefangenen, ob in bewaffneten oder unbewaffneten Abteilungen, oder einzelner Leute ist unbedingt verboten. Jeder, der hiergegen verstößt, wird nach dem Kriegsgesetz gerichtet. 3. Zur Fahrt an die Eismcerküste benötigen russische und ausländi­sche Bürger unbedingt der Erlaubnis des nächsten Kreiskriegskommiffariats. Paffagiere, welche ohne eine derartige Erlaubnis an die genannte Küste reisen, sind zu verhaften.

(WTB.) Moskau. 5. Juli. Der Rat der Volks­kommissare hat folgende Bekanntmachung er­lassen: Der Vorsitzende des Murmanschen Sovjets, Jurjew, welcher zu den englisch-französischen Imperi­alisten Lbergegangen ist und an den feindlichen Handlungen gegen die Sovjetrepublik teilgenommen hat, wird als Feind derselben erklärt und als außer­halb des Gesetzes stehend betrachtet. Wie die Presse meldet, ist über Archangelsk der Kriegszustand ver­hängt worden.

Gründung einer sozialistischen Akademie in Rußland.

(WTV.) Berlin, 5. Juli.Nasch Slowo" vom Juli 1918 teilt mit, daß im Rat der Volkskommissare die Gründung einer sozialistischen Akademie erwogen wurde. Einstimmig wurden zu Mitgliedern erwählt: Bucharin. Largin, Stutsedka, Nadek, Rissanow, Bog- ladanow und Lenin. Lenin lehnte die Wahl ab. Aus Deutschland wurden gewählts Rosa Luxem­burg. Ledebour, Karl Kautzki, Franz Meh­ring und Karl Liebknecht; aus Oesterreich-Un» garn: Otto Bauer, Die gleichfalls als Mitglieder aus-